Читать книгу The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart - Страница 17

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12.: Endlich The Who: Ein Geldgeber – und ­Rockstars kennen keinen Schmerz

„Seid ihr denn überhaupt gut?“

Der Türklinkenfabrikant Helmut Gordon sucht eine Band, die ihn reich und berühmt machen kann

„Wir hatten keine Roadies, das hab’ ich gemacht.“

Roger Daltrey

„Wenn du’s nicht auf die Reihe kriegst, bist du draußen!“

Pete beschleunigt den Wechsel auf dem Schlagzeugerstuhl

Doug Sandoms Schwägerin Rose arbeitete in einer kleinen Gießerei in Shepherd’s Bush. Ihr Chef, ein deutsch-jüdischer Geschäftsmann von über vierzig Jahren, der noch bei seiner Mutter wohnte, klein war und rund, fast haarlos auf dem Kopf, kreuzte gelegentlich in Sandoms Haus auf. Er hieß Helmut Gordon und war ­voller­ Elan, in die Fußstapfen von Brian Epstein zu treten, dem legendär gewordenen Entdecker der Beatles. Als er mitbekam, wie Doug sich einmal mit Rose über The Detours unterhielt, spitzte Gordon die Ohren: „Seid ihr denn überhaupt gut?“ fragte er plötzlich. Statt einer Antwort lud Doug ihn zu ihrem nächsten Auftritt im White Hart Hotel von Acton ein. Es war immer deutlicher geworden, dass die Detours einen richtigen Manager brauchten; nicht nur einen Touragenten wie Bob Druce, sondern­ einen Mann, der allein für sie arbeitete, der alle Fäden im Hintergrund sponn und bereit war, in die Karriere der Band zu investierten. Gordon war der erste Anwärter auf diesen Posten.

Er kam, erblickte die kreischenden Mädchen, die damals jeden Auftritt einer Popband begleiteten, und fühlte sich bestätigt. Damit musste man viel leichter und schneller Geld verdienen können als mit den Türklinken, die er in seiner ­Gießerei­ herstellte.

Tatsächlich glaubten damals viele Geschäftsleute im britischen Königreich, dass das Phänomen der Beatles und ihrer Millionen Pfund schweren Karriere nur einen Vater habe: Brian Epstein.

Dieses Vorbild war für jeden Geschäftsmann, der etwas auf sich hielt, eine Herausforderung. Gordon interessierte sich zwar nur mäßig für Musik und hatte von der neuen Szene keine Ahnung. Aber wenn ein Typ wie Epstein die Beatles erschaffen hatte, so dachte er, müsste er so etwas ebenfalls auf die Beine stellen können.

Man traf sich nach dem Auftritt, und Gordon bot der Band an, Geld zu investieren­ und einen Plattenvertrag zu besorgen.

Die Jungs waren begeistert. Roger erzählt: „Ich betrachtete Gordon als eine Art wandelnde Ladenkasse – eine Möglichkeit, endlich genug Geld für eine bessere­ Ausrüstung zu kriegen.“ (Einige Biografien legen Gordons Einstieg als Manager erst auf Anfang 1964 fest, nachdem The Detours sich schon in The Who umbenannt hatten. Ich halte ein so spätes Datum angesichts der kommenden Ereignisse für unwahrscheinlich und gehe davon aus, dass Gordon die Band schon am Sonntag, dem 24. November 1963, im White Hart Hotel gesehen hat. Für eine Woche später vermeldet auch die Who-Chronologie Eyewitness The Who, dass die Detours „dank ihres neuen Managers Helmut Gordon“ ein neues Engagement im Railway Hotel antraten.)

Jedenfalls wurde in Dougs Haus, in der Vincent Road, South Acton, ein ­Vertrag­ geschlossen, dessen Gültigkeit abermals fraglich war. Petes Eltern ­ver­weigerten ihre Unterschrift für ihren minderjährigen Sohn erneut. Die Eltern von Roger und John hatten dagegen keine Einwände, solange die Söhne ihre Jobs nicht aufgaben; doch Betty und Cliff waren mit dem Musikbusiness vertraut genug, um zu wissen, dass Helmut Gordon auf Dauer nicht der richtige Mann für die Band war.­

Sie sollten recht behalten; aber einstweilen war Gordon ein Glücksfall, der die Detours als seine „kleinen Diamanten“ betrachtete und für alles aufkam, was die Band dringend brauchte: einen neuen Transporter, nachdem der alte, von Rogers wilder Fahrweise ohnehin schon demoliert, auf einer Rückfahrt von Derby endgültig seinen Geist ausgehaucht hatte; sowie neue Boxen und Verstärker, damit sich Pete und John noch lautere Duelle auf der Bühne liefern konnten. Außerdem entwarf Pete sündhaft teure Lederwesten, die knielang waren und bei jeder ­Bewegung um die Hüften flatterten. Und die ganze Gruppe, einschließlich des ­Kumpels­ Barney, gönnte sich auf Gordons Kosten jeweils zwei Paar der angesagten­ Beatles-Lederstiefel.

