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Brüche und Widersprüche

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Zu einem ersten Riss zwischen den Gesprächspartnern aus Sanski Most und uns Frankfurtern kam es ausgerechnet in Frankfurt. Jean Claude hatte die Gruppe aus Sanski Most nach Frankfurt eingeladen, und sie kamen tatsächlich. Bei diesen Gesprächen sollte nun die inhaltliche Konzeption für das geplante Begegnungszentrum weiter, möglichst sogar abschließend erarbeitet werden. Aber bereits zu Beginn der Gespräche entstand eine für uns nicht erklärbare Unruhe unter unseren Gästen aus Sanski Most. Bis schließlich einer der Bosnier erregt aufsprang und lautstark forderte: »Wir haben kein Interesse an einer Konzeption, wir wollen Euer Geld!« Der Widersinn dieser Forderung war schnell aufgeklärt. Denn der Geldgeber des Projektes war und blieb ja in jedem Fall die EU! Sie würde die Gelder freigeben für Hilfs- und Aufbauprojekte im zerstörten Bosnien. Zuvor war es jedoch unsere gemeinsame Aufgabe, einen entsprechenden Antrag mit Konzeption zu erarbeiten und einzureichen. Freilich blieb der einmal entstandene Unmut.

Es gab bei der Zusammenkunft in Frankfurt ein weiteres Ereignis, das wir uns zu dem Zeitpunkt nicht erklären konnten. Bürgermeister Alagic gehörte ebenfalls zu der Delegation, die aus Sanski Most nach Frankfurt gekommen war. Doch er erschien erst zwei Tage später und berichtete, man habe ihm die Ausreise beinahe nicht genehmigt. – Warum denn das? Wir fanden keine Antwort. Die Antwort auf diese Frage kam schneller als gedacht. Die bosnische Gruppe war gerade erst wieder zurück nach Sanski Most gefahren. Da erhielt Jean Claude die Nachricht: Mehmed Alagic ist verhaftet worden! Wie bitte? Ja! Tatsächlich! Er sitzt im Gefängnis in Den Haag! Dort ist er angeklagt vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Kriegsverbrechen. Diese Nachricht machte uns, die wir in dem Projekt engagiert waren, fassungslos. Der Vorwurf lautete: Alagic und seine bosnischen Truppen hätten im Bosnienkrieg gemeinsame Sache mit Mudschahedin-Truppen gemacht. Mit ihnen zusammen hätten Alagic und seine Truppen serbische Dörfer überfallen, zerstört und sie hätten in diesen Dörfern alle Einwohner getötet – Kinder, Frauen, Alte. Unglaublich! Und nun? Jean Claude erklärte das Projekt Begegnungsstätte in Sanski Most sofort für beendet. Ich glaube heute, Jean Claude konnte sich in dem Moment nicht mehr vorstellen, mit welchen Partnern aus Sanski Most er das Projekt Begegnungszentrum nun hätte realisieren sollen. Wie hätte man in Bosnien jetzt wem vertrauen können? Welche Netzwerke hatte es in der Stadt gegeben, in der Alagic Bürgermeister war? So hat sich das Fenster der Hoffnung auf einen Neuanfang in Bosnien im Zeichen der Völkerverständigung und des Dialogs von einem Tag auf den anderen fürs Erste geschlossen. Der schwere Vorwurf gegen Mehmed Alagic konnte vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht geklärt werden. Denn nur wenige Monate nach seiner Inhaftierung ist er dort an einer Krebserkrankung gestorben. Welche Rolle Alagic auch immer als General im Bosnienkrieg gespielt haben mag: Es gilt inzwischen als gesichert, dass die muslimisch-bosnische Armee im Bosnienkrieg von ungefähr 6000 Soldaten aus mehreren arabischen Staaten unterstützt worden ist. Es muss eine bunte Söldnertruppe gewesen sein – Afghanen, Tschetschenen, Pakistani, Ägypter, Irakis …

Im Frühsommer nach all dem rief mich Jean Claude Diallo eines Tages an: »Du, Christoph. Es ist noch Geld auf dem Konto für Sanski Most. Ich möchte es persönlich dorthin bringen. Kommst Du mit?«

Wir trafen uns in Zagreb. Barbara und Veronika waren dabei. Sie fuhren am nächsten Tag wieder nach Frankfurt. Jean Claude und ich fuhren weiter nach Sanski Most. Wieviel Geld noch auf dem Konto war und wem er davon wie viel gegeben hat, weiß ich nicht. Wir hielten uns nicht lange in Sanski Most auf. Und fuhren schon bald zum letzten Mal von Sanski Most aus wieder zurück nach Frankfurt.

Allerdings wollte Jean Claude vor unserer Abfahrt gerne noch einen Besuch machen. Wir besuchten die junge Familie, die Familie mit den beiden Kindern.


Frankfurter Delegation mit Mitstreiter*innen aus Sanski Most bei der Besichtigung des Grundstückes an der Sana, auf dem das Begegnungszentrum entstehen sollte.

EIN FRANKFURTER AUS AFRIKA

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