Читать книгу Der Herzensdieb 3 - Christina Schwarzfischer - Страница 3

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Kapitel 1

Ich war furchtbar nervös und aufgeregt, denn es war so weit: Raven würde gleich unser Baby auf die Welt bringen! Der achte Schwangerschaftsmonat war erst knapp vorbei und wir waren immer noch nicht verheiratet, als sie an diesem Markttag mit mir im Konferenzsaal saß und plötzlich ganz unerwartet ihre Fruchtblase platzte! Zum Glück war heute ein relativ großer Teil der Diebesgilde (noch) nicht auf den Markt gegangen, oder schon wieder zurück und konnte uns behilflich sein. Mein Vater und ich stützten Raven bis in den Schlafsaal, wo Maya, Melissa und meine Mutter in Windeseile alles für die Geburt vorbereiteten.

Kaum hatte Raven sich hingelegt, da kam auch schon Knut angestürmt. „Leander, ich sag’s dir, da draußen ist der Teufel los! Jemand hat dieses angebliche Monster aus dem Wald gefangen und jetzt will er es an einem öffentlichen Platz unter Zuschauern so lange foltern, bis es stirbt!“

„Was?! Sie wollen Johannes umbringen?“, meldete sich Raven aufgeregt. „Leander, du musst was dagegen tun!“

„Ich weiß, aber du brauchst mich doch jetzt! Ich lasse dich nur ungern allein, immerhin bringst du unser Kind zur Welt“, wägte ich ab.

„Ja, aber unser Kind kommt auch ohne dich zur Welt. Johannes, jedoch, muss sterben, wenn du ihm nicht hilfst! Er ist im Moment wichtiger“, machte sie mir klar.

„Ja, du hast Recht! Ich muss ihm helfen! Ein Menschenleben zu retten hat Vorrang, auch wenn das Volk ihn nicht als Mensch anerkennen will. - Aber wer steht dir bei, wenn ich nicht da bin?“

„Alessandro.“ Sie sah ihn bittend mit ihren tiefblauen Augen an.

Mein Vater nickte entschlossen und nahm ihre Hand. „Mach dir keine Sorgen, Leander. Raven ist stark. Sie schafft das schon, da bin ich mir absolut sicher“, konnte er mich beruhigen.

Dann brach ich zusammen mit Knut auf, um den Ort zu finden, wo sie Johannes quälten. Das war nicht weiter schwer, denn am Marktplatz strömten Horden von Menschen alle in dieselbe Richtung. So wie es aussah, hatte Johannes allen Marktständen - und sogar den Akrobaten und Feuerspuckern am Markt - die Schau gestohlen. Ja, sogar einige der eben genannten Schausteller liefen dem Volk hinterher. Aber immerhin sah man sowas wie Johannes wirklich nicht alle Tage... Ich ordnete Knut an, zum Schloss zu laufen, dort Skyla und Dietrich Bescheid zu sagen und sie zum Schauplatz zu bestellen. Sie waren die einzigen, die dem noch ein Ende setzen konnten. Solange würde ich mit allen Mitteln versuchen, sie aufzuhalten, Johannes Schmerzen zuzufügen. So trennten sich also unsere Wege. Schon von weitem hörte man Gelächter und bald konnte ich auch die riesige Menschenmenge sehen, die bereits einen Kreis um das Spektakel gebildet hatte. Ich drängte mich bis nach vorne und was ich dort sah, amüsierte mich, im Gegensatz zu den anderen Bürgern, ganz und gar nicht.

Johannes stand in der Mitte auf einem Pranger. Zur Belustigung des Volks hatte man ihm seiner Kleidung entledigt, darum sah er mit geschlossenen Augen zu Boden und verdeckte mit den Händen, soviel nur ging. Nun konnte ich auch sehen, dass von seinen Brandnarben, die ihn so entstellten, nicht nur Kopf und Arme betroffen waren, sondern auch fast sein kompletter Oberkörper. Zusätzlich hatte man ihm unzählige andere kleinere Wunden, überall am Körper, zugefügt und auf seinem Rücken waren blutige Striemen sichtbar, die wohl von Peitschenschlägen stammten. Am Bauch hatte er eine seltsam aussehende, kreisförmige Wunde. Ich hatte keine Ahnung, von welcher grausamen Gerätschaft die stammen könnte... Das Volk beschimpfte und bespuckte ihn, warf mit rohen Eiern, kleineren Steinen und faulem, matschigem Obst auf ihn.

