Читать книгу Skrupel 1.0 - Christine Sylvester - Страница 8

Kapitel 6

Оглавление

Charlotte Morgenrot ließ sich in den Sessel sinken und den Blick über Kogelmanns Schreibtisch wandern. Ob sie etwas übersehen hatte?

In ihrem Vorzimmerbüro hatte sie bereits sämtliche Mandantendatenbanken durchforstet. Selbst die alten Karteien, die lange vor Charlottes Zeit erfasst worden waren. Den Altersangaben nach dürfte ein Großteil dieser ehemaligen Klientel längst das Zeitliche gesegnet haben. Nirgendwo gab es einen Hinweis auf Johannes Bernburg.

Deshalb musste sie sich tiefer in die Höhle des Löwen wagen. Charlotte nahm den Rahmen mit Bettinas Foto vom Chefschreibtisch, löste die Rückseite aus der Halterung, nahm den an der Innenseite klebenden Schlüssel zur Hand und öffnete damit Kogelmanns private Schublade. Der Chef hatte natürlich keine Ahnung, dass sie sein Schlüsselversteck kannte. Aber Kogelmann hatte von vielem keine Ahnung.

In der Schublade lag noch immer der Stapel mit den albernen Liebesbriefen einer gewissen Elisa. Ein ganzes Wochenende hatte Charlotte einst mit dieser Lektüre in der Kanzlei verbracht. Vertane Zeit. Purer Kitsch, mit dem nichts anzufangen war.

Es gab ein altes Handy mit Prepaid-Karte, sodass man Anrufe nicht zurückverfolgen konnte. Kogelmann nutzte es manchmal, um den einen oder anderen Zeugen der Gegenseite auf Linie zu bringen, indem er ihnen anonym drohte oder großzügig Geld anbot. Nun ja, diese Methoden beherrschte nicht nur Gerd Kogelmann. Charlotte grinste. Sie sorgte ganz gern mal für ein wenig Ausgewogenheit in der Zeugenbeeinflussung.

Und da war das kleine altmodische Adressbuch mit den handschriftlichen Eintragungen. Mit fliegenden Fingern durchblätterte sie die Seiten voller Namen und Zahlen: Telefonnummern, Bankverbindungen, Schließfachnummern.

Charlotte hatte alle alten Einträge als Kopie. Doch da, das war eine neue Notiz: J. Bernburg und ein Datum in der kommenden Woche. Vermutlich war das ihr nächster Termin jenseits der regulären Kanzleizeiten. Nicht einmal eine Telefonnummer gab es zu diesem Bernburg. Das war allerdings ungewöhnlich.

In diesem Moment hörte Charlotte Schritte im Vorraum der Kanzlei. In Windeseile legte sie das Buch zurück in die Schublade, verschloss sie, klebte den Schlüssel an seinen Platz im Bilderrahmen und baute Bettinas Konterfei wieder zwischen Lampe und Monitor auf. Durch die Verbindungstür huschte Charlotte hinüber in ihr Vorzimmer.

Sie hatte gerade Platz genommen, als auch schon Kogelmanns Partner Breuer erschien.

Franz Breuer hatte Charlotte vor Jahren bei ihrer Scheidung vertreten und dafür gesorgt, dass Charlotte finanziell gut versorgt war. Und weil sie selbst so gute Ideen eingebracht hatte, wurde ihr prompt der Job als Sekretärin angeboten. Es hatte kein Jahr gedauert und sie war zur rechten Hand von Chef Kogelmann geworden; nicht zuletzt durch ihre spontane Freundschaft mit dessen Frau Bettina.

Schließlich behielt Charlotte das Privatleben des Chefs im Auge und sorgte rigoros für ausschließlich männliche Referendare bei Neueinstellungen. Den Herren Juristen musste man nicht lange erklären, dass allzu viel Emanzipation und Quote in einer Kanzlei der männlichen Erfolgsbilanz eher abträglich waren.

„Guten Morgen, Charlotte.“ Breuer nahm Unterlagen aus dem Regal. „Irgendwelche Anrufe?“

„Guten Morgen, Franz.“ Charlotte konzentrierte sich auf einen vermeintlichen Brief. „Nein, alles bis jetzt ist alles ruhig.“

„Tust du mir bitte einen Gefallen und arrangierst für mich ein Abendessen mit dem neuen Staatsanwalt?“

Charlotte sah auf. „Und in welcher Angelegenheit?“

Breuer wandte sich um. „Na, Prinz gegen Prinz.“

Charlotte runzelte die Stirn. Sie wusste ja, dass Breuer häufig trank. Aber bisher hatte sie nicht bemerkt, dass er geistig bereits abbaute. „Franz, was ist los mit dir?“, fragte sie streng. „Prinz gegen Prinz ist eine Scheidung. Seit wann gehört das ins Strafrecht?“

„Charlotte, du bist wirklich ein Goldstück.“ Breuer lachte. „Aber in diesem Falle brauche ich den Staatsanwalt. Er ist Ludwig Prinz, unser Mandant.“

„Ach?“ Charlotte sah Breuer forschend an. „Das ist natürlich etwas anderes.“ Wieso hatte sie das noch nicht mitbekommen? Der neue Staatsanwalt ließ sich also scheiden. Ein Grund mehr, ihn mit Bettina zu verkuppeln, bevor andere Weiber sich unkontrolliert an ihn heranmachten. „Sag mal, warum lassen die sich denn scheiden? Ist er fremdgegangen? Gibt es eine andere Frau?“

Breuer zog die Augenbrauen hoch. „Charlotte, du weißt doch, dass ich nicht darüber sprechen darf.“

„Stimmt ja.“ Charlotte winkte ab. „Entschuldige. Ich bin nur so neugierig, weil … Nun ja, ich finde ihn sehr attraktiv.“

„Du?“ Breuer sah Charlotte an. „Das wundert mich aber jetzt. Er ist übergewichtig und ziemlich langweilig. Und ausgerechnet eine Frau wie du findet das attraktiv?“

Charlotte nickte und versuchte, verlegen zu lächeln. Sie wusste nicht, ob Breuer ihr das persönliche Interesse an Ludwig Prinz abnahm. Aber sie wusste schließlich, wo die Akte stand. Außerdem war das Abendessen eine gute Gelegenheit, Bettina ins Spiel zu bringen.

Breuer wandte sich zum Gehen. „Ich bin dann bei Gericht.“

„Maximalen Erfolg!“ Charlotte griff zum Telefonhörer und betätigte die Kurzwahl vom Landgericht. „Anwaltskanzlei Kogelmann, Breuer & Kollegen, Morgenrot am Apparat, hallo. Verbinden Sie mich bitte mit dem Sekretariat von Staatsanwalt Prinz!“

Skrupel 1.0

Подняться наверх