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Vorwort

»Symptome drücken aus, wie es in Beziehungen geht: zu anderen, zur Welt, zu mir!« Dies ist sicherlich nur eine der Quintessenzen der Systemischen Therapie, die mich in meiner ersten Begegnung mit ihr faszinierten. Von früh an erlebte ich mich am kraftvollsten, wenn ich mich mit anderen vernetzt und mit mir selbst gut im Kontakt fühlte, inkl. meiner natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt. Den Menschen als genuin soziales Wesen, und damit Gesundheit als Gemeinschaftsleistung zu verstehen, fiel mir stets leichter, als Menschen losgelöst von ihrem sozialen Kontext, und damit Krankheit als individuelle Herausforderung, zu denken. »Symptome verkörpern Sinnkonstruktionen und ›eigen-artige‹ Qualitäten eines sozialen Feldes!« Dies wurde sehr schnell eine weitere Quintessenz, die mich in meinem professionellen Verständnis grundständig beseelte. Es ist bis heute die unbedingte Wertschätzung gegenüber den engagierten Lösungsversuchen von als existenziell erlebten Herausforderungen an bedeutsamen Schwellenphasen im Leben betroffener sozialer Systeme, die mir die Systemische Therapie zu einer Herzensangelegenheit werden ließen. Ihre Grundhaltung ist geprägt von einem fundamentalen Vertrauen in eine demokratische (Psychotherapie-)Kultur, in der Gesundheit als Gemeinschaftsleistung und Störung als die kontextbezogen für den Moment beste Möglichkeit verstanden wird, individuellen sowie kollektiven (Seelen-)Bewegungen eines betroffenen sozialen Systems und seiner konstituierenden Mitglieder Ausdruck zu verleihen. Stets auf Augenhöhe und in mitmenschlicher Verbundenheit ermöglicht sie v. a. durch zirkuläre und mit den Symptomen sich ausprobierenden Interventionen eine (Neu-)Kontextualisierung der sozialen Rollen und Interaktionen der bedeutsamen Systemmitglieder in mehrpersonalen bis Einzelsettings.

Die Anfrage der Herausgebenden dieser Reihe Psychotherapie kompakt zu einem fachlich fundierten, praxisnahen sowie evidenzbasierten und damit grundlegenden Überblick zur Systemischen Therapie hat mich daher besonders gefreut. So gibt dieses Buch Einblicke in die Geschichte, Erkenntnistheorie, Kernelemente der Diagnostik, Therapie sowie therapeutischen Beziehung, Anwendungsgebiete und Settings der Systemischen Therapie, veranschaulicht durch ein Fallbeispiel und abgerundet durch Informationen zur Aus- und Weiterbildung sowie ihrer institutionellen Verankerung. Das Buch ist mit großer Begeisterung entstanden und ich hoffe, es begeistert auch die einen oder anderen, die es lesen werden!

Meine Begeisterung für die Systemische Therapie dauert nun seit mehr als zehn Jahren an. Seither fühle ich mich ihr und ihren Akteuren von Grund auf verbunden, sowohl in meinen Forschungen, der Lehre als auch meiner therapeutischen Praxis. Dabei bin ich vielen Menschen begegnet, die die Gestaltung dieses Buchs in hohem Maße mit beeinflusst haben! Insbesondere möchte an dieser Stelle Jochen Schweitzer-Rothers nennen, der mich mit der Systemischen Therapie am Universitätsklinikum Heidelberg nicht nur bekannt, sondern vielfach in gemeinsamer Reflexion vertraut machte und der mich alle Jahre sowohl mit fachlichem Input als auch einem wohlwollenden Maß an Freiheit zur Forschung begleitete. Seiner Förderung und Wertschätzung ist es zu verdanken, dass ich zur Wirksamkeit Systemischer Therapie und ihrer Interventionen, und damit zu meiner Herzensangelegenheit, habilitieren konnte. Ein großer Teil dieses Buches wurde in stiller Kommunikation mit ihm geschrieben! Die Forschung brachte mich in Kontakt mit Diana Drexler als Inhaberin des Wieslocher Instituts für Systemische Lösungen, die mich eines Tages zu meiner großen Freude fragte, ob ich mir eine Weiterbildung zur Lehrenden in Systemischer Therapie an ihrem Institut vorstellen könnte. Ihrer Offenheit und ihrem unermüdlichen Zuspruch ist es zu verdanken, dass ich sowohl mein erkenntnistheoretisches Wissen als auch meine didaktischen Konzepte zur Vermittlung systemtherapeutischer Inhalte und Methoden grundlegend erweitern konnte. Bis heute bietet sie mir eine reichhaltige Plattform zu Lehrangeboten in Systemischer Therapie, gestaltet für sowohl Berufserfahrene als auch Studierende und Berufseinsteigende. Über sie lernte ich Andreas Kannicht kennen, der schließlich mein weiterbildender Lehrtherapeut sowie Supervisor wurde und dem sicherlich der größte Anteil in der Konzeption dieses Buches zukommt. In der Begegnung mit ihm konnte ich das, was ich bereist in meiner grundständigen Weiterbildung als Systemische Therapeutin durch v. a. Rüdiger Retzlaff, Liz Nicolai und Mechthild Reinhardt erfahren hatte, erkenntnistheoretisch sowie lehrdidaktisch und -praktisch fundamental erweitern. Was zuvor ein fasziniertes Hören und erste Schritte in der Umsetzung systemtherapeutischer Praxis betraf, wurde in den Jahren mit ihm zu einer nochmal verstärkt identitätsstiftenden Erfahrung. Offensichtlich wird dies in der konzeptionellen sowie sprachgebundenen Darstellung v. a. der Grundprinzipien und Kernelemente der Systemischen Therapie. Sie sind dem von Andreas Kannicht, Rudolf Klein und Kordula Richelshagen am Wieslocher Institut für Systemische Lösungen entwickelten Curriculum zur Vermittlung der Theorien und Methoden entlang der Rahmenrichtlinien zur Weiterbildung Systemische Therapie, wie von den beiden deutschen Dachverbänden der Systemischen Gesellschaft (SG) und Deutschen Gesellschaft für Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) formuliert, in vielen Teilen entnommen. Daher seien an dieser Stelle zwei Publikationen genannt, die ebenfalls kompakt und fundiert Einblicke in die Systemische Therapie geben. Sie erweitern die genannten Aspekte v. a. in den Kapiteln 3 und 5 um spezifische Inhalte, folgen jedoch einem alternativen Aufbau:

• Kannicht A & Schmid B (2015) Einführung in systemische Konzept der Selbststeuerung. Heidelberg: Carl-Auer.

• Klein R & Kannicht A (2011) Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl-Auer.

Eine kompakte Reihe hat den Vorteil, Bedeutsames überblicksartig darzustellen. Sie impliziert gleichfalls die Notwendigkeit, weiteres Bedeutsames außen vor zu lassen. Daher sei an dieser Stelle auf drei große Lehrbücher sowie das Lexikon Systemischer Therapie, ein Praxislehrbuch und die Reihe Störungsspezifische Systemtherapie für die weiter interessierten Leserinnen und Lesern verwiesen:

Lehrbücher

• Schweitzer J & v. Schlippe A (2016) Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II: Das störungsspezifische Wissen (3. Ed.). Göttingen: V & R.

• v. Schlippe A & Schweitzer J (2016) Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen (3. Ed.). Göttingen: V & R.

• Wirth J & Kleve H (Hrsg.) (2012) Lexikon des systemischen Arbeitens: Grundbegriffe der systemischen Praxis, Methodik und Theorie. Heidelberg: Carl-Auer.

Lexikon

• Levold T & Wirsching M (Hrsg.) (2016) Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch. Heidelberg: Carl-Auer.

Praxislehrbuch

• v. Sydow K & Borst U (Hrsg.) (2018) Systemische Therapie in der Praxis. Weinheim: Beltz.

Reihe Störungsspezifische Systemtherapie

• Lieb H (2013) Störungsspezifische Systemtherapie. Konzepte und Lösungen. Heidelberg: Carl-Auer.

Abschließend sei betont, dass mit diesem Buch die große Hoffnung verbunden ist, die Systemische Therapie fruchtbar und konsistent in ihren Grundzügen darzustellen. Fruchtbar insofern als es mich freuen würde, wenn für den einen oder anderen Leser etwas Überraschendes und Neues erfahren wird. Konsistent insofern, als es sich um ein kompaktes Buch handelt, welches mit einem Minimum an Grundbegriffen agiert. Das Buch richtet sich an Ärztliche und Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Ausbildung und Praxis, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und Dozentinnen und Dozenten, sowie jeden darüber hinaus interessierten Leser1. Damit es ein im systemtheoretischen Sinne »Super-Buch« wird, braucht es die Möglichkeit, reflexiv über sich nachzudenken, die Leserschaft im Kontakt mit der Autorin einzubeziehen und Kritiken so zu behandeln, wie wir es uns im Diskurs voneinander und mit unseren Mitmenschen wünschen. Insofern freue ich mich über jede kritische Rückmeldung und Anregung zum weiteren Denken und Verändern!

Christina Hunger-Schoppe, im Dezember 2020

E-Mail: Christina.Hunger@mail.de

1 Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird an manchen Stellen des Buchs die neutrale bzw. männliche Form verwendet. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers).

Systemische Therapie

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