Читать книгу Der deutsche Wortschatz - Christine Römer - Страница 7
1.4 Sub- und Teildisziplinen der Lexikologie LexikologieSubdisziplinen
ОглавлениеDie Wortschätze sind, wie festgestellt, das Objekt der linguistischen Subdisziplin Lexikologie, die wiederum in Lehre und Forschung dieses Objekt, da es sehr komplex ist, mit unterschiedlichen Fragestellungen, Methoden und verschiedenen Interessen betrachtet. Man kann deshalb mindestens die nachfolgend skizzierten lexikologischen Subdisziplinen annehmen.
Die allgemeine Lexikologie Lexikologieallgemeinesucht nach den Gemeinsamkeiten aller Wörter aller Sprachen, fragt also nach den Universalien und den theoretischen Grundlagen. Ansichten, die das Lexikon Lexikonnur für eine Ansammlung von Zufälligkeiten „oder scheinbar eine eintönige Wortliste, die Stück für Stück stumpfsinnig auswendig gelernt werden muß“ (Pinker, 1994, S. 145) Pinker, S.halten, werden von der allgemeinen Lexikologie und auch hier nicht geteilt.
So lassen sich bestimmte Tatbestände voraussagen, die universelle Eigenschaften aller Sprachen sind: Universalien
Alle Sprachen verfügen über einen Vorrat an Morphemen (Wortteilen) und eine Menge Konventionen, die festlegen, wie sich diese zu sinnvollen Kombinationen wie komplexen Wörtern, Phrasen und Sätzen zusammenbauen lassen. Werden Wörter zusammengebaut, so haben sie die Wahl zwischen Suffixen, Präfixen und Infixen (Einfügungen), können eine Vokal- oder Konsonantenänderung durchlaufen oder redupliziert werden. (Pinker, 2000, S. 251) Pinker, S.
Eine andere Universalie ist, dass sich Wörter binär aufbauen und dass sie binär interpretiert werden, wie nachfolgend die Zerlegung des Beispielwortes Hochschullehrerin zeigt. Hochschullehrerin
(1.1) | Hochschullehrerin | |
Hochschul Lehrerin | = | Hochschullehrerin |
hoch Schule | = | Hochschule |
Lehrer in | = | Lehrerin |
Lehr er | = | Lehrer |
Die spezielle Lexikologie beschäftigt sich mit den Spezifika der Einzelsprachen. Sie ist in der Regel auch synchron auf die Gegenwartssprache ausgerichtet und hat als Objekt den Wortschatz einer speziellen Sprache. Dieses Buch versteht sich als eine Beschreibung der speziellen Lexikologie der deutschen Sprache.
Die historische Lexikologie, Lexikologiehistorischedie auch Etymologie Etymologiegenannt wird, betrachtet die historische Dimension des Wortschatzes. Sie kann zum einen den Wortschatz zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit beschreiben (um 1500) oder zum anderen die Entwicklung einzelner Wörter über einen historischen Zeitraum hinweg.
So hat das Wort WeinbrandWeinbrand eine interessante Geschichte. Es ist eine deutlich motivierte Prägung (Weinbrand ← gebrannter Wein) eines Sprachwissenschaftlers, die im Gefolge der Restriktionen nach dem ersten Weltkrieg entstanden ist, als Cognac aber zu einer geschützten Bezeichnung für Weinbrand aus dem französischen Weinanbaugebiet Cognac wurde.
Die historische Lexikologie betrachtet die Wörter sowohl in ihrer formalen als auch inhaltlichen Entwicklung. Diese Aspekte sind auch nicht unwichtig für das gegenwärtige Wortverständnis. So kann man häufig als Beleg für Luthers derbe Sprache hören, dass er gesagt hat, man solle dem einfachen Volk „aufs Maul schauen, wie sie reden“. Dies ist aber kein richtiger Beleg, weil Maul zu Luthers Zeiten noch keine Bedeutungsverengung erfahren hatte.
Die kognitive Lexikologie beschreibt die Speicherung und Verarbeitung der Wörter im menschlichen Gehirn bzw. „Geist“. Sie beschäftigt sich damit, welche Charakteristika das mentale Lexikon hat und aus welchen Modulen es besteht. Sie interessiert sich für die Spezifika der Worterkennungs- und Wortproduktionsprozesse. Ein wichtiger Gegenstand ist auch die Bedeutungsrepräsentation der Wörter im konzeptuellen System.
