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Kapitel 10

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„Hier ist die Adresse.“ Charlotte drückte einem der drei kräftigen Kerle Breuers Visitenkarte in die Hand. „Ihr macht nichts kaputt und lasst nichts mitgehen.“

„Hat der Typ Sie beleidigt, Lady?“ Einer der Jungs zählte erneut die Geldscheine, die sie ihm überlassen hatte. „Für die Kohle können wir ihm auch ein bisschen die Fresse polieren.“ Er grinste.

„Nein, auf keinen Fall“, sagte Charlotte. „Ihr macht, was ich euch gesagt habe und seid um Punkt sieben Uhr verschwunden.“

„Geht klar.“ Der Typ tippte sich an seine Mütze. „Alles, wie abgemacht. Sie kennen uns doch!“

„Ich verlasse mich auf euch.“ Charlotte wandte sich um, stieg in ihr wartendes Taxi und nannte dem Fahrer eine Adresse in Berlin Mitte.

„Sind Sie Sozialarbeiterin oder so was?“, fragte der Taxifahrer, als er den Wagen an der nächsten roten Ampel zum Stehen brachte. „Wie Sie mit diesen Ghetto-Kids umspringen, ist ja toll. Die meisten Leute haben doch Angst vor denen.“

„Sozialarbeiterin? Ich?“ Charlotte schmunzelte. „Nun ja, so ähnlich könnte man das wohl bezeichnen.“ Sie sah hinaus auf das rege Treiben auf der Straße. Das Zeitfenster war zwar eng, aber ihr Plan war durchdacht.

Als das Taxi eine halbe Stunde später in Mitte hielt, war sie exakt pünktlich und wurde schon von ihrem Stammfriseur erwartet.

Eine Kopfmassage und ein bisschen Styling und sie fühlte sich gleich wie neu geboren. Sein Geplapper über die unglaublich geschmacklosen Hairstylings vieler Prominenter ließ Charlotte an sich vorüberziehen. Ebenso wie den angebotenen Sekt. Sie musste einen klaren Kopf bewahren heute Abend. Aber einem doppelten Espresso konnte sie nicht widerstehen. Schließlich war nicht abzusehen, wie lange sie heute ihren klaren Kopf bewahren musste.

„Sag mal, Charlotte, wollen wir dir nicht mal ein bisschen Rot gönnen?“ Der Friseur zupfte an ihren Haarspitzen herum und sah sie im Spiegel an. „Ich habe da was Neues in Richtung Kupfer. Das wäre genau das Richtige für dich.“

„Danke, nein.“ Charlotte erhob sich. „Für Farbexperimente habe ich heute keine Zeit. Beim nächsten Mal vielleicht.“

„Na gut.“ Er seufzte übertrieben. „Aber nicht, dass du eine graue Strähne entdeckst, bevor ich sie vertuschen kann.“

Charlotte zog ihre Kreditkarte hervor. „Das wäre natürlich ein Weltuntergang.“ Sie lächelte.

„Im Ernst, Charlotte.“ Der Friseur wuselte hinter den Tresen und rechnete ab, während er plauderte. „Ich weiß ja, dass du das nicht hören magst, aber immer diese konservativen Kostümchen und diese langweilige Langhaarfrisur. Ich könnte einen tollen Vamp aus dir machen. Du bist der Typ dafür!“

„Wenn du meinst.“ Charlotte nahm ihre Karte entgegen. „Ich komme zu gegebenem Zeitpunkt darauf zurück.“

Sie verabschiedete sich und verließ den Laden. Am Taxistand an der Ecke bestieg sie einen der Wagen und ließ sich zur nächsten Telefonzelle fahren. Es gab davon nicht mehr viele, aber Charlotte kannte die Orte, an denen noch öffentliche Fernsprecher zu finden waren, die sogar funktionierten.

„Warten Sie bitte kurz“, verlangte sie vom Fahrer, zückte eine Telefonkarte und wählte den Polizeinotruf.

„Guten Abend“, flüsterte sie in den Hörer. „Hören Sie, ich glaube, in der Wohnung meines Nachbarn sind Einbrecher.“ Sie schnaufte vernehmlich und wisperte Breuers Adresse. Als sie sicher war, dass die Adresse in der Notrufzentrale angekommen war, setzte sie „Bitte kommen Sie schnell!“ hinzu und hängte ein.

Dann stieg sie zurück ins Taxi und ließ sich zur Kanzlei chauffieren.

Um kurz nach sieben Uhr betrat sie ihr Büro. Wenige Minuten später klingelte das Telefon.

Wie geplant, bekam sie Franz Breuer um kurz vor acht Uhr auf dem Mobiltelefon zu fassen. Er war gerade auf dem Weg zu seiner Verabredung mit Staatsanwalt Ludwig Prinz.

„Franz, ich bin es“, rief Charlotte. „Du, die Polizei hat gerade angerufen. In deine Wohnung ist eingebrochen worden. Du sollst sofort nach Hause kommen!“

„Wie bitte?“ Breuer klang entsetzt. „Am helllichten Tag? Das ist ja ein Ding!“

„Ja, es tut mir leid“, sagte Charlotte. „Du sollst sofort kommen wegen der Anzeige, und um zu überprüfen, was fehlt.“

„Aber ich bin doch verabredet“, sagte Breuer gedehnt.

