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Aufbruchsstimmung in Bosnien
ОглавлениеSo fuhr er mit einem der muslimischen Bosnier ins benachbarte serbische Prijedor. Der hatte dort bereits vor dem Krieg ein Café aufgebaut und eingerichtet. Aber im Krieg selbst war er bedroht und aus seinem Café verjagt worden. Jetzt fuhr und ging der ursprüngliche Café-Besitzer zum ersten Mal wieder genau an diesen seinen früheren Ort zurück – mit Jean Claude an seiner Seite. Jean Claude fand den Kontakt zu einem nach Deutschland geflüchteten und nun wieder nach Sanski Most zurückgekehrten Automechaniker. Der war voll unternehmerischer Energie und plante, in seiner früheren Heimatstadt eine Werkstatt zu errichten. Ja, sagte das zuständige städtische Amt, das ist ja schön und gut. Aber wenn du es dir leisten kannst, eine Werkstatt zu eröffnen, dann hast du in Deutschland bestimmt viel Geld verdient und kannst nun auch deiner Stadt erst einmal eine gute Summe bezahlen. Aber wie sollte er das Geld aufbringen? Auch einen anderen Mann wollte Jean Claude Diallo kennenlernen. Der war in Omarska eingesperrt gewesen, dem, wie es hieß, schlimmsten aller serbischen Konzentrationslager. Der Mann erzählte vom Hunger, von Folter, von der ganzen Hölle, die er dort erlebt hat. Aber er redete auch davon, wie er jetzt versucht, wieder ins Leben zu kommen. Jean Claude war Psychologe. So fand er Zugang zur Arbeit einer Psychologin. »Ich arbeite mit der Cranio-Sakral-Therapie«, sagte sie. Mit diesem Ansatz bot sie Beratung und Therapie an für vom Krieg Traumatisierte. Bereits Ende der 1990er Jahre konnte man in Bosnien Hilfs- und Aufbauaktivitäten arabischer Länder bestaunen. Es waren vor allem neue Moscheen, die zahlreichen bosnischen Dörfern und Städten gespendet worden waren. Jean Claude wollte diese neuen muslimischen Gotteshäuser gerne auch von innen anschauen. So kam es zu Kontakten und Gesprächen mit Vertretern von Moscheegemeinden in ihren feinen, neuen Räumen. Und Jean Claude spürte im serbischen Prijedor eine kleine protestantische Gemeinde auf. Sie kam in einem als Gebetsraum notdürftig hergerichteten Wohnzimmer zusammen – eine kleine, ärmliche Gruppe, die noch keinen ausländischen Spender gefunden hatte.
Bezim Hrnic war einer der neuen bosnischen Freunde. Er lud einmal in sein Zuhause ein, zum Abendessen zusammen mit seiner Familie. An diesem Abend haben wir viel gelacht über die Tücken des Alltags und über unerwartetes Glück im erlebten Mangel. Die Familie erzählte von Schulen und von Spielplätzen, und wir haben geredet von Freundschaft oder von Haustieren, von Lieblingsessen und von all dem, was junge Eltern und ihre Kinder in Sanski Most in dieser Zeit bewegte. »Fenix« nannte sich eine der wenigen größeren Initiativen in Sanski Most, die von Bosniern selbst getragen war, eine Fraueninitiative mit einem breiten Angebot. In ihrem Zentrum am Rande von Sanski Most gab es regelmäßig eine Suppenküche, Kindergruppen, medizinische Betreuung, Beratungen und anderes mehr. All das wurde bei Fenix angeboten und mit großem persönlichem Engagement von Frauen für Frauen organisiert. Zu dieser bewundernswerten Initiative hat Jean Claude regelmäßig Kontakt gehalten. Es waren informative und oft bewegende Begegnungen, die sich auf den Fahrten in oder aus Sanski Most heraus ergeben haben. Jean Claude Diallo blieb bei allem Beeindruckenden trotzdem kritisch. Einmal schimpfte er leise vor sich hin: »Ich verstehe das nicht! Diese Bosnier können noch nicht einmal in ihren eigenen Vorgärten Blumen pflanzen!« Denn er war fest davon überzeugt: Die vielen externen Hilfen sind nur sinnvoll und nachhaltig als ein Anschub. »Wenn die Hilfe von außen nur angenommen, aber nicht aufgenommen wird, dann wird das ganze schnell verpuffen. Ich hoffe darauf«, so sah es Jean Claude, »dass Bosnier in Bosnien eigene Initiativen entwickeln und dass sie selbst anpacken.«