Barnes, der sich selbst als „damalige Mutter der Gruppe“ bezeichnet und ihre Auftritte im Railway Hotel organisierte, war auch dabei, als die Detours kurz nach der Vertragsunterzeichnung Gordon ein zweites Mal trafen:

„Wir fuhren zu einer verwahrlosten Fabrik in einer Gasse von Shepherd’s Bush. Jemand führte uns durch die Gießerei nach hinten, in Gordons Büro. Es war eine zwielichtige Szene, wie in einem Roman von Dickens. Wir fünf stellten uns in einer Reihe vor seinem Schreibtisch auf, während Gordon Pläne entwarf, die er sich für die Band überlegt hatte. Vor sich, auf einem mit Schreibmaschine getippten Blatt, hatte er die Namen verschiedener einflussreicher Leute aus der Musikbranche aufgelistet. Helmut dachte, diese Topleute ­würden­ mit ihm verhandeln und er könne der Gruppe damit den Durchbruch verschaffen.“

Obwohl diese „Topleute“ nicht mehr ganz die erste Adresse im Musikbusiness darstellten, sondern noch aus der Vor-Beatles-Ära stammten, bestand doch kein Zweifel,­ dass Gordon ein mutiger und erfolgreicher Unternehmer war, der allerdings den Fehler machte, die logischen Maximen seiner Branche auf die letztlich unkalkulierbaren Gesetzmäßigkeiten in der Unterhaltungsindustrie zu übertragen.

Zum Abschluss ihres Besuchs fragte John den Geschäftsmann, ob er wohl ein paar goldlackierte Türknöpfe für seine Garderobe mitnehmen dürfe. In einer Ecke standen Kisten mit Tausenden davon, und Gordon meinte, John möge sich nur bedienen. John tat, wie ihm geheißen, woraufhin ihm ihr neuer Manager umgehend sechs Schilling pro Stück abknöpfte.

The Detours hatten nunmehr zwei Manager, Gordon und Druce, mit denen sie jeweils einen ungültigen Vertrag besaßen. Überraschenderweise entstand daraus kein Problem, sondern eine höchst komfortable Position für die Band. Denn Druce, der von Gordons Abwerbungsversuchen Wind bekommen hatte, unterbreitete nun seinerseits plötzlich ein lukratives Angebot und wollte die Band mit allerlei Versprechungen exklusiv an sich binden.

Die beiden nicht legitimierten Manager trafen sich, und nachdem wohl keiner vom anderen wusste, dass er in der gleichen unhaltbaren Position war, einigte man sich gütlich auf die Gründung einer Firma namens Gordon-Druce Enterprises Ltd., die die Zusammenarbeit mit den und für die Detours regeln sollte.

Daraufhin erhielten sie merklich bessere Auftrittsmöglichkeiten. Ihr nächster Etappenerfolg war, dass sie als Begleitband für die Rolling Stones gebucht ­wurden.­ Das Konzert fand am 22. Dezember 1963 statt, wieder einmal in der St. Mary’s Hall in Putney, wo die Band zuvor schon Anschauungsunterricht in Sachen ­Bühnenshow erhalten hatte, damals von Johnny Kidd & The Pirates.

Die Stones galten inzwischen als ernsthafte Konkurrenten der Beatles, als ­wilder, schmutziger Haufen, ein düsterer Gegenentwurf zu dem fröhlichen Quartett­ aus Liverpool. Wer für die Stones war, konnte den Fab Four nichts abgewinnen, und umgekehrt verabscheuten die meisten Beatles-Anhänger den großstädtischen, eingebildeten Habitus der Londoner R&B-Band. Für die Detours und besonders für Pete waren die Rolling Stones aber eine „Offenbarung“. Als Pete sie zuerst sah, war er verblüfft, wie organisch sie zusammenspielten. Die Stones­ arbeiteten seit achtzehn Monaten zusammen, und sie benahmen sich wie Stars.

Über den gemeinsamen Bekannten Glyn Johns, der Detours und Stones gleicher­maßen hoch schätzte und später als Toningenieur für beide Bands tätig wurde, kam Pete in den Umkleideraum. Mick Jagger zeigte sich sehr freundlich, und der viel bewunderte Schönling Brian Jones machte sogar Komplimente, dass ihm die Detours gefielen, und er bot seine Hilfe an. Für Pete war es, „als strich mir der liebe Gott persönlich übers Haupt.“

Einer allerdings gab sich völlig uninteressiert, distanziert, unerreichbar: Keith Richards, der zweite Gitarrist der Stones, der Pete im Konzert mit einer genialen, scheinbar von innen kommenden Geste am meisten beeindruckt hatte: Bevor der Bühnenvorhang aufging, hatte Richards den Arm angehoben und ihn, wie ein geheimes Aufwärmritual oder Kommandozeichen an die Band, in einer lakonischen Kreisbewegung auf- und abgeschwungen, ohne dabei die Saiten zu berühren.­ Dem Publikum blieb dieser windmühlenartige Anlauf verborgen, allein Pete und die andern hinter der Bühne sahen Richards dünnen Arm durch die Luft ­kreisen. Doch als sich der Vorhang hob, ließ der Stones-Gitarrist abrupt den Arm sinken, schrammte haargenau über die Saiten und spielte ein hartes Riff an – und die Stones legten mit „Come On!“ los wie die Teufel.

Beim nächsten Gig probierte Pete die gleiche machtvolle Geste aus; allerdings nicht hinter dem Vorhang, sondern während der Aufführung. Er schlug einfach seine Akkorde auf diese spektakuläre Weise an, und er verlor dabei vermutlich die ersten von unzählig vielen Fingernägeln und Blut aus aufgeschrammten Finger­kuppen, die er der Entwicklung seines Markenzeichens immer wieder opferte.