Die computerlinguistische Lexikologie „models the understanding of natural language through computers with a central role for knowledge sources such as lexicons.“1 Im angewandten Bereich beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Verwendung von computerlinguistischen Methoden zur Formalisierung und Implementierung von lexikalischen Regularitäten und Ausnahmen. Außerdem erstellt sie mit den Mitteln der automatischen Sprachverarbeitung (statistischen Methoden) die verschiedensten Lexika.
Die vergleichende Lexikologie (auch komparative, kontrastive oder konfrontative Lexikologie) vergleicht die Lexik von Sprachen miteinander, um Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede festzustellen. (Tekin, 2012, Einleitung) Dies ist u.a. für den Fremdsprachenunterricht, die Universalienforschung und die Spracherwerbsforschung wichtig. (Pöll, 2002, Kap. 6.1)Pöll, B. Popescu (2018)Popescu, F. zeigt die vergleichende Methodik beispielhaft an der englischen Sprache auf. Lexikologievergleichende
Wichtig ist, dass die Subdisziplinen nicht als autonom gesetzt werden, vielmehr sollte das komplexe Phänomen Lexikon integrativ beschrieben und erforscht werden. Pöll (2002, Kap. 1) hat dies anschaulich gemacht, indem er die Lexikologie als „eine Disziplin mit unscharfen Rändern“ beschrieb.
Zur Entwicklung der Lexikologie sei angemerkt, dass sie in der Regel als „relativ junge sprachwissenschaftliche Disziplin“ charakterisiert wird; so auch bei Schippan (2002, S. 18) Schippan, Th.und Schlaefer (2002, S. 12):
Als selbständige sprachwissenschaftliche Disziplin ist die Lexikologie noch sehr jung. Erst in den 60er Jahren wird in der deutschsprachigen Linguistik die Bezeichnung „Lexikologie“ verwendet. (Schippan, 2002)
Es wird aber auch immer hervorgehoben, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Wortschätzen schon sehr alt ist. Sie erfolgte meist im Rahmen anwendungsorientierter Ziele, explizit in der Lexikografie (‘Lehre von den Wörterbüchern’), der Orthografie und der Rhetorik bzw. Stilistik (‘Wortkunde’). Arens (1980, S. 99) Arens, H.schreibt: „Die ältesten erhaltenen Zeugnisse der Linguistik sind sumerisch-akkadische Wörterlisten, nach Sachgruppen geordnet, des 3. Jts.“
Außerdem war und ist das Wort in Hinsicht auf seine formalen Charakteristika Gegenstand der Morphologie, einem Teilgebiet der Grammatik im engeren Sinne. Schwarze und Wunderlich (1985, S. 7) Schwarze, C.Wunderlich, D.fassen das Gesagte so zusammen:
Die traditionelle Forschung hat sich mit den Wörtern einer Sprache hauptsächlich deshalb befasst, weil der Wortschatz ein soziales und kulturelles Faktum darstellt: in den Wörtern sind die für die Kommunikation unentbehrlichen Erfahrungen der Sprachgemeinschaft gespeichert. Das Studium des Wortschatzes konnte so als eine Methode der Kultur- und Geistesgeschichte angesehen werden.
Sie heben aber auch hervor, dass die lexikalische Semantik „innerhalb der strukturellen Linguistik eine Tradition“ (als Semasiologie) habe. „Die Semasiologie wurde als Wissenschaft, als Sondergebiet der Grammatik, zuerst von C. K. Reisig Reisig, C. K.in den 1839 veröffentlichten Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft eingeführt.“ (Schippan, 1975, S. 16)
Die spezielle Lexikologie der deutschen Sprache hat sich, je nachdem welchen Aspekt des Wortschatzes diese beschreibt und untersucht, in Teildisziplinen mit spezifischen Arbeitsgebieten LexikologieTeildisziplinenaufgespaltet, die aber nicht isoliert voneinander existieren. Welche Teildisziplinen und spezifischen Arbeitsgebiete zur Lexikologie gehören, wird keineswegs einheitlich gesehen. So gibt es eher enge Auffassungen wie bei Wanzeck (2010) oder weite wie bei Schwarze und Wunderlich (1985).
Schippan (2002), die maßgeblich zur Entwicklung der systemorientierten „Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache“ beigetragen hat, nahm in der Erstausgabe ihres Lehrbuchs (Schippan, 1992) drei Teildisziplinen an: die Semantik und die Soziologie des Wortschatzsystems sowie die Wortschatzentwicklung. Die Wortbildungslehre, die Phraseologie und die Lexikografie charakterisierte sie als Nachbarwissenschaften der Lexikologie.
