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Nationalismus

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Rechtsextremes Denken ist das Denken in starr gefassten Gemeinschaften, deren Priorität gegenüber Individuen und ihren Rechten betont wird. Als zentrale Makrokategorien von Gemeinschaften werden von Rechtsextremen »Rasse«, »Volk« und »Nation« betrachtet, die je nach Subströmung unterschiedlich gewichtet werden. Der Beschwörung dieser Großgemeinschaften kommt die Aufgabe zu, die kollektive Identität eines übergeordneten »Wir« herzustellen und zu erhalten. In der Form einer Nation erhalte das Volk einen Modus, in dem es geeint agieren und sich entfalten könne: alle Volksangehörigen trügen an den jeweils ihnen zustehenden Positionen zum gemeinsamen Wohlergehen bei. Dieser idealisierte Zustand wird von vielen Rechtsextremen als »Volksgemeinschaft« bezeichnet. Neben der integrativen Funktion nach innen soll die Nation auch nach außen wirken, also helfen, als »eigene Interessen« markierte Forderungen gegenüber anderen Nationen durchzusetzen.

Allgemein bezeichnet Nationalismus die politische Forderung nach Schaffung oder Erhaltung eines Nationalstaates und kann auch mit linken, liberalen oder religiösen Inhalten verknüpft werden. Nationalismus kann beispielsweise als Mittel zur Befreiung von Unterdrückung verstanden werden oder expansionistische und imperialistische Ziele haben. Nationen sind immer gewachsene Gebilde, also das Ergebnis historischer, menschengemachter Prozesse. Im Rechtsextremismus wird die Nation als ganzheitliche Über-Idee behandelt und als zentraler Bezugspunkt politischen Handelns überhöht. Zumeist wird die geschichtliche Nationswerdung stärker noch als in anderen politischen Richtungen mit Gründungsmythen ausgestattet.

Historisch dominierten im deutschen Nationalismus bis zur Reichsgründung 1871 liberale, national-freiheitliche Elemente. Bald begannen sich aber ein konservativ-autoritärer, illiberaler und aggressiver Reichsnationalismus und schließlich der radikal-rassistische, antisemitische und expansionistische völkische Nationalismus zu entwickeln. An diese beiden letztgenannten, anti-emanzipativen Traditionen knüpft der rechtsextreme Nationalismus an. Die Fortführung des Reichsgedankens – mit mythischen Bezügen auf die Geschichte, Blut und Boden – war für den frühen Nachkriegsrechtsextremismus ein ursprüngliches und leitendes Konzept. Eine besondere Faszination geht zudem für viele Rechtsextreme vom historischen Vorbild des Preußentums aus. Dem Reichsdenken weiter verbunden blieben auch später alt-nationalistische Formationen (wie Neonazis und Deutschnationale). Andere Rechtsextreme aktualisierten das nationalistische Vokabular und entwickelten neu-nationalistische Positionen, in denen die veränderte geopolitische Konstellation nach dem Zweiten Weltkrieg Widerhall fand.

Aufgabe von »nationaler« Politik ist es aus Sicht von Rechtsextremen, die Nation zur Blüte zu bringen und das, was ihnen als »nationale Interessen« gilt, zum Maßstab der Politik zu machen. Geschichte und Politik erscheinen Rechtsextremen als Ringen zwischen Völkern, »Rassen« und eben von Nationen. Auf der Ebene der Nationalstaaten können je nach aktuellen Erfordernissen auch Bündnisse mit anderen Nationen eingegangen werden, generell wird jedoch von einer Überlegenheit der eigenen gegenüber anderen Nationen ausgegangen (Chauvinismus). Im deutschen Rechtsextremismus wird Deutschland wenig überraschend der Anspruch auf eine führende Rolle in Europa und der Welt zugedacht.

Die Nation befindet sich nach Ansicht von Rechtsextremen in einer permanenten Krise, da sie von äußeren wie von inneren Feinden bedroht sei. Von außen kommend bedrohen andere Nationen oder Zuwanderer die eigene Nation, von innen gilt es, Angriffe durch Linke und den Feminismus, durch »schmarotzende« Gesellschaftssegmente und andere Gefährdungen abzuwehren. Bevölkerungspolitische, »rassenhygienische« und eugenische Maßnahmen zur vermeintlichen Sicherung und Aufwertung der Qualität des Volkes sind nicht selten Bestandteil rechtsextremer Ideen. Ausgegrenzt und bekämpft werden von Rechtsextremen alle, die von vornherein nicht zum nationalen »Wir« gezählt werden, und zudem auch jene, die sich den in der nationalen Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben durch abweichendes Verhalten als unwürdig erweisen (»Volksverräter«).

Deutschland, so die anhaltende Analyse des deutschen Rechtsextremismus seit 1945, sei eine durch fremde Mächte am Boden gehaltene, unterdrückte und nicht-souveräne Nation. Als geschichtliche Bezugspunkte dienen, je nach Spektrum, mystische Vorstellungen von Germanentum oder des mittelalterlichen Reiches, des Kaiserreiches oder des Nationalsozialismus, deren grundsätzliche Gesellschaftskonfiguration auf nationaler Ebene wiederhergestellt werden solle. Bei wachsender zeitlicher Distanz wird auch auf die Gesellschaft der frühen Bundesrepublik positiver Bezug genommen. Der Prozess der Globalisierung und übernationale Institutionen wie die Europäische Union oder die Vereinten Nationen werden von Rechtsextremen negativ bewertet, da in ihnen eine Gefahr für den Bestand und die Handlungsfähigkeit der Nation bzw. ein »globalistischer« Ungeist gesehen wird.

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