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Nacht, Zustände (53)
ОглавлениеDu bist frei. Das Meer steht dir offen. Dein Messer bricht dir Bahn durch jedes Dickicht. Zieh fort mit den Vögeln. Kreise mit dem Geier um steile Felsen oder schrei mit den Möwen. Du bist frei, verschollen. Dein Grabstein ist zerbrochen. Ein Schädel und ein paar Knochen, das ist von dir übrig.
Du bist frei aber in Ketten. Du bist der Sklave deiner Freiheit und womöglich verdammt. Schau in den Spiegel und erschrick. Schau nicht in dein Herz.
Nacht sank zur Erde herab. Die Menschen fingen an zu taumeln. Sie starrten in die Dunkelheit und vergaßen den Sinn, irrten im Nebel, verfehlten die eine Tür.
Sucht die Kerze und zündet sie an. Kehrt zurück in eure Stuben, ertrinkt in den Augen eures Gegenübers und vergesst die, die draußen frieren. Einen Lichtstrahl aber lasst heraus aus euren Fenstern, um die Nachtfalter anzulocken. Sie prallen gegen eure Scheiben, schwirren und taumeln.
Die draußen durch die Nacht irren. Ihr holt sie nicht ein.
Mein Zustand hat sich in der letzten Stunde gebessert. Eine Stunde lag ich, ohne zu denken, atmete Klänge von Bach und Sibelius ein. Langsam wich der Druck. Ein Blick in das Neue Testament und ein Song der Beatles brachten mich wieder ins Leben zurück. Diese jetzt so halb überstandene Krise (übrigens schon die zweite heute) zeigt eines ganz deutlich. Es ist unmöglich, jeden Tag brav in die Schule zu gehen, aufmerksam am Unterricht teilzunehmen, zu lernen, Geige zu üben, und was an ähnlichen Beschäftigungen anliegt, wenn man nicht immer wieder die eigenen Batterien auflädt, wenn man sich nicht täglich rückbesinnt auf den Gott, in dem alles gründet. Die Folgen, die aus dem heutigen Tag zu ziehen sind, sind eindeutig. Jeden Tag eine Stunde oder zwei halbe Stunden, in denen ich Musik höre, schreibe, träume, oder meinen ausgeleierten Körper trainiere. Mir fällt kein anderer Weg ein, Ruhe zu finden.