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Kapitel 12

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Charlotte Morgenrot hatte sich für heute krankgemeldet. Jetzt schmerzten ihre Knie und ihr Rücken tatsächlich vom langen Sitzen.

Sie hatte in der Kanzlei niemanden erreicht und daher direkt bei den Kogelmanns zu Hause angerufen. Doch auch dort hatte sie nur Bettina erwischt, die immerhin lautstark vom Charme des Staatsanwalts geschwärmt hatte, nicht ohne zu betonen, sie würde ihn bald wieder privat treffen. Die Tatsache, dass Gerd Kogelmann die Nacht offenbar nicht zu Hause verbracht hatte, schien Bettina noch mehr für Ludwig Prinz einzunehmen.

Dass sie den Chef jetzt weder auf dem Mobiltelefon noch im Büro zu fassen bekam, wunderte allerdings auch Charlotte. Wo trieb der sich nur herum?

Auch Breuer war nicht an seinem Arbeitsplatz. Vermutlich erholte er sich noch vom Einbruch in seine Wohnung und zählte zum wiederholten Mal seine Hendrix-Platten durch.

Nun ja, vielleicht lag es auch an der wackligen Verbindung im Zug.

„Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Frankfurt/Main Hauptbahnhof“, erklang die Lautsprecherstimme.

Na endlich. Charlotte steckte ihr Telefon in die Handtasche, erhob sich mit einem leisen Seufzen und reckte die steifen Glieder.

Ein halbe Stunde später hatte Charlotte mit dem Taxi die gewünschte Adresse erreicht: einen schmucken Altbau im Frankfurter Westend.

Sie drückte die Klingel. Kurz darauf ertönte der Summer und die Tür öffnete sich. Charlotte betrat das pompös renovierte Treppenhaus und stieg die breite Treppe hinauf in den ersten Stock. An einer Flügeltür wurde sie bereits von einer großen kräftigen Frau erwartet, die eine Art Kaftan trug.

„Frau Prinz?“ Charlotte trat auf die imposante Frau zu. „Morgenrot mein Name, wir hatten telefoniert.“

„Ja, ich weiß.“ Maria Prinz verzog keine Miene. „Sie sind die Frau aus Berlin, die sich Sorgen um ihre Freundin macht. Zurecht, will ich meinen. Kommen Sie herein.“

„Es ist mir etwas unangenehm, Sie so zu überfallen“, sagte Charlotte. „Aber ich halte es für den besten Weg.“ Sie fand sich in einem langen Flur wieder. Die Wohnung schien die gesamte Etage zu umfassen.

„Unbedingt.“ Maria Prinz ging voran. „Mit einer Freundin wie Ihnen wäre auch mir vieles erspart geblieben.“ Sie seufzte abgrundtief. „Aber wie dem auch sei, ich helfe gern, wenn ich kann. In diesem Falle sehe ich es geradezu als meine Pflicht.“ Sie wandte sich um und sah Charlotte eindringlich an. „Sie müssen wissen, mein Mann ist ein Heuchler vor dem Herrn. Nach außen hin der smarte Staatsanwalt, aber im Innern …“ Sie klopfte sich vor ihren üppigen Busen. „Im Innern verbirgt sich ein wahres Monster.“

Sie betraten einen Raum, der der Bezeichnung Salon würdig war. Staunend blickte Charlotte sich um, konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf die Frau des Staatsanwaltes.

„Nehmen Sie Platz, Frau Morgenrot.“ Maria Prinz deutete auf eine Chippendale-Sitzgruppe. „Was darf ich Ihnen anbieten? Einen Kaffee und vielleicht ein Likörchen dazu?“

„Ja, gern.“ Charlotte lächelte.

Mit einem „Momentchen!“ verschwand Maria Prinz, und Charlotte bekam Gelegenheit, sich in Ruhe umzusehen.

Neben der fast kitschigen, jedoch äußerst edlen Einrichtung aus antiken Tischen, Schränken und Vitrinen, fielen vor allem die zahlreichen Ölbilder an den Wänden auf. Charlotte verzog das Gesicht angesichts der Stilleben und Landschaften, zweifelte jedoch keinen Moment lang an deren Echtheit.

Die Prinzens schienen ihrem adligen Nachnamen alle Ehre zu machen und sich mit besonderen Werten zu umgeben. Über Geschmack ließ sich in diesem Zusammenhang zwar streiten, nicht aber über die Zurschaustellung dieser Leidenschaft für Exklusivität.

In diesem Moment kehrte Maria Prinz mit einem Tablett zurück, dessen zarte Porzellantassen und filigrane Gläschen in krassem Kontrast zu ihrer Statur standen. Sie nahm eine Karaffe von einem der Tische und schenkte Likör ein.

