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Kapitel 4

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Charlotte steuerte einen Barhocker in der Nähe des markanten Anzugträgers an. Der Typ wirkte smart und verdächtig. Sie schnappte sich die Cocktailkarte und blätterte darin, während sie seiner Bestellung lauschte. Er hatte spezielle Wünsche, die er selbstbewusst artikulierte.

Charlotte seufzte vernehmlich in die Karte und sah sich hilfesuchend um. Dann ging sie zum Angriff über. „Sie kennen sich offenbar aus. Können Sie mir einen Cocktail empfehlen? Ich bin von diesem riesigen Angebot total überfordert.“

Der Anzugträger sah sie an und lächelte. Dann musterte er sie ganz unverhohlen von oben bis unten und sein Lächeln wurde breiter. „Wenn ich Sie so betrachte. Ich denke, ein ‚Red Stiletto’ würde gut zu Ihnen passen.“

Charlotte lächelte ebenfalls. „Wenn Sie das sagen.“

Sie bestellte das empfohlene Getränk, legte die Karte zur Seite und sah ihn herausfordernd an. „Wie charmant, dass Sie mir keinen ‚Zombie’ empfohlen haben.“

Er lachte herzhaft. „Sie sind auf Geschäftsreise hier im Hotel?“

„Ich bin beruflich in Berlin.“ Charlotte überlegte kurz, als was sie sich ausgeben könnte. Interessant musste es sein, aber unverfänglich. „Ich entwickle spezielle Angebote für, nun, für Reiseveranstalter.“

Der Fremde kam näher. „Das klingt aber interessant. Dann sind Sie wohl viel auf Reisen?“

„In der Tat“, sagte Charlotte. „Ich versuche, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Wenn Sie versten, was ich meine.“

„Sehr weise. Ich komme leider kaum dazu, mal private Reisen zu unternehmen.“ Er klang nicht so, als ob er das wirklich bedauerte. „Aber wenn es soweit ist, werde ich Sie um Rat fragen …“

„Paris.“ Charlotte lächelte zuckersüß. „Im Zweifelsfalle empfehle ich immer Paris. Oder, wenn Sie es etwas turbulenter mögen: Barcelona.“

Der Barkeeper servierte die Getränke.

„Mein Leben ist turbulent genug“, versicherte der Fremde. „Gestern Oslo, heute Berlin, morgen Mailand. Sie wissen schon …“

Charlotte glaubte ihm kein Wort und die Unterhaltung begann, ihr Vergnügen zu bereiten. „Darf ich fragen, welche Geschäfte Sie betreiben? Das hört sich sehr aufregend an!“

„Auktionen.“ Er hob sein Glas. „Zum Wohl, schöne Reiseexpertin!“

„Sie sind Auktionator?“ Sie nippte an ihrem ‚Red Stiletto’. Das Getränk war widerlich süß.

„Nein.“ Der Fremde lachte. „Ich besuche alle wichtigen Auktionen und ersteigere Exponate für meine Auftraggeber. Ich bin Kunstagent.“

„Ach?“ Charlotte klimperte mit den Wimpern. „Was es alles gibt.“

Er schmunzelte. „Schmeckt Ihnen der Cocktail?“

„Ganz hervorragend. Danke für den Tipp.“ Sie leckte sich über die Lippen.

„Sehr schön.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wissen Sie, in meinem Beruf erlangt man über die Jahre Menschenkenntnis. Ich dachte mir sofort, dass Sie es süß mögen.“

„Und unsere Hauptstadt ist also immer einer Auktionsreise wert?“, bohrte Charlotte weiter. Sie wollte endlich wissen, was der Kerl hier tatsächlich trieb.

Er leerte sein Glas. „Nehmen Sie auch noch einen?“

„Gern.“ Charlotte hatte Mühe, das Gesicht nicht zu verziehen.

„Nochmal die gleiche Runde“, verlangte er und wandte sich wieder Charlotte zu. „Nun ja, man findet hier schon interessante Objekte. Allerdings mehr im kleineren Stil. Bei Gelegenheit erwerbe ich auch etwas, das ich erst später weiterverkaufe.“

Charlotte strahlte ihn an. „Sie sind ein richtiger Kenner, wow!“

Er lächelte sichtlich geschmeichelt. „Diese Branche ist ein Haifischbecken.“

Charlotte riss die Augen weit auf. „Oje. Wirklich? Ich dachte immer, Kunst und Kultiviertheit gehörten zusammen.“

„Wie überall auf der Welt, geht es auch in der Kunstbranche in erster Linie ums Geld“, dozierte er. „Um viel Geld. Ums große Geld. Und nicht alle Kunstsammler sind an Kultur interessiert oder gar kultiviert. Sie wissen schon, Niveau und Geist gibt es für kein Geld der Welt zu kaufen.“

Charlotte lachte. „Da sagen Sie etwas. Darf ich Sie zitieren?“

„Aber sicher.“ Er lachte. „Ich bitte darum.“

„Verraten Sie mir dann, wen ich als Urheber dieser Erkenntnis nennen darf?“ Sie beobachtete den Barkeeper beim Mixen ihres zweiten ‚Red Stiletto’.

„Oh, Verzeihung.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Johannes Bernburg. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“

Charlotte überlegte blitzschnell. Wenn er einer von Kogelmanns speziellen Mandanten war, würde ihr Name unter Umständen unter irgendwelchen Schriftstücken auftauchen. Sie musste vorsichtig sein. „Lehmann. Charlotte Lehmann.“

„Freut mich sehr, liebe Charlotte Lehmann.“ Er nahm dem Barkeeper das Cocktailglas ab und reichte es ihr. Dann schnappte er sich seinen eigenen Drink. „Nennen Sie mich doch bitte Johannes.“

„Gern. Charlotte.“ Sie prostete ihm zu, nippte am Glas und räusperte sich. „Und Sie sind nur wegen einer Auktion in Berlin?“

Er runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?“

„Nun ja …“ Charlotte warf ihm einen langen Blick zu. „Sie kennen doch sicherlich überall auf der Welt viele Leute, nicht wahr?“

„Ach so.“ Er lachte. „Ja, natürlich. Alte Freunde berate ich gern, wenn sie Hilfe brauchen. In allen Lebenslagen, versteht sich.“

Charlotte beobachtete, wie er das zweite Glas in einem Zug leerte. Der Typ war Alkohol gewohnt und würde sich vermutlich nicht zu unkontrollierten Plaudereien hinreißen lassen.

„Nehmen Sie noch einen?“ Er zeigte auf ihr kaum berührtes Cocktailglas.

„Nein danke.“ Charlotte kramte ihr Smartphone aus der Tasche. „Entschuldigung.“ Sie wischte auf dem Display herum. „Oh, das ist wichtig. Einen Moment bitte!“ Sie zog sich, das Telefon am Ohr, in eine Ecke der Bar zurück und tat so, als würde sie telefonieren. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass der Typ noch einen weiteren Drink orderte.

Als Charlotte an ihren Platz an der Bar zurückkehrte, hatte Johannes Bernburg auch dieses Glas fast geleert. Sie seufzte. „Es tut mir leid. Ich muss gehen. Ein Notfall.“

Er sah sie an. „Wie schade …“

Charlotte zückte ihr Portemonnaie. „In der Tat. Vielleicht setzen wir unser nettes Gespräch ein andermal fort.“ Sie reichte dem Barkeeper einen Schein. „Stimmt so.“

Vor dem Hotel warteten mehrere Taxis. Charlotte warf einen Blick auf die Uhr. Es war fast Mitternacht. Sie konnte also wieder über ihr Loft verfügen.

Skrupel 1.0

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