Keine zwei Wochen später, am 3. Januar 1964, trafen sich beide Gruppen erneut, diesmal im Glenlyn Ballroom in Forrest Hill. Sicherheitshalber setzte Pete mit seiner neu entdeckten „Windmühle“ aus, konnte es sich dann aber doch nicht verkneifen, den überheblichen Richards zu testen. Pete hatte beobachtet, dass auch der Stones-Gitarrist die Geste nicht ständig ausführte, und schließlich sprach er ihn darauf an: „Ich glaubte, dass ich Keith Richards kopierte“, erzählt Pete. „Aber er fragte nur: ,Was schwinge ich?‘ Er musste es als eine Art Aufwärmübung irgendwann einmal angefangen haben, aber er war sich dessen nicht mehr bewusst, und so entwickelte es sich zu meinem Markenzeichen.“

Man beachte die feine Untertreibung, wonach „es“ sich quasi von selbst, ohne Petes Zutun entwickelt haben sollte. Aber insgesamt hat Townshend, der bald als „Birdman“ in der Szene Furore machte und seine „Windmill“ wie einen kultischen Akt zelebrierte, nie einen Hehl daraus gemacht, woher er die Inspiration zu seiner Show bezogen hatte. (Keith Richards seinerseits hat die Geste nach eigener Auskunft übrigens von Don Everly abgeschaut, als die Stones und die Everly Brothers im September 1963 gemeinsam tourten.)

„Wir haben eine Menge von den Stones abgekupfert“, gesteht Pete. „Wir haben absolut nichts von den Beatles abgekupfert, aber die Stones waren eine lokale Konkurrenzband für uns. Ich habe einige ihrer ersten Gigs in Richmond gesehen, und alle Mädchen, mit denen ich ausging, waren in einen der Stones verknallt. Meistens­ in Bill Wyman. Ich war nur ihr Rolling-Stones-Ersatz.“

Wörtlich sagte er: „I was just a Rolling Stones Substitute.“ Das sollte zu denken geben. Townshends Hit „Substitute“ wurde zwar erst 1966 veröffentlicht, aber dass er in jeder Hinsicht eine Reminiszenz an Keith Richards und die Stones war, darf man schon mal vorwegnehmen.

Roger schien im Gegensatz zu Pete keine Probleme zu haben, sich gegen die übermächtige lokale Konkurrenz auf dem Gebiet der weiblichen Anhängerschaft durchzusetzen. Er hatte sich zu einem wahren Womanizer entwickelt, dessen Weg ungezählte gebrochene Herzen und bereits zwei aufgelöste Verlobungen säumten. Während Pete die Stones beobachtete und sich von ihnen zum rabiateren Spiel mit der Gitarre anregen ließ, war Rogers geübter Blick wie üblich spähend übers Publikum gestrichen – und vermutlich an einer hübschen, dunkelhaarigen Sechzehnjährigen hängen geblieben.

Roger dürfte das Mädchen, das Jaqueline Rickman hieß und in der Nähe der St. Mary’s Hall lebte, nicht zum ersten Mal gesehen haben, denn sie war, wenn die biologische Uhr nicht falsch zählte, bereits am 17. November in der St. Mary’s Hall von Putney gewesen, spätestens aber zum Auftritt am 1. Dezember, denn neun Monate darauf wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren, so dass wir Roger in diesem Fall ein besonders entschlossenes Vorgehen zubilligen können. (Da wir das Geburtsdatum von Sohn Simon genau kennen, 22. August 1964, ergibt sich rein rechnerisch der Termin für das folgenreiche Stelldichein an einem der beiden vorgenannten Auftritte der Detours in Putney.)

Rogers Blick in den Saal könnte deswegen an dem für die Band so bedeut­samen Auftritt mit den Stones etwas nachdenklich gewirkt haben; die unterschiedliche Bedeutung, die jener Tag für die Entwicklung von Roger und Pete hatte, ist jedoch bezeichnend.

Während der Kunststudent Townshend Schritt um Schritt daran arbeitete, seiner­ Persönlichkeit mit artifiziellen Mitteln, mit Gitarre und Schreibstift, ­Ausdruck­ zu verschaffen, war Roger vor allem daran interessiert, sich selbst zu erforschen und zu beweisen, seine Identität zu formen und zu wahren.

Nach wie vor betrachtete er die Detours als „seine Band“ – sein Werkzeug zur Persönlichkeitsentfaltung, zur Errettung aus der Knechtschaft in der Fabrik. In der Position des Frontmanns und Sängers hielt er alle Macht über das Repertoire in den Händen. Er entschied, was er singen konnte und wollte, und er stellte es dem Publikum vor. Indem er seiner Leidenschaft fürs weibliche Geschlecht nachging, bestätigte er im Grund lediglich das öffentliche Klischee vom erfolgreichen ­Rockstar, der als solcher bekanntlich sexuell stets aktiv ist und begehrenswert zu erscheinen hat.

Pete war auf diesem Gebiet immer noch ein Nachzügler. Zwar war es ihm inzwischen gelungen, den ersten Geschlechtsverkehr zu vollziehen, angeblich im Schlafzimmer seiner Mutter, wie er selbst behauptet; aber noch hatte er nicht ­verstanden, dass „die Mädchen nicht wegen der Rolling Stones kreischen, ­sondern­ weil sie einfach gern kreischen“.