„Willkommen, liebe Frau Morgenrot“, prostete sie Charlotte zu und leerte das Glas in einem Zug.

Charlotte tat es ihr gleich, bemüht, nicht das Gesicht zu verziehen angesichts der klebrigen Süße des Getränks.

Maria Prinz füllte die Gläser sofort nach und setzte sich dann ebenfalls. Der Chippendale-Sessel ächzte bedenklich.

„So, und mein Mann macht sich also an Ihre Freundin heran? Dieser miese Hund!“

„Nun ja …“ Charlotte gab sich verlegen. „Zumindest schwärmt sie wie eine dumme Göre von ihm. Und mir kam das Ganze sofort komisch vor. Zumal …“ Sie zögerte rhetorisch. „Zumal meine Freundin oft an die falschen Männer gerät. Ich muss wirklich immerzu auf sie aufpassen.“

„Das ist sehr gut, dass Sie das tun.“ Maria Prinz nickte ihr zu und griff mit ihrer großen beringten Hand nach der zierlichen Kaffeetasse.

Charlotte hatte einen Augenblick lang die Befürchtung, sie würde das Tässchen zerquetschen.

„Hat er sich wieder mal als Kunstexperte aufgespielt?“ Sie deutete mit großer Geste in den Raum. „Glauben Sie mir, dieser Mann kann einen Matisse kaum von einem Picasso unterscheiden. Diese Sammlung lebt einzig und allein von meinem Knowhow.“

Charlotte horchte auf. Das also war das Steckenpferd von Maria Prinz. „Toll, dass Sie so eine große Sammlung haben! Das kostet doch sicher viel Zeit und Mühe?“

„Und Geld!“ Maria Prinz grinste breit. „Und das ist gut. Ich habe noch weitere Bilder. Ich leiste mir eine eigene kleine Galerie. Schließlich bin ich Geschäftsfrau. Momentan sammle ich privat jedoch vor allem Porträts des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings …“

„Ja?“ Charlotte nippte an ihrem Kaffeetässchen.

„Ich ertrage es nicht, wenn die Bilder mich ansehen.“ Sie fasste sich an die Stirn. „Ludwig weiß das ganz genau. Und was hat er immer wieder getan?“

Sie machte eine effektvolle Pause und atmete schwer. „Er brachte mir genau solche Bilder von jeder Reise mit. Grauenhafte Fratzen, die mich anstarren, mich mit ihrem Blick verfolgen! Ich sage Ihnen: Er hat das absichtlich getan. Er will mich in den Wahnsinn treiben!“

„Oh, mein Gott!“ Charlotte setzte die Tasse ab. „Das ist ja grausam!“

„Allerdings.“ Maria Prinz nickte. Dann beugte sie sich vor und wieder ächzte das Sitzmöbel auf. „Seit ich die Scheidung eingereicht habe, will er mich in eine Irrenanstalt verfrachten. Er behauptet, ich bilde mir das alles nur ein. Aber mit mir nicht. Nicht mit mir!“ Sie trank den zweiten Likör. „Oder denken Sie etwa auch, dass ich verrückt bin?“

„Aber nein!“, rief Charlotte voller Empörung. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Sehen Sie.“ Maria Prinz klang triumphierend. „Niemand hält mich für verrückt. Nur mein Gatte meint, mich in den Wahnsinn treiben zu können. Er will sich an meiner armen Seele vergreifen. Und manchmal …“ Sie wiegte betrübt den großen Kopf hin und her. „Manchmal fürchte ich, das gelingt ihm auch noch.“

„Nein“, sagte Charlotte bestimmt. „Nein, das wird ihm auf keinen Fall gelingen.“

„Genau.“ Maria Prinz verschränkte die Arme vor der Brust. „Denn er hat einen entscheidenden Fehler gemacht. Er hat mich geschlagen.“

„Nein!“, kreischte Charlotte auf. „Wirklich?“

Maria Prinz nickte grimmig. „Doch ich habe alles dokumentiert. Ich habe ein ärztliches Attest. Diese Anzeige wird ihm das Genick brechen, diesem Heuchler!“

„Das ist ja alles noch viel schrecklicher als ich dachte.“ Auch Charlotte griff jetzt demonstrativ zu ihrem zweiten Glas Likör.

Maria Prinz seufzte abgrundtief. „Warnen Sie Ihre Freundin, so eindringlich wie möglich. Sie soll mich anrufen, falls Sie Ihnen nicht glauben will.“ Sie füllte erneut die Likörgläser. „Prost, Frau Morgenrot! Und lassen Sie sich eines von einer gebeutelten Frau wie mir gesagt sein: Männer sind der Frauen Untergang!“

Charlotte erhob ebenfalls das Glas und verkniff sich ein Grinsen. Oder auch andersherum …

Skrupel 1.0

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