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Soziale Strukturen und Beziehungen

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Das Theater wird gerne – intern als auch extern – als letzte Hochburg der Diktatur in Deutschland beschrieben.6 Starre, historisch gewachsene hierarchische Strukturen definieren das Theatersystem. Auch das Intendantenkarussell trägt zu der Erstarrung bei. Während ein Intendantenwechsel sicherlich seine Berechtigung hat und der jeweiligen Stadt und dem Haus guttun kann, findet er oft zu schnell und zu radikal statt (die gesamte künstlerische Leitung und ein Großteil der Ensembles werden ausgetauscht).

Der rasche Wandel verbunden mit wenig Sinn und Verständnis für die Wirkung eines so radikalen Wandels auf die Struktur des gesamten Betriebs und eines gezielt gelenkten Organisationsentwicklungs- oder Change-Prozesses mit den entsprechenden Instrumenten7 führt zu einem mehr oder weniger großen Widerstand der langjährigen Beschäftigten.

Denn bis man Strukturen in ihren Wurzeln lösen kann, braucht es oft Jahrzehnte und ein hohes Bewusstsein für gesunde organisatorische Wandlungsformen bei der Theaterleitung, die auf Vertrauen beruhen. Und Vertrauen benötigt Zeit. So bleibt am Ende oft nur ein diktatorisches, machtvolles Auftreten, um die eigenen Ideen durchzusetzen. In diesem Sinne tragen häufige Intendantenwechsel zur Beruhigung und nachhaltigen Ausrichtung eines bereits an sich aufgeheizten Betriebs nur wenig bei.

Auch die Beziehungen untereinander sind selten von Teamgeist geprägt. Aufgrund des schwierigen Arbeitsmarkts herrscht innerhalb der Ensembles enormer Konkurrenzdruck. Während Solisten sich als Einzelkämpfer erleben, sehen sich beispielsweise die Chormitglieder nur als Einheitsmasse. Sie fühlen sich als einzelne Künstler wenig wertgeschätzt und unterfordert, andererseits werden sie von anderen wegen des sicheren Arbeitsplatzes beneidet. In diesen Ensembles entstehen klassische Gruppendynamiken mit schwelenden Konflikten, die nicht aufgelöst und oft über Jahrzehnte gepflegt und weitervererbt werden, sodass neue Mitglieder in den Sog des Alten gezogen werden. Auch Senioritätskonflikte oder die Angst der Älteren vor den Jungen und ihren noch in voller Gänze vorhandenen Fähigkeiten beeinflussen das Klima.

Ein anderes großes Feld, über das sich jedes Haus beklagt, ist die Kommunikation – sowohl intern in der Gruppe als auch mit anderen Bereichen des Theaterbetriebes. So werden zum Beispiel Vertretungen nicht auf dem Laufenden gehalten, oder Anweisungen müssen immer wieder neu gegeben werden. Auch sind vielen Künstlern die technischen Abläufe im Hintergrund und der enorme Zeitdruck, den eine gewünschte Änderung auslöst, nicht bewusst.

Wenn dann in diesem vielschichtigen Produktionswahnsinn der Verwaltungsbereich, der sich um Arbeitsverträge und viele lebensnotwendige Belange der Künstler kümmert, aus dem städtischen Umfeld kommt und lediglich in »normalen« Kategorien und Arbeitszeiten denkt, die sich nicht mit den Präsenz- und Pausenzeiten der Künstler am Haus deckt, verschärfen sich die empfundenen Belastungen.

Was muss sich also ändern und vor allem: Wie können wir es ändern?

Erste Hilfe für die Künstlerseele

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