Doch wer konnte die Band wirklich weiterbringen? Wer ihr das Tor zum Musentempel öffnen? Pete oder Roger, oder womöglich ein ganz anderer?

Die lautstarken und handfesten Auseinandersetzungen, in die Roger und Pete seit einiger Zeit verwickelt waren, hatten ihre Ursache vor allem darin, dass der jüngere, dünkelhaft auftretende Kunststudent Townshend den Fabrikarbeiter ­Daltrey plötzlich von oben herab näselnd belehrte, welche Nummern angesagt waren und ins Repertoire aufzunehmen seien, welche musikalischen Finessen die Band einzustudieren habe und welche modischen Trends die Szene bewegten.

Durch Petes unermessliche Plattensammlung und dessen wachsendes Selbstbewusstsein war Roger eine neue, eine bedrohliche Konkurrenz um die Macht in der Gruppe erwachsen.

Doug Sandom erzählt, dass zu jener Zeit „Roger und Pete einander ständig an die Gurgel“ gingen. „Pete war ein überraschend schrecklicher Streiter. Er hatte solche Komplexe wegen seiner Nase, dass er gemein sein wollte, bevor andere zu ihm gemein waren. Er konnte so unglaublich sarkastisch und verletzend mit Worten­ sein, dass man dachte, oh Gott, Peter, was machst du da?“

Diese Verhaltensweise musste dem Bandchef Daltrey sauer aufstoßen, und er setzte­ sich gegen den intellektuell überlegenen Townshend auf gewohnte Weise zur Wehr. Doug sagt:

„Es war alles andere als schön mit anzuschauen, wenn Roger ihm bei Proben auf die Nase haute. Wir waren überall dafür bekannt, dass wir uns als Band dauernd stritten. Pete beschwerte sich üblicherweise über John, aber der beschwerte sich nie über irgendwas. Roger meckerte über Pete. Er machte auch John an, aber John stritt nicht. Dafür konnte man sich mit Pete wunderbar streiten. Deshalb nahm sich Roger ihn vor. Und schon hatte er wieder eine blutige­ Nase. ‚Alles klar, Peter?‘ – ‚Ja, ja, alles klar.‘ – Und weiter ging’s.“

Pete und Roger bestreiten diese Aussage meistens. Pete bezichtigt den Ex-Drummer­ gar der Lüge und erklärte immer wieder, dass er mit Roger vor dem Quadrophenia-Eklat (mehr dazu im zweiten Band) keine gewalttätige Auseinandersetzung gehabt habe. Sicher ist, dass die beiden Leithammel in dieser Zeit ­überhaupt nicht miteinander zurechtkamen. Roger warf Pete Überheblichkeit, Faulheit und Traumtänzerei vor:

„Er hat nie erfahren, was normale Kids wirklich interessiert, weil er nicht weiß, wie es ist, wenn man jeden Tag hart arbeiten muss. Pete lag den ganzen Tag im Bett, als er an der Kunsthochschule war; ehrlich gesagt, lag er meistens mit einem Joint im Bett und stand nur auf, wenn er dazu Lust hatte, und zu einem Auftritt hatte er selten Lust. Jemand musste hingehen und an seine verdammte­ Tür trommeln, und das war ich. Ich konnte es kaum erwarten, aus der Fabrik rauszukommen, und richtete meine gesamte Energie und alle Frustrationen auf die Musik. Ich musste auch die Ausrüstung aufbauen. Es war unglaublich, man konnte die anderen kaum dazu bringen, auch nur einen Verstärker rauszutragen. Wir hatten ja keine Roadies, das war ich.“

Kein Zweifel, Roger lebte für seine Band und arbeitete hart für seinen Traum. Er machte Überstunden, um Lautsprecherboxen zu schreinern; er bezahlte, wenn die anderen kein Geld mehr hatten; er setzte sich gegen rivalisierende Bands durch, schlug streitsüchtige Zuschauer in die Flucht, rangelte mit Kneipiers und falschen Managern und trieb die Wochengage bei Mr. „Ten Percent“ Druce ein. Er trank nicht, nahm keine Pillen, rauchte nicht Pot, weil er einen Führerschein hatte und die Band kutschierte. Außerdem schadete jede Droge seiner Stimme, wie er herausgefunden hatte, „sie trocknete die Kehle aus“. Und Roger hatte gelernt, auf ­seinen­ Körper zu achten. Eine gute physische Verfassung war für ihn die Voraussetzung, seine Aufgaben als Sänger, Fahrer, Schläger und Träger zu meistern: „Auf der Bühne zu stehen, bedeutete für mich, etwas zu tun, das ich liebte, alle Mädchen zu haben, die ich wollte, für jedes Bier bezahlt zu werden, das ich trinken konnte,­ und mich von den Jedermanns in der Fabrik abzuheben.“ Verständlich, dass sich Roger die Kontrolle über sein Machtmittel nicht nehmen lassen wollte.

Doch auch Petes Sichtweise hatte ihre Berechtigung. Er hatte ebenfalls hart an sich gearbeitet, hatte sich an der Kunstakademie einen Namen gemacht und viele neue Einflüsse in die Band eingebracht. Zudem war sein Gitarrenspiel viel besser­ geworden, und in seiner neuen Position als alleiniger Gitarrist und Zulieferer angesagter R&B-Nummern aus dem reichhaltigen Schallplattennachlass seines amerikanischen Freunds konnte er es sich nach seiner Meinung durchaus erlauben, dem autokratischen, raubeinigen Bandleader wenigstens intern die Stirn zu bieten.

