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Kapitel 5

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Am Morgen nahm Marius Vermeer nur einen Espresso im Stehen zu sich. Er hatte sich in der Nacht lange im Bett herumgewälzt und war erst gegen vier Uhr eingeschlafen. Er hatte beinahe den Wecker überhört und fühlte sich matt. Immer noch schwirrte ihm dieser seltsame Montano mit seinem noch seltsameren Auftrag im Kopf herum. Meinte dieser Typ wirklich, ihn mit hunderttausend Euro und einem Foto zu einem Mord zu bringen? Was für ein Idiot! Und diese Telefonnummer. Er würde doch niemals irgendeine Nummer anrufen, um solch delikate Angelegenheiten zu verhandeln. Auf so eine dämliche Idee kamen nicht einmal Undercover-Ermittler.

Marius verschloss sorgfältig die Haustür hinter sich und lief hinüber zur Garage. Mit der Fernbedienung am Schlüsselbund öffnete er das Tor und klemmte sich hinter das Steuer seines Sportwagens.

Als er den Wagen anließ, schloss sich das Tor wieder. Nanu, war er auf den Knopf der Fernbedienung gekommen? Er drückte erneut, das Tor fuhr ein Stück hoch und gleich wieder herunter. Marius fluchte „Scheißtechnik!“ und ließ den Motor aufheulen. Das Spiel wiederholte sich erneut. Dann schloss sich das Tor und blieb unten, sosehr er auch auf den Knopf der Fernbedienung einhämmerte.

„Ich würde den Motor lieber ausschalten, sonst ersticken wir hier noch.“ Eine Männerstimme war dicht an Marius´ Ohr. Sogleich spürte er einen metallischen Gegenstand im Nacken.

Er schaltete den Motor aus und nahm langsam die Hände nach oben.

„Siehst du, so kann man sich auch viel besser unterhalten“, höhnte die Stimme hinter ihm.

Marius atmete tief durch und beschloss zu schweigen. Er hatte keinen Zweifel, dass das Metall in seinem Nacken die Mündung einer Waffe war.

„Du hast einen Fehler gemacht, Vermeer. Das mag ich nicht.“ Marius wartete ab. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren.

„Du hast meine Ware in die falschen Hände gegeben. Das lasse ich mir nicht gefallen.“

Marius dachte nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, wovon dieser Mensch sprach.

„Du weißt genau, was ich meine!“ Der Druck im Nacken verstärkte sich. „Du hast meine albernen Heiligen einfach der Konkurrenz überlassen.“

Daher wehte also der Wind. Er meinte die Skulpturen aus Südamerika. Marius hatte sich schon gedacht, dass mit denen etwas faul war. Fünzigtausend Euro für den Schund.

„Gibst sie einfach irgendeinem daher gelaufenen Kurier. Vermeer, du wirst alt und unvorsichtig.“

Marius spürte seine Arme schwer werden. Er hatte nicht aufgepasst, das stimmte. Erst dieser Südländer, der ihn abgelenkt hatte, dann war er nur froh gewesen, die Skulpturen loszuwerden. Dabei hätte er hellhörig werden müssen, als gleich zwei Kuriere aufgetaucht waren. In solchen Fällen involvierte man schließlich möglichst wenige Personen, und diese fünf Heiligen wären leicht von einem Einzelnen zu transportieren gewesen. Stattdessen waren zwei erschienen. Wahrscheinlich, weil sie mit Widerstand gerechnet hatten und ihn im Zweifelsfalle so leicht hätten überwältigen können.

Hinter ihm klickte es, dann roch es nach Rauch. Marius schloss die Augen. Wie er Zigarettenrauch verabscheute, noch dazu im Auto. „Was willst du? Soll ich die Skulpturen zurückholen?“

Der Mann hinter ihm lachte. „Das schaffst du nicht. Die sind längst außer Landes. Woanders hat der Stoff ganz andere Preise!“

Also tatsächlich Drogen. Marius hatte es ja geahnt. So viel Geld für schnödes Kunsthandwerk. Damit konnte man allenfalls Zollbehörden täuschen. „Was willst du dann von mir?“

„Mein Geld.“ Eine Rauchwolke zog an Marius vorbei. „Und ich meine nicht die Fünfzigtausend, das waren meine Auslagen. Ich will …“ Er zog geräuschvoll an seiner Zigarette. „Ich will das Doppelte, und zwar auf der Stelle!“

Marius lachte auf. „Natürlich. Ich fahre doch immer Hundertausend im Handschuhfach spazieren.“

„Schnauze!“ Das Metall bohrte sich tiefer in seinen Nacken. „Ich will Hunderttausend, oder du wirst den heutigen Sonnenuntergang nicht mehr bewundern können.“

Marius seufzte. So ein Schwätzer. Aber nichtsdestotrotz musste er ihn und sein Anliegen loswerden. Er dachte an Montano, den Auftrag und das Kuvert mit dem Geld. Er konnte diesem Südländer auch morgen noch seine Anzahlung zurückgeben, wenn er bei der Bank gewesen war. „Du bekommst dein Geld.“

„Ich will es jetzt!“

„Natürlich jetzt.“ Marius ließ langsam die kribbelnden Arme sinken. „Wir steigen aus und gehen ins Haus. Ich habe dort Bargeld.“

„Du verstehst schnell. Also los!“

Marius tat wie angeordnet. Ohne sich umzudrehen betätigte er erneut die Fernbedienung. Diesmal öffnete sich das Tor problemlos. Marius spürte zwar kein Metall mehr im Nacken, doch er war sicher, dass der Andere, der jetzt schräg hinter ihm ging, noch immer die Waffe griffbereit hielt.

Vor der Haustür trat der Typ seine Zigarette aus und folgte Marius ins Haus. „Nette Behausung hast du hier, Vermeer. Und ganz ohne diesen Kunstkitsch, sehr geschmackvoll.“

„Danke.“ Marius vermied es noch immer, den Mann anzusehen. Er trat an den Sekretär. Vor den Schubladen zögerte er kurz. Sollte er einfach die Pistole nehmen und diesen Idioten unschädlich machen? Nein. Hier ging es um ein bisschen Kunsthandwerk voller Drogen und um läppisches Geld. Er zog den Umschlag hervor und zählte die zweihundert Scheine auf den Sekretär. „Da hast du es. Verzieh dich!“

Der Andere ließ sich nicht lange bitten. Er raffte das Geld, stopfte es eilig in seine Jackentaschen und war binnen weniger Sekunden verschwunden.

Marius legte den leeren Umschlag zurück in die Schublade. Hoffentlich hatte der Typ das Foto nicht gesehen. Das würde er so schnell wie möglich Montano zurückgeben, genau wie die Anzahlung von hunderttausend Euro.

Er sah auf die Uhr. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass er endlich in sein Geschäft kam. Diese Kleinverbrecher waren wirklich lästig. Er würde sich nicht wieder auf Schmuggeleien einlassen, das stand fest.

In einer Stunde mussten die beiden chinesischen Vasen ankommen, die er vergangene Woche in London ersteigert hatte. Ein wirklich lukratives Geschäft – und seriös. Die Japaner würden einige Millionen Dollar dafür auf den Tisch legen.

Skrupel 1.0

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