„Ach, Franz, mach dir keine Gedanken. Ich kümmere mich darum“, versprach Charlotte. „Die Sache mit dem Einbruch geht wohl vor. Die kann ich dir nicht abnehmen. Und ein Staatsanwalt hat dafür sicher Verständnis.“

Breuer seufzte. „Da hast du wohl recht. Wenn ich nur an den ganzen Kram mit der Versicherung denke …“

„Ja, und deine Plattensammlung“, legte Charlotte nach.

„Oh, mein Gott, die alten Hendrix-Scheiben!“, rief Breuer entsetzt. „Gut, ich fahre sofort nach Hause. Kannst du Ludwig Prinz Bescheid geben?“

„Sicher. Ich habe doch gesagt, ich kümmere mich darum“, erklärte sie.

„Charlotte, du bist ein Goldstück.“ Breuer klang erleichtert. „Du hast etwas gut bei mir!“

„Tschüs, Franz, und immer die Ruhe bewahren.“ Charlotte hängte ein. Dann stand sie grinsend auf, nahm ein schwarzes Kleid aus dem Schrank und zog sich flink um.

Bereits um Viertel nach acht betrat sie das Restaurant, in dem der neue Staatsanwalt seinen Scheidungsanwalt erwartete.

Mit betont zerknirschter Miene ließ sie sich an seinen Tisch führen und erläuterte die unvermittelt veränderten Umstände.

Wie zu erwarten, reagierte Ludwig Prinz erstaunt und angemessen verständnisvoll. Als Charlotte sich als Mitarbeiterin der Kanzlei vorstellte, schien er sogar angenehm überrascht über die unverhoffte Damengesellschaft.

Charlotte nahm den Mann genau unter die Lupe. Breuer hatte nicht übertrieben, er war leicht übergewichtig, wirkte jedoch seriös und tatsächlich etwas langweilig. Schwer vorstellbar, dass er seine Frau verprügelt haben sollte. Aber es waren ja immer die Biedermänner, hinter denen sich die größten Abgründe auftaten. Ludwig Prinz mochte Mitte Vierzig sein, vielleicht auch jünger. Charlotte hatte nicht auf die Angaben zur Person in der Akte geachtet.

„Und da müssen Sie sich nun Ihren Feierabend mit einem langweiligen Scheidungsmandanten wie mir um die Ohren schlagen“, stellte Ludwig Prinz fest. „Wie wäre es mit einem guten Rotwein zur Entschädigung?“

„Da sage ich nicht nein.“ Charlotte lächelte. „Aber von Entschädigung kann keine Rede sein. Wann habe ich schon mal die Gelegenheit, einen echten Staatsanwalt kennen zu lernen, und dann noch in fast privatem Rahmen.“

„In ganz privatem Rahmen, möchte ich meinen. Ich werde Sie gewiss nicht mit meiner Scheidung langweilen.“

„Sehr gut.“ Charlotte lachte. „Ich muss Ihnen nämlich gestehen, dass ich eigentlich eine Verabredung hatte. Mit einer Freundin, die ich nun hierher bestellt habe. Und ganz unter uns: Das Thema Ehe oder Scheidung sollten wir in ihrer Gegenwart vermeiden …“

Wie aufs Stichwort betrat Bettina Kogelmann das Restaurant. Charlotte winkte ihr zu. „Sehen Sie, da ist sie auch schon: meine Freundin Bettina.“

Ludwig Prinz sprang auf und begrüßte Bettina formvollendet.

Charlotte küsste die Freundin auf die Wangen, orderte eine weitere Flasche Wein und verlegte sich nunmehr darauf, Stichworte einzuwerfen. Sie kannte Bettinas bevorzugte Themen. Die waren nicht sehr anspruchsvoll, und der Staatsanwalt ließ sich, ganz Gentleman, auf die seichte Unterhaltung ein.

Bettina plapperte wie ein Wasserfall. Man konnte sich bei ihr auf den sofortigen Flirtmodus verlassen, sobald ein Mann ihren Weg kreuzte. Und auf Bettinas Wirkung auf das andere Geschlecht konnte sich Charlotte ebenfalls verlassen. Sie kannte jedenfalls nur wenige Männer, die attraktive Blondinen mit drallen Körperrundungen generell ablehnten. Bettina war zwar nicht doof, sie hatte aber kein Problem damit, sich etwas schlicht und hilflos zu präsentieren. Das war genau die Mischung, die Leute wie Kogelmann, Breuer oder eben Ludwig Prinz mochten. Juristen waren nicht sehr anspruchsvoll. Und aufregender als Paragraphen war Bettina allemal.

Charlotte verzog sich zur Toilette, nicht ohne noch eine weitere Flasche Wein zu bestellen, um dann mit der traurigen Nachricht zurückzukehren, dass sie die nette Runde leider verlassen müsse.

Bettina zog einen Schmollmund, obwohl sie bislang kaum ein Wort mit Charlotte gewechselt hatte.

Charlotte murmelte etwas von einer dringenden Familienangelegenheit und verabschiedete sich eilig. „Ihr seid natürlich eingeladen. Es tut mir leid. Und einen schönen Abend noch.“

Als Charlotte kurz darauf ihre Wohnung betrat, fühlte sie sich beschwingt. Sie hatte ein gutes Gefühl bei der Sache, und noch einige Informationen in petto.

Skrupel 1.0

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