Außerdem war ihm klar geworden, dass man auch mit einer großen Nase Erfolg bei den Girls haben konnte, wenn man sich entsprechend verhielt und auf einer beleuchteten Bühne stand. In seinem zweiten Jahr auf der Kunstakademie hatte Pete ein ausnehmend attraktives Mädchen kennengelernt, Karen Astley, drei Jahre jünger als er und im Modedesignseminar eingeschrieben. Karen stammte ebenfalls aus einer Musikerfamilie. Die frühere Band ihres Vaters, Edwin „Ted“ Astley, der inzwischen als Komponist für die BBC in London arbeitete und Filmmusik schrieb, hatte lustigerweise einst für Cliff Townshends Squadronaires die Show eröffnet, wenn diese in Manchester gastierten. Pete und Karen erfuhren erst viel später von diesen weit zurückreichenden Schicksalsfäden hinter ihrer Beziehung; aber beide spürten intensiv, dass sie füreinander passende Partner waren. Pete bezog viel Selbstbewusstsein aus der Verbindung mit der schönen, warmherzigen und intelligenten Tochter aus gutem Haus, die seine Unsicherheit eindämmte und die extremen Schwankungen seiner Künstlernatur ausglich.

Anfang Februar 1964, kurz nach einer heftigen Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe, sollte sich zeigen, dass die kunstvollen und legeren Aspekte des Musiker­daseins, die Townshend verkörperte, genauso wichtig waren wie Rogers Durchsetzungsvermögen und Tatkraft.

John hatte in der Fernsehsendung „Thank Your Lucky Stars“ am 1. Februar eine irische Gruppe gesehen, die sich Johnny Devlin And The Detours nannte. Aufgeschreckt informierte er seine Bandkollegen. Pete hatte gerade damit begonnen, ein Detours-Logo für Poster und für die Präsentation der Demobänder zu entwerfen, aber wie John berichtete: „Die anderen Detours waren zu neunt und Iren; wir dachten, sie sind im Fernsehen aufgetreten, sie sind bekannter als wir; also können wir uns nicht länger The Detours nennen.“

Nach ihrem nächsten Auftritt, am folgenden Freitag, also in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1964, fuhr Roger die anderen wie üblich nach Hause. Erste Station war Petes Wohnung in der Sunnyside Road. „Wir saßen Ewigkeiten im Transporter und versuchten, einen neuen Namen zu erfinden“, erzählt Roger.

Pete schlug vor, seinen Mitbewohner Barnes in die Beratung einzubeziehen, und so saßen bald alle in der Kunststudentenbude, schlürften Kaffee und spielten Pingpong mit neuen Bandnamen. Pete und Barney stimulierten sich zusätzlich mit ihrer Lieblingsdroge Pot, woraufhin sie beseelt eine etwas abgehobene Meinungsführerschaft reklamierten. Zeuge Barnes erinnert sich:

„Ich wollte einen Namen, der die Leute innehalten und überlegen ließ, damit sie sich an die Gruppe erinnerten. Die ersten beiden Namen, an die ich dachte,­ waren The Group und The Name. Pete kam mit The Hair daher. Ein anderer­ Vorschlag war No-One. Wir stellten uns Lou, den Ansager im Oldfield, vor, wie er uns ankündigte: ‚Und jetzt, Ladies und Gentlemen, die nächste Gruppe,­ sie heißt Die Gruppe‘. Aber schließlich dachte ich, dass The Who am besten funktionieren würde. Es ließ die Leute zweimal nachdenken, wenn sie es lasen, und es würde auf Plakaten gut aussehen, weil es so kurz war und deshalb groß gedruckt wurde. Und Lou hätte auch seinen Spaß damit, oder aber ein großes­ Problem. Wir kamen zu keiner Entscheidung in dieser Nacht, aber wir engten die Wahl ein auf entweder The Who oder The Hair.“

Pete schlug zwar noch die Variante The Who And The Hair vor, war aber mit seiner Begeisterung darüber allein; den anderen klang dieser Kompromiss zu sehr nach Pub. Am nächsten Morgen holte Roger Pete ab, um bei Jim Marshall einige­ Verstärker für den Samstagabend auszuleihen. Barnes kam gerade die Treppe herab, wo Roger ihn stoppte und knapp ansprach: „The Who, oder?“ Damit war die Entscheidung gefallen.

Christian Suchatzki erzählt eine leicht abgewandelte Version, wie The Who zu ihrem neuen Namen kamen: „Übereinstimmend ist, dass im Apartment im Beisein von Richard Barnes die Anwesenden ihre Vorschläge hinsichtlich des zukünfti­gen­ Bandnamens in die Runde warfen. Das Pot musste jedoch Barnes’ akustischer Wahrnehmung ziemlich zugesetzt haben, denn nach jedem Vorschlag fragte­ der in seinem Hörvermögen Beeinträchtige: ‚the who?‘ Bis dann schließlich seine kategorische Frage als neuer Bandname ernsthaft in Betracht gezogen wurde.“

Zweierlei dürfen wir festhalten: Zum einen überrascht Pete im Marihuana­nebel als Visionär. Das Thema „Haar“ war damals äußerst kontrovers und wurde heiß diskutiert. Es war eigentlich klar, dass irgendwer diesen Begriff besetzen und damit Erfolg haben würde, wie es drei Jahre später das Musical Hair bewies. Es ist äußerst fraglich, ob es diese erfolgreiche Popoperette je gegeben hätte, wäre Petes Vorschlag angenommen worden. Hair wurde von seinen beiden Autoren, Gerome Ragni und James Rado, in den Jahren 1965 bis 1967 entwickelt und dann uraufgeführt. Zu dieser Zeit hatten The Who aber schon ihr erstes halbes Dutzend­ Hits veröffentlich – kaum denkbar also, dass ein gleichnamiges Musical daraufhin durchsetzbar gewesen wäre.