„Aufhören!“, versuchte ich die Menge zu übertönen. Nun hatte sogar Johannes die Augen geöffnet und blickte vom Boden auf. Als er mich erkannte, änderte sich sein unbeschreiblich trauriger und zutiefst gequälter Gesichtsausdruck in einen Hauch von Hoffnung.

Ich zog mein Hemd aus und überreichte es ihm, worauf er es sich um die Hüfte wickelte. Anschließend ließ ich ihn vom Pranger steigen. Das Volk war empört. „Wer ist dafür verantwortlich?!“, schrie ich in die Menge.

„Ich“, meldete sich eine dunkle Stimme hinter mir. „Wer will das wissen?“ Als ich mich umdrehte, kam ein großer, muskulöser Kerl mittleren Alters auf mich zu. Er hatte gerade ein paar Folterwerkzeuge geholt. Ich kannte ihn vom Sehen. Er betrieb eine Schmiede am anderen Ende der Stadt.

„Was soll das? Was hat er Euch getan, dass Ihr Euch das Recht daraus nehmt, ihn so zu demütigen?“, forderte ich mutig zu wissen.

„Es muss mir nichts getan haben. So weit lasse ich es gar nicht erst kommen! Es ist ein Monster und darum eine Bedrohung für das Königreich!“, rechtfertigte sich dieser.

„So ein Unsinn! Er würde niemals jemandem etwas zuleide tun, solange er nicht angegriffen wird. Und er ist auch kein Monster, sondern ist ein Mensch, so wie wir alle. Für sein Aussehen kann er nichts“, klärte ich die Bürger auf.

„Ich glaube, das ist dem Volk genauso egal wie mir! Wir alle wollen sehen, wie er zu Grunde geht - habe ich Recht?“, rief er in die Menge, worauf er großen Beifall erhielt.

„Was aber, wenn Prinzessin Skyla und Prinz Feodor anordnen, ihn frei zu lassen?“, wollte ich wissen.

„Lass mich mit leeren Theorien in Ruhe. Ich sehe weit und breit kein Mitglied der königlichen Familie“, antwortete er darauf.

„Sie werden aber jeden Moment hier sein und das da werden sie bestimmt nicht gutheißen“, warnte ich ihn.

Ich konnte nur hoffen, dass Knut an Darius vorbeigekommen war, inzwischen mit ihnen gesprochen hatte und sie bald ankamen. Recht lange konnte ich die Menge nämlich nicht mehr hinhalten! Doch kaum hatte ich zu Ende gedacht, kam, zu meiner Erleichterung, auch schon die königliche Kutsche angefahren. Knut saß vorne, neben dem Kutscher. Ein Page öffnete die Kutschentür, Dietrich stieg aus und kam auf mich zu.

Uns war beiden bewusst, dass wir uns vor dem Volk nicht wie Freunde benehmen konnten, darum verneigte ich mich vor ihm und sprach: „Prinz Feodor, hört mich an. Man hat diesen Menschen, der allgemein als Monster bekannt ist, grundlos gequält und aufs Schlimmste gedemütigt. Er ist nicht gefährlich, ganz im Gegenteil: Er hat mich einst sogar aus einer Jagdfalle befreit, als ich im Wald unterwegs war.“

Der Prinz schrieb etwas auf ein Blatt Papier und ließ es vom Pagen vorlesen: „Prinz Feodor befiehlt, das Monster frei zu lassen.“ Auf Dietrich war eben immer Verlass! Ein Raunen ging durch die Menge, worauf Skyla aus der Kutsche stieg und es darauf schlagartig still wurde. Vor ihr hatten sie anscheinend mehr Respekt als vor Dietrich.

„Ich danke Euch, Prinz Feodor!“, sprach ich mit einer Verneigung. Dann schrieb er noch einmal etwas und gab mir den Zettel. Darauf stand, dass Johannes im Wald nicht mehr sicher wäre und dass ich ihn darum besser gut verstecken sollte. Also beschloss ich, ihn vorerst in die Diebesgilde zu bringen. Aber erst einmal benötigte er dringend ein Bad, da faule Eier nicht gerade angenehm rochen...

„Knut bringt dich von hier weg“, erklärte ich Johannes.

Dann ordnete ich Knut an: „Besorge am Marktplatz Kleidung und ein Stück Kernseife für ihn - hier hast du das Geld dafür - und begleite ihn dann zu einer einsamen Stelle am Fluss, damit er sich waschen kann. - Lass ihn aber auf gar keinen Fall allein! Danach bringst du ihn mit verbundenen Augen ins Geheimversteck. Ich muss jetzt zu Raven!“

Der Herzensdieb 3

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