Читать книгу Basislehrbuch Kriminalistik - Christoph Keller, Bijan Nowrousian - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеDie Entstehung des Begriffs „Kriminalistik“ – abgeleitet von dem lateinischen Wortstamm crimen (= Verbrechen) wird auf Hans Gross (1847-1915, Graz) zurückgeführt. Während die von Conan Doyle gegen Ende des 19. Jahrhunderts in England erschaffene Romanfigur Sherlock Holmes Kriminalfälle primär durch die Kunst der logischen Schlussfolgerung („method of deduction“) löste und naturwissenschaftliche Methoden bei der Spurensuche (Blutspritzer, Fußabdrücke etc.) zur Anwendung brachte, war Gross in Österreich rastlos tätig, in der harten Realität der Praxis Stein für Stein der Grundlagen der modernen Kriminalistik zusammenzutragen. Er erkennt etwa die große Bedeutung der damals erstmals zur Anwendung gelangten Röntgenstrahlen für die Untersuchungskunde. 1893 erscheint sein Werk „Handbuch für Untersuchungsrichter“. Gross gelingt es, ein „System der Kriminalistik“ zu schaffen und aus ihr eine „Wissenschaft“ zu machen. 1912 erlebt Gross die Genugtuung, dass an der Universität das „K. k. Kriminalistische Institut“ (später „Kriminologisches Institut“) gegründet wird. Es ist das erste und damals einzige seiner Art, jedenfalls im deutschsprachigen Raum. Dadurch hat die Kriminologie (und mit ihr die Kriminalistik) endlich Heimatrecht an der Universität gewonnen. Sie ist salonfähig geworden.
In der Bundesrepublik Deutschland wird heute die Kriminalistik überwiegend als selbständige interdisziplinäre Wissenschaft innerhalb eines Systems der Kriminalwissenschaften gesehen. Wissenschaft und Lehre der Kriminalistik haben sich an den Fachhochschulen für die öffentliche Verwaltung (FHöV) bzw. den Polizeiakademien und an der DHPol längst etabliert. Innerhalb der Curricula für das Studium an Fachhochschulen bzw. Polizeiakademien zählt das Studienfach Kriminalistik zu den sogenannten Kernfächern. Gesondert wird zwar zuweilen das Fach Kriminaltechnik ausgewiesen, dieses Wissensgebiet ist nach allgemein anerkannter Meinung aber der Kriminalistik zugeordnet.
Das vorliegende Handbuch der Kriminalistik bietet eine Einführung in die Grundlagen der Kriminalistik und führt ausführlich in ausgewählte kriminalistische Themen ein. Das Handbuch ist sowohl für die kriminalistische Aus- und Fortbildung als auch für die Verwendung in der polizeilichen Praxis konzipiert. Dabei kann das Werk nicht die Absicht verfolgen, die gesamte kriminalistische Binnenstruktur widerspiegeln zu wollen. Insofern können nicht alle Einzelthemen der speziellen Kriminalistik behandelt werden. Herausgeber und Verlag haben sich auf die Darstellung der wesentlichen polizeilichen und kriminalistischen Tätigkeitsfelder beschränkt, die bei der Untersuchung von Straftaten von besonderer Bedeutung sind. Grundlage sind einerseits die „typischen“ klassischen kriminalistischen Themen (Einbruch, Raub, Brand, Sexualdelikte, Todesermittlungen usw.), aber auch neue („Cybercrime“) bzw. aktuelle Phänomene („Islamistischer Terrorismus“; „Reichsbürger und Selbstverwalter“; „Rockerkriminalität“). Behandelt wird in diesem Kontext grundlegendes Wissen über kriminalistische Fragestellungen, überdies wird auf die für die vollzugspolizeiliche Praxis besonders relevanten strafprozessualen Fragestellungen eingegangen. Zulässigkeit und Grenzen polizeilicher Ermittlungstätigkeit werden anhand von Beispielsfällen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung dargestellt (z.B. „Legendierte Kontrollen“).
