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Antisemitismus

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Als ein regelrechtes Weltdeutungsmuster fungiert der Antisemitismus im rechtsextremen Lager. Die Schuld an Störungen der eigentlich harmonischen und natürlichen Ordnung sei nach Ansicht von Rechtsextremen im verdammenswerten Tun von Feinden zu suchen, die aus Herrsch- und Profitsucht Volk und Nation angriffen und auflösen wollten. Durch die Geschichte rechtsextremer Politik ziehen sich Erzählungen über solche volksfeindlichen Elemente, die im Geheimen handelten – rechtsextremes Denken neigt zum Glauben an Verschwörungen. Klassischer Ausdruck hiervon ist der Antisemitismus. Jüdinnen und Juden wird eine ganze Reihe von (sich teils widersprechenden) Eigenschaften zugeschrieben, durch die sie als besondere Erscheinung qualifiziert werden: ort- und wurzellos, materialistisch und gierig, egoistisch, als verschworene Gemeinschaft, als mächtig und verstohlen, künstlich und intellektuell, mal als Religion, mal als eigene Abstammungsgemeinschaft auftretend, dazu arrogant, weil sie sich für auserwählt und für das Volk Gottes hielten. Im Judentum wären letztlich die Strippenzieher auszumachen, die das Fortkommen der Nation hinderten und ihre Zerstörung verursachten. Sie seien die steuernde Macht hinter den Verwerfungen der Welt und schuld an Kriegen oder an den negativen Auswirkungen des Kapitalismus. Internationalismus oder Kommunismus, aber auch liberale Gesellschaftsvorstellungen und der »Verfall« von Werten und Moral gingen auf ihr geheimes, auf Spaltung und Destruktion zielendes Wirken zurück. Sei es das Bild des »Bolschewismus«, das die Nazis verbreiteten, die Anklagen gegen die Kritische Theorie der Frankfurter Schule oder jüngst die Anwürfe gegen den Holocaustüberlebenden und Philanthropen George Soros – in den Kampagnen der extremen Rechten tauchen regelmäßig jüdische oder als jüdisch markierte und so zu denkende Feindbilder auf.

Antisemitische Denkfiguren sind aus der politischen Praxis der extremen Rechten also kaum wegzudenken. Allerdings hat sich der Modus der Präsentation des Antisemitismus nach dem Massenmord des Holocaust verschoben und ist seitdem weiteren konjunkturellen Änderungen unterworfen gewesen: die Abwehr und Relativierung der deutschen Schuld und die Agitation gegen den Staat Israel als eigentlichen Profiteur des Holocausts sind hinzugetreten (»sekundärer Antisemitismus«).

Viele Rechtextreme vertreten einen offenen Antisemitismus, gängiger sind aber eine Kommunikation über Umwege und die Kodierung antisemitischer Topoi geworden. Entschädigungsleistungen und die Erinnerung an den Holocaust werden als ungerechtfertigte Bevorteilung von Jüdinnen und Juden, als Ausdruck von Schwäche und Selbstkasteiung und als anti-deutsch abgelehnt; Judenfeindschaft wird als Antizionismus oder als Kritik am Handeln des Staates Israel dargestellt. Wie zentral die antisemitischen Anteile im Denkgebäude von Rechtsextremen stehen, hängt indes vom jeweiligen Spektrum ab. In der AfD sind klassische und radikale Antisemitinnen und Antisemiten anzutreffen, die Partei als Ganzes stellt sich jedoch als israelfreundlich dar. Im antimuslimischen Rassismus ist durchaus ein antisemitisch strukturiertes Verschwörungsdenken gängig, doch werden Jüdinnen und Juden teilweise als Bündnispartner im Kampf gegen den Islam angesprochen oder bestimmte politische Forderungen und Maßnahmen der israelischen Rechten begrüßt.

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