Читать книгу Systemische Therapie - Christina Hunger-Schoppe - Страница 20
1.2.2 Strukturen und Grenzen
ОглавлениеDer argentinische Kinderarzt und Psychiater Salvador Minuchin (1921–2007) beschreibt in seinem familiären Organisationsmodell Störungen als Ausdruck verschobener Strukturen und Grenzen innerhalb eines betroffenen sozialen Systems (z. B. Familie) sowie des es umgebenden sozialen Kontextes (z. B. Gesellschaft) (Minuchin 1972). In seiner Arbeit mit Waisenkindern und benachteiligten Familien in den New Yorker Slums der 1950er Jahre bemerkten er sowie seine Kolleginnen und Kollegen, dass Familien für gelingende Entwicklungsphasen eine passende Struktur (Organisation der Interaktionen), d. h. angemessene und durchlässige aber nicht zu flexible Grenzen brauchen (Minuchin et al. 1967). Diese Grenzen gilt es nach Innen (inter- und intragenerational) und Außen (kontextbezogen) zu bewahren und für sie einzustehen statt problemerzeugenden Verstrickungen Raum zu geben ( Kap. 10.2.2). Klare Strukturen und klare Grenzen zwischen Generationen ermöglicht Familien, elternbezogene fürsorgliche Autorität sowie Verantwortungsübernahme und kindbezogene wachstumsfördernde Rechte sowie altersangemessene Pflichten zu leben (Strukturelle Familientherapie) . Dabei wird stark handlungsorientiert interveniert, i. S. von »Reden allein reicht nicht aus!«. Die systemische Problemaktualisierung (Enactment) nimmt einen zentralen Platz in der Analyse und Veränderung zirkulär sich bedingender familiärer Kommunikations- und Interaktionsmuster ein. Ziel ist die Stärkung der Familie, indem die einzelnen Mitglieder gemeinsam ermächtigt werden, Bedeutsames miteinander zu klären und Lösungen, auch im Kompromiss, zu entwickeln. Wichtig in diesem Ansatz ist die Berücksichtigung des Therapeutensystems als eines zugehörigen und mit dem betroffenen sozialen System und seinen Umwelten interagierenden ebenfalls sozialen Systems. Chronifizierungen von Symptomen werden als Ausdruck einer nicht gelungenen Abstimmung zwischen dem Therapeutensystem und dem betroffenen sozialen System verstanden. Dadurch rückt das Therapeutensystem, das sich so oder so einbringt und damit den Kontext zur (Nicht-)Veränderung mitbedingt, als wichtiges Interventionsinstrument in den Vordergrund.