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Im internationalen Kontext

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In diesem Buch wird der Rechtsextremismus in Deutschland in den Blick genommen, also die Erscheinungen, die geschichtlich gesehen im radikalen, rechten Nationalismus Deutschlands verwurzelt sind und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte agieren. Gleichwohl gilt: Rechtsextreme Ideologie ist mit jeweils eigenen nationalen Spezifika ausgestattet, hat aber weltweite Verbreitung, und die Organisationen sind europaweit und stellenweise global vernetzt.

Internationale neofaschistische Bewegungen, besonders in Ländern, die mit dem historischen Nationalsozialismus verbündet waren oder starke pro-nationalsozialistische Vorläufer hatten, beziehen sich in der Regel positiv auf Deutschland und den deutschen Rechtsextremismus. Anderswo ist das Deutschlandbild ambivalenter und von geschichtlichen Belastungen geprägt, da sich die jeweiligen nationalistischen Interessen von denen des deutschen Rechtsextremismus unterscheiden. Manche Rechtsextreme in der Tschechischen Republik, in Polen oder Italien misstrauen ihrer politischen Verwandtschaft in Deutschland, da sie den dort anzutreffenden großdeutschen Grenzrevisionismus ablehnen müssen. Mit der Globalisierung hat sich jedoch auch der Rechtsextremismus globalisiert.

Durch Globalisierung und das Internet haben sich die transnationale Vernetzung und die Zusammenarbeit in Kampagnen vereinfacht und dynamisiert. So stark wie aktuell haben internationale autoritäre und rechtsextreme Bewegungen wohl noch nie kooperiert und sich gegenseitig beeinflusst. Im Stil ihrer Internetkommunikation und im Einsatz von Desinformationskampagnen fallen internationale Ähnlichkeiten auf. So wie radikale Republikaner-Anhängerinnen und -Anhänger in den USA nachweislos Wahlmanipulationen zuungunsten Donald Trumps anprangerten, versuchen auch AfD-nahe Vereine Misstrauen gegen die Legitimität von Wahlen in Deutschland zu säen. In ihrer Ablehnung des »Globalismus« sind sich Rechtsextreme global einig. Und in vielen Ländern versuchen sie gleichermaßen, kulturkämpferisch Gegensätze zwischen dem kosmopolitischen Leben der »anywheres« in Metropolen und dem Leben von bodenständig-verwurzelten »somewheres« herauszustellen, zu befeuern und in politisches Kapital zu verwandeln.

Rechtsextreme Europakonzeptionen lassen internationale Kooperationen von radikalen nationalistischen Kräften auf dem Kontinent, die auf den ersten Blick widersprüchlich wirken, ohnehin zu. Auch der Rassismus dieses Lagers hat sich flexibel gezeigt. Die Einschätzung, dass eine Islamisierung Europas und eine Überflutung des Kontinents bzw. der christlichen Welt mit »Kulturfremden« drohe, eint internationale rechtsextreme Bewegungen und hat ihre Zusammenarbeit im »Counter Jihad« ermöglicht. Deutsche und osteuropäische Neonazis sehen über den mörderischen historischen Antislawismus der Nazis hinweg und betonen ihre »rassische« Ähnlichkeit: »Nie wieder Bruderkrieg« und »White Pride Worldwide«. Das auch in Deutschland aktive (wenn auch seit 2000 verbotene) Neonazi-Skinhead-Netzwerk »Blood & Honour« wurde ab Ende der 1980er-Jahre eine Vorreiterorganisation für internationale Kooperationen im Bereich rechtsextremer Subkultur.

Der Aufschwung autoritärer und rechter Politik in den letzten Jahren ist ein internationales Phänomen. Schon seit Jahrzehnten feiern die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) und der »Rassemblement National« in Frankreich (RN, vor 2018: »Front National«) Wahlerfolge. Beide Parteien waren Gründungen der extremen Rechten, formulieren ihre politischen Forderungen aber mittlerweile moderater. Ihre Anbindung zum Rechtsextremismus haben sie jedoch keineswegs gekappt und vertreten eine autoritäre, antiliberale und migrationsfeindliche Politik. »Radikal rechtspopulistische Parteien« (Cas Mudde) haben mittlerweile in fast allen europäischen Ländern an Bedeutung gewonnen, führen in Polen und Ungarn die Regierungen an und sind in weiteren an Regierungskoalitionen beteiligt. Auch die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA oder die Wahl des Rechtsextremen Jair Bolsonaro zum Staatspräsidenten Brasiliens im Jahr 2018 sind in die internationale Konjunktur von nationalistischer, autoritär-illiberaler Politik einzuordnen. Beide Staatschefs kamen bemerkenswerterweise über Parteien ins Amt, die ein zwar konservatives, aber keineswegs rechtsextremes Profil hatten. Ein für rechtsextreme Einflussnahmen und den populistischen Politikstil offener Konservatismus, das politische, rechtsevangelikale Christentum und nativistische und marktradikale Formationen hatten Trump zusammen mit rechtsextremer Unterstützung zur Macht verholfen. Das Ausmaß rechtsextremer Gewalt stieg in den USA während der Präsidentschaft Trumps sprunghaft an und die dortigen Rechtsextremen stimmten mit der nationalen Abschottungsagenda Trumps überein. Zu Recht sahen die rechtsextremen Militanten, die im Januar 2021 das Capitol stürmten, um den Machtwechsel zu verhindern, in Trump einen Verbündeten. Der Sturz der amerikanischen Demokratie misslang bekanntlich. Aber: Rechtsaußenpolitik ist ohne Frage international im Mainstream angekommen. Auch außerhalb der westlichen Welt gibt es starke rechtsautoritäre Tendenzen. In Indien stellt die fast 150 Millionen Mitglieder zählende rechte, hindunationalistische »Bharatiya Janata Party« seit 2014 mit Narendra Modi den Ministerpräsidenten. Natürlich bilden sich diese internationalen Entwicklungen auch in Deutschland ab: Die Erfolge der rechtsextrem dominierten »Alternative für Deutschland« in der Bundesrepublik sind auch als hiesiger Ausdruck rechter Mobilisierungen weltweit zu verstehen.

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