Zweitens bestimmte Roger noch immer ziemlich uneingeschränkt über Wohl und Wehe der Band. Er hatte zielsicher jenen Begriff ausgewählt, der nicht von seinem bandinternen Konkurrenten stammte und der außerdem sachte darauf hinwies, was Rogers eigentliches Thema im Leben wie in der Musik war: Identität.

Wer bin ich? Wer bist du? Wer steckt dahinter?

Roger legte die Grenzen fest, auch zu Petes Vorteil. Denn unter ihrem gemeinsamen Leitmotiv – „Identität“ – entwickelte sich Roger als Interpret, Pete als Songwriter und die Band in ihrer Beziehung zum Publikum. The Who war damit ein verblüffend programmatischer Name. Die Formulierung und Erfahrung von Identität sollte The Who in den folgenden vierzehn Jahren so viel innere Stabilität eintragen, dass die Bandmitglieder alle persönlichen Differenzen überwanden und die am längsten ohne Unterbrechung zusammen spielende Besetzung der Rockgeschichte wurden. Und die wohl einmalige Anhängerschaft der Who-Fans basiert mit Sicherheit ebenfalls darauf, dass sie ihre Identität mit The Who und in deren Songs erfühlen.

Die offizielle Taufe in The Who im Oldfield Hotel verlief laut Doug Sandoms Erinnerung wie erhofft: „Wir beendeten unser Set, und Lou nahm das Mikro und sagte: ‚Wer ist wieder hier nächste Woche?‘’ Und alle riefen: ‚Die Detours.‘ Und er fragte: ‚Die Wer?‘ Darauf alle: ‚The Detours.‘ Und er wieder: ‚The Who?‘ Und so weiter und so fort. Und zum Schluss hatte er es geschafft, dass es bei jedem angekommen war; aber sie kriegten es noch nicht richtig in den Kopf, es war ein zu seltsamer Name.“

Nach allem, was wir heute wissen, spielten The Who erstmals unter ihrem neuen Namen am 20. Februar 1964 im Oldfield Hotel, und die Ansage von Lou lautete wörtlich: „Who’s up here next week?“

Es war wirklich ein seltsamer Name. Ein sehr seltsamer. Aber er funktionierte.­ Barnes druckte an der Kunstschule die ersten Poster für die Auftritte im Railway Hotel jeden Dienstag, und „The Who“ prangte tatsächlich bald weithin sichtbar von den Wänden. Außerdem wurde mit Gordons finanzieller Hilfe eine kleine Anzeige im Melody Maker geschaltet, unterstützt auch von Marshalls Werbung, der natürlich The Who als Kunden nannte.

Vor der Umsetzung der programmatischen Idee, die in ihren Trägern sicher erst halbbewusst geschlummert hatte, musste das kreative Spannungsfeld freilich noch viel komplexer und kunstvoller werden. Es gab zwar die krachenden Auseinandersetzungen zwischen Roger, dem Boss, der gleichwohl angreifbar war, und seinem entschlossenen Herausforderer Pete, der schon alle künftigen Waffen in Reichweite hielt und nur auf den geeigneten Moment zur Revolution zu warten schien – doch im Fußvolk fehlte der Enthusiasmus.

John war unbestritten auf dem Weg, ein hervorragender, bahnbrechender Musiker zu werden, in emotionaler Hinsicht jedoch wirkte er viel zu ausgleichend, zu unkämpferisch, um den Erfolg um jeden Preis anzustreben. Er glättete die Wogen lieber, statt einen Sturm zu entfesseln, und er hielt sich aus jeder Konfrontation mit britischer Distinguiertheit heraus.

Blieb noch Doug. Er hatte den ständigen, nervenaufreibenden Antagonismus zwischen Daltrey und Townshend, der sich an allen Fragen zur Musik und ihrer Umsetzung entzündete, genauso satt wie John, konnte sich aber nicht so einfach heraushalten wie der stoische Bassist, der seinen Spitznahmen „The Ox“ auch aus seiner Einhalt gebietenden, massiven Körperlichkeit bezog. Einen Stier reizte man nicht zu sehr; einen kleinen, zartgliedrigen, etwas miesepetrig dreinblickenden Schlagzeuger mit gegenläufiger Ambition schon eher.

Doug konnte mit Rogers und Petes ehrgeizigen Jugendträumen von Ruhm und Reichtum nichts mehr anfangen. Seine Frau erwartete ein Kind, nächtelange ­Diskussionen um Klang und Note waren aus seiner Sicht fruchtlos. Er konnte sie freilich auch nicht beenden. Vielleicht litt er darunter besonders, dass er der Älteste und Erfahrenste, zugleich aber der Schwächste war, ein Zweiunddreißigjähriger ohne Autorität bei dem erst neunzehnjährigen Pete und bei Roger, der kurz nach der Umbenennung in The Who zwanzig geworden war.

