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Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation

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Betrachten wir einmal die äußeren Umstände, unter denen Künstler arbeiten müssen.

Das tägliche Berufsleben im Orchester ist ein Albtraum für die Ohren: Bereits 30 Prozent der unter 35-jährigen Musikerinnnen und Musiker sind hörgeschädigt.4 Auch im Chor ist der Probenalltag eine Herausforderung. Täglich sitzen vierzig bis sechzig Personen Stuhl an Stuhl nebeneinander und arbeiten über mehrere Stunden kollektiv zusammen. Die engen Gemeinschaftsgarderoben bieten kaum Rückzugsmöglichkeiten während der Pausen.

Der Zeitdruck, unter dem gearbeitet wird, ist ungewöhnlich hoch: In jeder Spielzeit entstehen in großen Häusern nicht nur viele Neuinszenierungen, sondern viele Produktionen werden auch wieder aufgenommen. Die Städtischen Bühnen Frankfurt am Main beispielsweise produzierten in der Spielzeit 2013/14 34 Neuinszenierungen im Schauspiel und 13 im Musiktheater bei 96 Inszenierungen insgesamt.5

Jede Produktion hat oft nur sechs bis acht Wochen Probezeit. Eine vielfältige Verzahnung von höchst unterschiedlichen Gewerken wie Beleuchtung, Bühne, Ton, Maske und Kostüm gilt es mit den verschiedenen künstlerischen Anforderungen und Gruppierungen in Einklang zu bringen. Es bleibt wenig Zeit, um zu testen, zu optimieren, auszubauen. Kontinuierlich wird mit der heißen Nadel gestrickt. Improvisationskünste sind gefragt, die sicherlich in gesundem Maße gerade Künstler als inspirierend und denkerweiternd empfinden. Ist Improvisation jedoch ein Dauerzustand, um nicht besetzte Stellen, ungünstige Organisationstrukturen und interne Kommunikationsschwächen ausgleichen zu müssen, dann wirkt diese Haltung erschöpfend und ausbrennend. Ständig Terminen hinterherzurennen und nie das Gefühl zu haben, eine Arbeit dem eigenen Qualitätsstandard entsprechend und vor allem bis zum Ende ausgeführt zu haben, unterbindet die Kreativität, wie das Kapitel über Stress zeigen wird. Vor allem verringert sich das tiefe Gefühl der Zufriedenheit, aus dem Kunstschaffende viel Motivation schöpfen, eine Quelle, die besonders wichtig wird, wenn andere Motivationsfaktoren wie Aufstiegschancen oder berufliche Weiterentwicklung fehlen.

Belastend sind ebenso die wenig sichere, oft nur befristete Vertragssituation und die schlechte Bezahlung bei hohen Überstunden. Ebenso die unsozialen Arbeitszeiten mit den Proben am Vormittag und den Aufführungen am Abend bzw. den Schichtdiensten, vor allem an den Wochenenden. Familie und Freunde werden oft vernachlässigt, Hobbys können nur bedingt gepflegt werden. Es kommt zu einer theaterinternen Kultur, die wiederum die belebenden Impulse von außen damit ausschließt.

In einigen Häusern kommt der Tourneebetrieb hinzu, mit den ihn begleitenden schlechten Aufführungs- oder Probebedingungen. Doch auch die Bedingungen im eigenen Haus, wie fehlende Rückzugsmöglichkeiten, können Stress auslösen. Oft fehlt eine gute Kantine. Dabei wäre ein gemeinsamer Treffpunkt, der zu den theatertypischen Zeiten gutes und gesundes Essen anbietet, besonders wichtig.

Erste Hilfe für die Künstlerseele

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