Schwarze und Wunderlich (1985) haben die kognitive Sichtweise in die germanistische Lexikolgie eingebracht („Wörter in psychischen Prozessen“ (Teil C)) und zusätzlich auch die Anwendungen in der Lexikografie, im Fremdsprachenunterricht und der KI-Forschung als Gegenstände der Lexikologie beschrieben.
Die Wortschatzkunde beschäftigt sich mit den systemhaften Charakteristika von Wörtern in den einzelnen Sprachen. Wortschatzkunde (oder Wortkunde) wird im weiteren Sinne auch synonym mit Lexikologie verwendet. Im engeren Sinne beschäftigt sie sich mit den semiotischen, grammatischen, kognitiven, soziolinguistischen und strukturellen Aspekten des Wortschatzes. Von besonderer Relevanz sind die Relationen zwischen der Form- und Inhaltsseite des Wortschatzes, zwischen den Wortschatzeinheiten und anderen Wissensmodulen.
Die lexikalische Semantik der deutschen Sprache beschäftigt sich mit der Bedeutung der Lexeme. Sie interessiert sich für ihren sprachspezifischen Inhalt und für die Methodik, diesen Inhalt zu erforschen. Sie wird nur aus theoretischen Gründen von der Satz- und Textsemantik getrennt. Die Verbindung zum Satz und Text muss im Auge behalten werden, sonst sind bestimmte Phänomene überhaupt nicht erklärbar. Z.B. zeigt sich, dass trinken ein polysemes (mehrdeutiges) Wort Polysemieist, erst im Satzkontext.
(1.2) | a. trinken 1: jemand trinkt etwas Carl trinkt meistens Tonic Water. b. trinken 2: jemand trinkt regelmäßig, suchthaft Alkohol Carla trinkt. |
Wörter gehen oftmals in ihrer Textreferenz über die Satzgrenze hinaus, so auch das in (1.3).
(1.3) | Es war einmal eine Zeit, da gab der Kaiser Franz auf der Bühne des FC Bayern München nicht nur die strahlende Leitfigur, …. Das ist länger her.2 (Süddeutsche Zeitung, 14./15.08.2002) |
Wichtig ist auch, dass im strengen Sinne innerhalb der lexikalischen Semantik der semasiologische von dem onomasiologischen Blickwinkel zu trennen ist. In Kapitel 8 wird genauer auf die lexikalische Semantik eingegangen.
Semasiologisches Vorgehen liegt Semasiologiedann vor, wenn vom sprachlichen Zeichen ausgegangen wird und nach der Bedeutung dieses Zeichens gefragt wird. Also, wenn ich beispielsweise frage, was bedeuten die Wörter Pannenhilfe und Notruf Pannenhilfeim Beispiel (1.4) in der deutschen Sprache.
(1.4) | Pannenhilfe mit Notruf verwechselt Erfurt (dpa/tlz): Ein angetrunkener Autofahrer hat am Samstagmorgen in Erfurt die Pannenhilfe mit dem Polizeinotruf verwechselt. (TLZ, 09.09.2002) |
Das onomasiologische Vorgehen geht Onomasiologievon den Denotaten (Referenten) bzw. Begriffen (Konzepten) aus und fragt, welche Zeichen für sie in einer Sprache zur Verfügung stehen. Beispielsweise: Wie kann in der deutschen Sprache die Polizei noch benannt werden? Beispiele für Synonyme sind in (1.5) angeführt.
(1.5) | Polizei, Auge des Gesetzes, Polente, Plempe, … |
Auch hinsichtlich der Bedeutungsbeschreibung von Wörtern ist die historische Komponente von Interesse, die hier aus oben genannten Gründen weitgehend ausgeklammert werden muss. Grundsätzlich ist aber auch hier den Verfassern der Thesen des Prager Linguistenkreises zuzustimmen (Scharnhorst und Ising, 1976, S. 48):
Zwischen der synchronischen und der diachronischen Methode dürfen keine unüberwindlichen Schranken aufgerichtet werden. […] die synchrone Beschreibung [kann] den Begriff der Entwicklung nicht mehr völlig ausschließen, weil selbst in einem synchronisch betrachteten Ausschnitt immer das Bewußtsein von einem im Schwinden begriffenen Stadium, von einem gegenwärtigen Stadium und einem sich herausbildenden Stadium vorhanden ist. LexikologieTeildisziplinen