Pete stichelte gern über Dougs Rolle unter der Fuchtel seiner Frau, die naturgemäß kein Interesse hatte, ihren Ehemann sechs oder sieben Nächte pro Woche unter wildgewordenen sechzehnjährigen Mädchen verbringen zu lassen.

Roger hielt sich dagegen bei diesem Thema merklich zurück, denn er kreuzte­ inzwischen selbst bedrohlich nahe am Hafen der Ehe. Seine um die Leibesmitte bereits recht füllig gewordene jugendliche Geliebte, die sechzehnjährige Jacqueline­ Rickman, bestand zwar nicht auf einer gesetzlich legitimierten Beziehung; aber Roger war viel zu sehr Ehrenmann und in den moralischen Gepflogenheiten seines­ Milieus verhaftet, als dass er die noch nicht volljährige Mutter seines Sohns im Regen stehen lassen konnte.

Am 28. März 1964 wurde geheiratet, standesamtlich. Trauzeuge war sein Freund John Reader, der gelegentlich als Roadie für The Who aushalf. Unter den Gästen des Empfangs in Putney waren auch Johnny Kidd und seine Piraten­bande, mit denen sich Roger während ihrer gemeinsamen Auftritte angefreundet hatte. Doch trotz aller Bemühungen, der Pflichtheirat etwas Positives abzugewinnen, wollte sich keine rechte Feierlaune einstellen. Roger wusste, dass er noch kein guter Vater und Ehemann sein konnte. Seine Mutter sah das ähnlich. Sie mochte nicht erkennen, wie die hübsche, brave, stille Jacqueline mit der Rockwelt zurechtkommen sollte: „Sie war ein liebes Mädchen von nebenan und völlig fehl am Platz in dieser Szene. Das konnte nicht halten.“

Das Paar bezog eine kleine Einzimmermietwohnung in Wandsworth; doch bereits einen Tag nach der Heirat, am Ostersonntag, war der frischgebackene Ehemann unterwegs zu einem Auftritt nach Brighton, wo es zur ersten legendären Schlacht zwischen Mods und Rockern kam. Das Leben eines zwanzigjährigen Popsängers vertrug sich schlecht mit der bürgerlichen Institution Ehe. „Tatsache ist, sobald du eine Gitarre in die Hand nimmst, sitzt da immer ein Vögelchen auf dem Griffbrett“, gestand Roger blumig seine Untreue. „Ich wollte Frauen, und ich wollte­ Geld, und Rock’n’Roll gab mir beides.“

Nach Konzerten nächtigte Roger oft im Möbelwagen, den The Who als Transporter benutzten, damit er nicht hin- und herfahren musste, wenn er am Morgen in der Fabrik anzutreten hatte; es ist anzunehmen, dass das eine oder andere Vögelchen sein mobiles Nachtlager mit ihm teilte. Ein paar Monate schaffte er es halbwegs, die Fassade aufrecht zu erhalten und Jacqueline nicht allein zu lassen. Aber irgendwann blieb er ganz im Möbelwagen: „Ich wusste, wenn ich nicht frühzeitig­ von ihr wegging, würde ich mein ganzes Leben lang Blechschweißer in einer Fabrik sein. Ich musste mich zwischen meiner Ehe und der Band entscheiden.“

Wie immer, wenn Roger vor einer Herzensentscheidung für oder gegen die Band stand, traf er die Wahl, auch wenn sie noch so schwer fiel, für die Band.

Doug hingegen distanzierte sich zunehmend von der Gruppe. Es wirkte beinahe so, als benützte er seine schwangere Frau als Vorwand, um möglichst wenig Zeit mit der Band verbringen zu müssen. Lillian Sandom hasste The Who und speziell Pete, der sich ihr gegenüber wenig galant verhielt. Hinzu kam, dass sich Doug wesentlich vom neuen Publikum unterschied, das viel jünger war, andere Klamotten trug als er, Pillen schluckte, sich mit Rockern prügelte, aufgedonnerte Motorroller fuhr und seltsam autistische Tänze vor der Bühne zelebrierte – Pete und John hingegen fanden das alles recht aufregend.

Doug hatte sich aber auch musikalisch von der Band entfernt – oder eher sie sich von ihm, denn mit dem neuen R&B-Material kam er nicht zurecht: „Sie ­fingen­ an, diesen ewigen Rauf-und-runter-Blues zu spielen, und ich hasste das.“

Als Sponsor und Manager Helmut Gordon aus einem zufälligen Gespräch Dougs wahres Alter heraushörte, erhöhte sich der Druck auf den Schlagzeuger. Gordon hatte ehrgeizige Pläne mit der Band, und ein Drummer in den Dreißigern passte ihm gar nicht ins Konzept. Beharrlich war Gordon daran gegangen, seine Kontakte für die Gruppe nutzbar zu machen. Er arrangierte einen Auftritt im repräsentativen Stork Club, wo er sie einflussreichen Musikagenten und Impresarios vorstellte, unter anderem Arthur Howes, der als Tourpromoter mit den Beatles in Verbindung stand und eine gemeinsame Herbsttournee in Aussicht stellte.

