Читать книгу Basislehrbuch Kriminalistik - Christoph Keller, Bijan Nowrousian - Страница 21
II.Logische Aspekte beim kriminalistischen Denken
ОглавлениеDas kriminalistische Denken ist mindestens auch logisches Denken: ableiten, deduzieren, logisch schließen, folgern, beweisen. Da logisches Denken eine der grundlegenden Methoden für die Daten- und Informationsauswertung sowie für die Hypothesenbildung ist, nimmt es dementsprechend einen breiten Raum innerhalb des kriminalistischen Denkens ein.74 Die Anwendung der Logik dient somit der Wahrheitsfindung im Ermittlungsverfahren. Der logisch denkende Kriminalist bedient sich bestimmter logischer Operationen. Im Einzelnen sind das:
•Deduktion,
•Induktion,
•Analogie.
Induktives Denken liegt vor, wenn der Kriminalist, ausgehend von einem bestimmten Informationspotenzial, auf einen Tathergang, eine konkretisierbare Begehungsweise schließt und sich so ein erstes Modell vom Ereignis schafft. Deduktives Denken liegt vor, wenn der Kriminalist von diesem ersten Modell (mit Wahrscheinlichkeitscharakter) ausgeht und auf weitere Spuren schließt. Er überprüft also Folgerungen, die sich aus dem Arbeitsmodell ergeben.75
Beispiel:76 Bei der Untersuchung eines Einbruchsdiebstahls wird zunächst festgestellt, dass ein (oder mehrere) Täter gewaltsam einen Seiteneingang des Geschäftes geöffnet, mehrere optische Geräte entwendet und das Objekt wieder auf dem Zugangsweg verlassen haben. Erst die operative Spurenauswertung führte durch den Hinweis, dass die Tür von innen geöffnet worden war, zu einer entscheidenden Präzisierung des Modells. Begründet war anzunehmen, dass sich der Täter hatte einschließen lassen. Der deduktive Schluss aus der Tatsache, dass er sich einige Zeit an einem für seine Zwecke günstigen Ort aufgehalten haben musste, führte zur Feststellung von weiteren Spuren, vor allem im Mikrobereich, in einem kleinen Nebenraum, die entscheidend zur Ermittlung des Täters beitrugen.
Die Analogie ist eine Schlussweise, bei der aufgrund der Übereinstimmung einiger Merkmale zweier Dinge auf die Übereinstimmung anderer bzw. aller Merkmale geschlossen wird. In der Praxis der Straftatenverfolgung erfordern Analogien ein Denken, bei dem aufgrund der Ähnlichkeit zwischen zwei oder mehreren Objekten (Erscheinungen) in Bezug auf gewisse Merkmale auf die wahrscheinliche Ähnlichkeit der Objekte (Erscheinungen) in Bezug auf weitere Merkmale geschlossen wird. So kann man Anhand eines Analogieschlusses im Rahmen der kriminalistischen Lagebeurteilung aufgrund der Zielsetzung der Straftat Erkenntnisse zum Motiv gewinnen. Grundlage dafür ist, dass aus der Ähnlichkeit bestimmter Straftaten ähnliche Motive abgeleitet werden können.77
Da Aussagen und logische Überlegungen selten für sich alleinstehen, sondern in Beziehungen zueinander gestellt werden, sind auch Aussageverknüpfungen
•Konjunktion,
•Negation und
•Alternative
einzubeziehen.78
Die Konjunktion (lat. Verbindung, „und“) ist eine Verknüpfung, die genau dann wahr ist, wenn sämtliche miteinander kombinierten Elemente wahr sind. Besteht der zu untersuchende Sachverhalt aus mehreren wahren Teilsachverhalten, ist somit der gesamte Geschehensablauf wahr. Ist nur ein Teilsachverhalt falsch, so ist folglich der gesamte (beobachtete) Geschehensablauf falsch.79
Beispiel:80 Zur Person des Täters liegen folgende Merkmalsausprägungen vor, die eine Identifizierung aus einem konkret überschaubaren Täterkreis ermöglichen:
•Geschlecht männlich
•ca. 175 bis 181 cm groß
•ca. 20 bis 25 Jahre alt
•besonderes Merkmal: Tätowierung am rechten Unterarm
•Bekleidung, kurzes Hemd (grün), schwarze Jeans, schwarze Schuhe.
Sind alle Ausprägungen richtig beobachtet, dann ist Aussage richtig, ist eine falsch, ist die gesamte Aussage falsch.
Negation (lat. Verneinung, „nicht“) bedeutet, dass aus einer Aussage mit einem bestimmten Wahrheitsgehalt eine Aussage mit entgegengesetztem Wahrheitsgehalt gebildet wird. Wie die Konjunktion hat die Negation ihre praktische Bedeutung insbesondere bei Personenbeschreibungen. Durch Fragen nach Umständen bzw. Merkmalen, die der Täter nicht hatte, lässt sich mit der Negation der Täter besser beschreiben und damit auch erfolgreicher eingrenzen.81
Bei einer Alternative hat man die Wahl zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten. Die Alternative („oder“) widerspiegelt die Existenz zweier verschiedener Möglichkeiten. Alternative Aussagen dienen dazu, eine von mehreren möglichen Aussagen als richtige Aussage anzubieten. Als Beispiel soll wieder die Personenbeschreibung dienen.
Beispiel:82 Nicht selten werden Täter hinsichtlich ihrer Größe danach beschrieben, wie groß man selbst ist. Beobachtet ein 182 cm großer Zeuge z.B. einen Bankräuber, und trifft dieser eine Größenaussage von 180 – 185 cm aufgrund der Tatsache, dass er genau vor ihm stand, so ist letztendlich eine genaue Größenaussage nicht möglich und mehrere Alternativen sind denkbar. Demnach kann der Täter 180 cm oder 181 cm oder 182 cm bis 185 cm oder 185 cm groß gewesen sein.
Grundsätzlich gilt sowohl für den Kriminalisten als auch für das Gericht die Bindung an die Gesetze des Denkens und an Aussagen, die sich auf Erfahrungstatsachen beziehen.83. Überdies sind im Rahmen der Beweisführung entsprechende Tatsachenbehauptungen zu benennen und zu würdigen. Zu den obersten Denkgesetzen gehören folgende:84
•der Satz von der Identität besagt, dass jeder Gegenstand nur mit sich selbst identisch ist. Daraus folgt, dass ein Begriff genau definiert sein muss, damit auch immer das Gleiche gemeint ist. Er darf demzufolge nicht anders ausgelegt werden.
•Der Satz vom Widerspruch bedeutet, dass zwei im Widerspruch zueinanderstehende Sätze/Aussagen nicht beide wahr sein können. Es handelt sich um einen sogenannten kontradiktorischen Widerspruch.
•Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten meint – ausgehend vom kontradiktorischen Widerspruch –, dass eine Aussage notwendigerweise richtig oder falsch ist. Somit scheidet eine dritte Aussage aus.
•Der Satz vom zureichenden Grunde beinhaltet, dass jedes Urteil, um wahr zu sein, einen zureichenden Grund haben und somit vernünftig erklärbar sein muss. Dieses Denkgesetz umfasst sowohl das Gesetz der Kausalität als auch das Gesetz der Motivation.