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Die Schwester (43)

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Erstaunlich ist, was sich soeben zugetragen hat. Man sollte nicht glauben, dass man eine Schwester dreizehn Jahre lang in unmittelbarer Nähe hat, und sich dann so täuschen kann, wie es mir jetzt passierte. Schrieb ich also einen Brief an Thomas Fritsch, beklagte meine Schwester, die in ihn verknallt sei und bat ihn, ihr doch einen Brief zu schicken. Sie würde sonst sicherlich erkranken. Ich marschierte dann, stolz auf mein Werk, ins Wohnzimmer, wo meine Schwester am Fernseher saß, und verlangte eine Briefmarke. Wie erwartet hatte meine Schwester keine. Also musste ich auf den Markenvorrat der Eltern zurückgreifen, da ich keine passenden Geldstücke für den Briefmarkenautomaten hatte. Die Eltern waren übrigens im Theater, die Oma in Maxdorf. Ich legte meinen Brief wie absichtslos im Flur ab, so dass ihn meine Schwester sehen musste und verzog mich, als ob ich ihn vergessen hätte, in die Küche. Die Fernsehsendung, die sich meine Schwester ansah, ging zu Ende. Sie schaltete den Apparat aus, löschte das Licht und fand auf dem Weg zu ihrem Zimmer den Brief. Offenbar hatte sie ihn gelesen, denn er steckte danach umgekehrt im Kuvert. Als ich hörte, dass meine Schwester die Treppen hinaufging, schlich ich in den Flur, um zu prüfen, ob mein Versuch Erfolg gehabt hatte. Meine Schwester war bereits in ihrem Zimmer verschwunden. Ich nahm meinen Brief, enttäuscht über das Ausbleiben einer Reaktion und tat, als ginge ich zum Briefkasten. Nach angemessener Zeit kehrte ich zurück. Meine Schwester saß im Wohnzimmer und suchte Pflaster für die Blasen an ihren Händen. Sie hatte sich die Blasen beim Tennisspielen zugezogen. Ich gab ihr, was sie brauchte, erwartete, dass sie den Brief erwähnen würde. Nichts geschah. Kein Wort fiel über den Brief. ihr Blick ließ weder Verärgerung noch Belustigung erkennen. Aus diesen Mädchen soll doch einer schlau werden. Bisweilen sind die oberflächlichsten Wesen, die man sich vorstellen kann, man denke nur an ihre Verehrung von Filmhelden, die Besessenheit mit ihrem Teint. Und doch sind sie andererseits hintergründig veranlagt und leicht verletzlich. Ich möchte wetten, dass der Brief meine Schwester berührt hat, wahrscheinlich sogar ziemlich heftig, und doch lässt sie sich nichts anmerken. Auf alle Fälle werde ich nun ein wachsames Auge auf sie haben und jedes Wort, das ich sage, sorgfältig erwägen. Ich werde versuchen, diesem Wesen als charmanter kluger großer Bruder zu erscheinen.

Vielleicht wird das mich der Lösung meines Problems mit Dorothe näherbringen.


Elf Seiten heute geschrieben. Das ist ein Rekord.

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