Weiterhin suchte Gordon, der Mann mit der Glatze, regelmäßig den Szenefriseur Jack Marks in der Edgware Road auf, dem man beste Beziehungen zu einigen­ Großen im Musikbusiness nachsagte. Einer seiner Kunden war der ­Produzent Tony Hatch, der erfolgreich unter anderem mit Petula Clark und den Searchers arbeitete; ein anderer war Chris Parmeinter, der als Talentsucher für das Plattenlabel Fontana besonders interessant wirkte. Jack, der Friseur, schwärmte­ dem jungen A&R-Mann von jener sagenhaften Band namens The Who so lange vor, bis Parmeinter zu einem Auftritt ins Oldfield Hotel kam – und sichtlich beeindruckt war. Nur nicht von ihrem Drummer.

Es ist nicht ganz klar, ob Gordon schon im Vorfeld gegen Doug intrigiert hatte; denn als die Band zu einem regulären Vorspieltermin auftauchte, den Gordon mit Parmeinter am 9. April in einem obskuren Restaurant in der Edgware Road vereinbart hatte, das „Zanzibar“ hieß und rundum mit Bambus ausgestattet war, kam es Doug vor, als habe der Produzent ihn augenblicks aufs Korn genommen: „Er wollte mich nicht mal mein eigenes Schlagzeug aufbauen lassen, sondern bestand darauf, dass ich ein altes Kit benutzte, das dort herumstand.“

Parmeinter machte sich anschließend über den empörten Drummer lustig, und Pete war begeistert. Der Talentsucher hatte ihm soeben versichert, dass er toll im Fernsehen wirken werde, weil er so groß und dünn war.

Doug fühlte sich allein gelassen. Die Band spielte drei Nummern, die Parmeinter für eine mögliche Single ins Auge gefasst hatte; eine Coverversion von „Here ’Tis“ kam seinen Vorstellungen offenbar am nächsten. Abschließend gab der gottgleiche Abgesandte der Plattenindustrie unmissverständlich kund, dass der Drummer aussortiert werden müsste, wenn die Band tatsächlich vorhabe, mit ihm ins Aufnahmestudio zu gehen. Vermutlich hatte er damit recht. Man muss aber leider­ festhalten, dass Pete aus lauter Angst, die lang ersehnte Chance zur Platten­aufnahme­ zu verlieren, jede Solidarität und Rücksichtnahme fallen ließ und den bemitleidenswerten Doug zusätzlich runtermachte. Angeblich schnauzte der hochfahrende Kunststudent in Richtung Sandom: „Reiß dich zusammen. Was ist los mit dir? Wenn du’s nicht hinkriegst, fliegst du aus der Gruppe!“

Doug war erst schweigsam und wehrte sich nicht, als konnte er die unfassbare­ Reaktion seines Kollegen kaum glauben. Es war nicht lange her, da hatten sie vor einem Promoter in Willesden gespielt, der sie für eine ganze Serie von Auftritten buchen wollte – unter der Voraussetzung, dass der ihm unsympathische, ungelenke Gitarrist gefeuert wurde; aber Doug hatte sofort erklärt: „Alle oder keinen!“

Doug zog sich einige Minuten zurück. Vermutlich überdachte er noch einmal, was er verlor, wenn er jetzt aufgab. Roger und John kamen zu ihm und versicherten ihm ihren Rückhalt, jeder wisse doch um Petes scharfes Mundwerk, er solle den langen Lästerer nicht so ernst nehmen, sie würden ihn nicht fallen lassen.

Aber Doug brach sein Schweigen nur, um seinen Ausstieg zu verkünden. Sofort. Er ließ sich auch von John und Roger nicht mehr beschwatzen. Sie wollten ihn halten, schon weil feste Termine anstanden; doch Doug war klar, dass er nicht mehr in die Band passte. Vor einiger Zeit hatte Manager Gordon einen weiteren Experten und Insider angeschleppt, den PR-Berater Peter Meaden, der so ferne Vorstellungen von Image und der künftigen Strategie umriss, dass Doug sich wie auf einem fremden Planeten gefühlt hatte. – Nein, Townshends Charakter­losigkeit war nur der letzte, wenngleich ein schmerzhaft glühender Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Das einzige Zugeständnis, zu dem Doug noch bereit war, betraf den Zeitpunkt seines Abgangs. Am Abend hatten sie noch einen weiteren wichtigen Termin im Studio S2 der BBC, wo sie für das Unterhaltungsprogramm angehört werden sollten, unter ihrem früheren Bandnamen The Detours übrigens, was eine Reihe von Missverständnissen nach sich zog.

Darüber hinaus gab es noch eine Reihe von Auftrittsverpflichtungen, die der gutmütige Sandom zu erfüllen versprach, bis ein Nachfolger gefunden war. Dougs letzter offiziell erfasster Auftritt war am 13. April 1964 im 100 Club in der Oxford Street, und es ist nichts weiter darüber bekannt, als dass Pete ihm sagte, er habe jemanden, der seinen Platz einnehmen könnte; aber derjenige besäße kein Schlagzeug – ob Doug der Band wohl sein Kit ausleihen würde?

„Und ich Blödmann sagte: ‚Ja, klar, kein Problem‘“, erzählt Doug.

Es waren für vierzehn Jahre die letzten Worte, die er mit seinem ehemaligen Kollegen Pete Townshend wechselte.

The Who - Maximum Rock I

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