Читать книгу The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart - Страница 8
Оглавление3.: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Die Geburt einer musikalischen Spürnase
„Cliff! Es ist ein Junge!“
Unbekannter Kradmelder, der Cliff Townshend die Geburt seines Sohns verkündet
Im Sommer 1944, als Harry Daltrey aus England abkommandiert und Irene samt Baby nach Schottland evakuiert wurden, hatte man im Swinging London trotz allem das Feiern nicht verlernt. Die Armee unterhielt ihre Soldaten mit populären Big Bands im Stil von Benny Goodman oder mit Varieté-Shows der beliebtesten britischen Unterhaltungskünstler.
Betty Vera Dennis, eine schlanke, groß gewachsene Sängerin, produzierte im Auftrag der Royal Air Force Radiosendungen, mit dem ebenfalls sehr angesehenen Sydney Torch Orchestra. Eines Tages erhielt sie einen dringenden Anruf. Der Entertainer Lesley Douglas, der sie in einer Show gesehen hatte, fragte Betty, ob sie für die erkrankte Sängerin seiner eigenen Band einspringen könne. „Ich glaube, es war in Bristol“, erinnert sich Betty. „Ich sagte zu und traf Cliff.“
Cliff hieß mit Nachnamen Townshend und war den Musikfreunden im britischen Empire kein Unbekannter. Schon vor dem Krieg hatte der talentierte Saxofonist in den Londoner Jazzklubs aufgespielt. Als mit dem Krieg überall in Europa vielköpfige Big Bands entstanden, baute die königliche Luftwaffe eine eigene Unterhaltungskapelle auf, das RAF Dance Orchestra. Einer ihrer besten Musiker war Cliff Townshend am Altsaxofon. „Auch Betty war sehr gut“, meinte Cliff rückblickend. „Ich hätte sie niemals geheiratet, wenn sie nicht gut gewesen wäre.“
Beide Bands, das RAF Dance Orchestra und das Sydney Torch Orchestra, waren in London stationiert. Betty, damals vierundzwanzig, und der drei Jahre ältere Cliff entwickelten eine stürmische Beziehung. Musik spielte darin eine wesentliche Rolle. Schon ihre Eltern hatten mit einer professionellen Musikerkarriere geliebäugelt. Cliffs Vater hatte als versierter Flötist vor dem Krieg Konzerte gegeben und war fast schon ein Berufsmusiker gewesen; seine Mutter hatte in Kabaretts gesungen, auch Bettys Vater galt als guter Sänger.
Am 19. Mai 1945, der Krieg war erst seit wenigen Tagen beendet, hatte Cliffs Orchester einen öffentlichen Auftritt, um die martialische Siegesrede eines Luftwaffenkommandeurs zu begleiten. Mitten in der Ansprache brauste ein Motorrad heran. Alle rechneten damit, dass dem Kommandeur eine wichtige Botschaft ans Mikrofon gereicht wurde; doch der Kradmelder schlitterte den Bühnenrand entlang, stoppte vor dem Orchester und verkündete in Richtung Bühne: „Es ist ein Junge, Cliff!“
Peter Dennis Blandford Townshend, wie der theatralisch angekündigte Knabe von den stolzen Eltern in voller Länge getauft wurde, sollte sein ganzes Leben im Licht und Schatten jener Bühnenwelt zubringen, die zu seiner Geburt applaudierte. Wie ein Musenbringer aus dem Olymp war der Kradmelder vor dem Orchester des Vaters erschienen, die Ankunft eines künftigen Musikheroen vor erwartungsvollen Zunftbrüdern ausrufend – ein herrliches, ein anekdotisches Bild, das dem Leben Peter Townshends eine durchgehende Linie zuweist.
Ohne das musikalische Erbe und die Tradition seiner Eltern wären die Errungenschaften, die Pete Townshend und The Who in die Geschichte der Rockmusik eingebracht haben, nicht möglich gewesen. Was die Eltern ihm in die Wiege legten, entwickelte der Sohn auf höchst eigenständige Weise weiter und brachte es mit einer Schar Gleichgesinnter zur Entfaltung. Dass ihm seine schon als Baby prägnante Nase dabei im Weg stand, war indessen ein Irrtum, dem selbst der Besitzer des beachtlichen Riechorgans jahrzehntelang beharrlich aufsaß.