Das vorliegende Handbuch gliedert sich in 20 Kapitel, die unter Berücksichtigung der Lehrinhalte an den Fachhochschulen der Länder und des Bundes bzw. der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) sowie praktischen Bedürfnissen der polizeilichen Kriminalitätsbekämpfung und -sachbearbeitung ausgewählt wurden. Die Kapitel sind jeweils mit umfangreichen Literaturhinweisen versehen und ermöglichen ein Vertiefen der entsprechenden Thematik. Zum besseren Verständnis ergänzen Beispiele und Lösungshinweise die einzelnen Kapitel. Die Fallbeispiele sind auf den polizeilichen Alltag ausgerichtet. Insofern vermag das Buch entsprechende Hilfestellungen für Selbststudium, Aus- und Fortbildung und Praxis geben. Klausurmäßige Fallbeispiele in Form von „Musterlösungen“ zu einzelnen Kapiteln geben insbesondere Studierenden an Fachhochschulen wertvolle Anregungen. Einzelne Checklisten erleichtern das kriminalistische/strafprozessuale Vorgehen im Einzelfall (z.B. „Checkliste Festnahme“).
Das Buch wendet sich an Polizei(vollzugs-)beamte und sonstige Beamte mit Strafverfolgungsaufgaben in der Aus- und Fortbildung vom mittleren bis zum höheren Dienst sowie Praktiker und sonst an der Kriminalistik interessierte Personen. Es soll den Leser in die Lage versetzen, kriminalistische und strafprozessuale Begriffe und Wissenswertes rund um die Verbrechensbekämpfung schnell zu lernen bzw. sich wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Dieses Praxiswissen dürfte nicht nur zur Vorbereitung von Ermittlungshandlungen, sondern auch als Hilfsmittel zur Vorbereitung auf Prüfungen und Klausuren eine wertvolle Hilfe sein. Mit diesem Handbuch der Kriminalistik ist somit ein Nachschlage- und Übungswerk entstanden, in dem wesentliche Tatsachen der Kriminalistik zu spezifischen Themen aufbereitet worden sind. Es richtet sich somit nicht nur an Kriminalisten, sondern letztlich an alle im Polizeidienst tätigen Personen, die mit kriminalistischen Fragestellungen zu tun haben.
Die Kriminalistik unterliegt einem stetigen Wandel. Manches, was für den Untersuchungsrichter und Wissenschaftler Hans Gross ein Zukunftstraum war, ist heute Wissen von gestern. Die Dynamisierung des Wissenszuwachses wird von Praxis und Wissenschaft getragen. Es ist daher naheliegend, dass in dem Handbuch sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler gleichermaßen zu Wort kommen. Auch wenn – trotz des Umfangs des Handbuchs – nicht alle Facetten kriminalistischer Arbeit vollends dargestellt werden konnten, hat der Herausgeber bestimmte Tätigkeitsfelder durch Beiträge besonders kompetenter Praktiker und Wissenschaftler darstellen lassen und bestimmte Inhalte durch langjährige Kriminalisten „gegenlesen“ lassen.
An dem Handbuch haben folgende Autoren mitgearbeitet:
Prof. Dr. Frank Braun: | Die Organisation der Verbrechensbekämpfung |
Prof. Dr. Bijan Nowrousian: | Das strafprozessuale Ermittlungsverfahren; Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht; Legendierte Kontrollen |
EKHK Martin Kirchhoff, M.A.: | Sexualstraftaten; Brandermittlungen |
Reinhard Mokros, M.A.: | Internationale kriminalpolizeiliche Ermittlungen. |
Die Zusammenarbeit mit den Autoren war problemlos und von hoher Kooperationsbereitschaft geprägt. Dafür danke ich herzlich.
Für die fachliche Beratung aus Sicht der kriminalistischen Praxis danke ich
Herrn KHK Dr. Frank Kawelovski, M.A.: | Fahndung |
Herrn KOR Stefan Mühlbauer: | Rauschgiftkriminalität und Organisierte Kriminalität |
Herrn EKHK Peter Niehoff: | Cybercrime |
Herrn EKHK Frank Steinbild: | Todesermittlungen. |
Für Auslassungen und Ungenauigkeiten stehe ich ein und bin für Hinweise darauf dankbar. (Ckeller2002@t-online.de)
Christoph Keller
Mettingen, August 2019