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Wie veränderte Münzgeld die Gesellschaft?

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Für einen Historiker macht es wenig Sinn, die Hauptzüge der Geschichte der Münzprägung zu verfolgen, ohne danach zu fragen, welche Bedeutung die Existenz von Münzprägung hatte. Münzen sind eine besonders gut verwendbare Form von Geld, aber wenn man ihre historische Bedeutung einschätzen will, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, daß sie nicht seine einzige Form sind. Geld kann in Hinblick auf seine verschiedenen Funktionen als eine Hortung von Reichtum, als Wertmaß und als Zahlungs- oder Tauschmittel definiert werden (Polanyi 1968). Bestimmte Güter, insbesondere Metalle oder Getreide, übernahmen schon lange vor Einführung der Münzprägung einige dieser Funktionen oder alle von ihnen.

Die Verwendung von Gütern und Besitz zum Horten von Reichtum ist so banal, daß man aus ihr keinen Hinweis auf den Gebrauch von Geld gewinnen kann; beeindruckt ist man aber in jedem Fall von der Tatsache, wie weit verbreitet Wertmaße in frühen Gesellschaften mit Schriftkultur waren. Kaum etwa fünfhundert Jahre nach Einführung der Schrift am Ende des 4. Jts. v. Chr. stoßen wir schon auf Aufzeichnungen solcher Maße in Babylonien und Ägypten (Foster 1977; Powell 1990; Chassinat 1921). Wertmaße muß es aber nicht unbedingt überall in Gesellschaften mit Schriftkultur gegeben haben; es finden sich z. B. keine Spuren von ihnen in den mykenischen Linear-B-Texten (Finley 1981: 206). Es ist allerdings möglich, daß wir durch die äußerst eigentümliche Beschaffenheit der Archive, die wir besitzen, zu falschen Schlüssen gelangen (den Linear-B-Täfelchen fehlt ebenso fast jeder Hinweis auf Handel, doch möchte daraus niemand auf das Fehlen von Handel schließen) (Uchitel 1988).

Wertmaße können bei ihrer eigentlichen Funktion stehenbleiben. Aus einem relativ gut dokumentierten ägyptischen Kontext aus der Mitte des 2. Jts. v. Chr. geht nicht hervor, daß Güter, die als Wertmaß verwendet wurden – wie Kupfer, Silber oder Getreide – auch als Tauschmittel dienten (Janssen 1975). Sie wurden nur dazu benutzt, um zu rechnerischen Entsprechungen beim Tauschhandel zu gelangen, aber sie spielten bei den Transaktionen physisch keine Rolle, es sei denn, sie selbst wurden von einer Seite als Tauschobjekt eingebracht. Die mesopotamische Kultur bildet dazu einen auffallenden Gegensatz. Schon von ca. 2300 v. Chr. an wurden dort Silber und Getreide nicht nur als Wertmaß benutzt, sondern auch als Tauschmittel. In den am besten dokumentierten Kontexten für Handelsgeschäfte treten beachtliche Finessen zutage. So deckt z. B. eine detaillierte Studie über Ur in der Zeit zwischen 2000 bis 1700 v. Chr. den Gebrauch von Silber für Verkäufe, Löhne/Zuteilungen, Pachten, Steuern, Darlehen (mit Zinszahlungen in Silber) und Schenkungen auf. Silber war das wichtigste Mittel, um Handelsexpeditionen zu finanzieren, und sowohl die Tempel als auch der Palast griffen auf Kaufleute zurück, um Einkünfte in Naturalien in Silber umzuwechseln, das dann im Schatzhaus gehortet wurde (van der Mieroop 1992).

Die Form, in der Silber in einigen Zusammenhängen als Geld benutzt wurde, fällt beinahe unter die Definition von Münzgeld. Gelegentlich wurde das Silber nämlich nach einem identifizierbaren Standard unterteilt. Es gab kleine Brocken, Spiralen, Ringe, unregelmäßige Barren und ähnliches, aber nicht in allen Fällen (Powell 1978; Bivar 1971). Um 730 v. Chr. wurden in Südostanatolien große gegossene Barren mit den Namen eines lokalen Herrschers in Aramäisch versehen (Barrekub) (Balmuth 1971; Furtwängler 1986: 157), und eine assyrische Urkunde aus dem Jahr 694 v. Chr., die das Bauprogramm des Sennacherib in Ninive beschreibt, erwähnt in einem Gleichnis das Gießen von Halbschekel-Stücken (Luckenbill 1924: 109, Sp. VII, 18).

Unser Bild vom Geld vor dem Einsetzen von Münzprägung in der griechischen Welt ist viel weniger klar. Wie schon bemerkt, fehlt ein Hinweis auf Geld in den mykenischen Dokumenten. Die homerischen Zeugnisse sind problematisch, weil sie sich auf die verschiedenen Epochen ihrer tatsächlichen Entstehung beziehen (von der Vorpalastzeit Mykenes bis zum späten 8. Jh. v. Chr.) und mündlich tradiert wurden. Sie reflektieren eher die heroische Selbstdarstellung einer Elite als allgemeinverbindliche Verhaltensmuster (Sherratt 1990). Auf jeden Fall enthüllt Homer eine Welt, die verstehbar wird, wenn man sie als Gesellschaft ansieht, in der wechselseitiger Austausch (Gabentausch) und hierarchische Verteilung vorherrschten. Bestimmte Arten von Gütern zirkulierten in eng definierten Zusammenhängen. Geschenke, die unter den Mitgliedern der höchsten Klasse ausgetauscht wurden, umfaßten kunstvoll gearbeitete Metallobjekte, Vieh und Frauen (Morris 1986: 9). Fleisch und ähnliche Produkte (Häute und Textilien) wurden anscheinend von oben kontrolliert und die gesellschaftliche Stufenleiter herab verteilt (Redfield 1986: 35). In dieser Welt findet sich keine Spur von Geld als Tauschmittel, und es scheint auch nicht viel Raum dafür gegeben zu haben, obwohl in einigen Zusammenhängen Vieh als Wertmaß diente (Finley 1981: 236; Macrakis 1984).

Wir können also den Prozeß, wie das Geld in der griechischen Welt aufkam, nicht verfolgen. Ethnographische Zeugnisse favorisieren die Vorstellung, daß das Geld aus herrschenden Wertesystemen entstand und dazu benutzt wurde, um z. B. Prestige oder soziale Muster zu vermitteln. Dabei wurde anscheinend kein einziger Fall bekannt, wo Geld sich aus dem Tauschhandel entwickelt hätte (Crump 1981: 54, 88–90, 114–5; Humphrey 1985). Es ist jedoch möglich, daß uns die Anthropologie in dieser Hinsicht in die falsche Richtung führt, weil sie das Aufkommen des Geldes nur für relativ ‚rückständige‘ Gesellschaften bezeugen konnte, die in Kontakt mit einer Umwelt existieren, in der Geld schon das dominierende Tauschmittel ist. Die Anthropologie ist nützlich, um uns unsere eigenen kulturellen Voraussetzungen offenzulegen und auf alternative Modelle hinzuweisen. Sie deckt Möglichkeiten auf, aber sie kann keine entscheidende Antwort auf die Frage geben, wie sich Geld in Griechenland tatsächlich entwickelt hat. Dagegen ist die ökonomische Theorie imstande zu zeigen, wie sich im Prinzip Geld aus dem Tauschhandel heraus entwickelt haben könnte, und es wäre unklug, diese Möglichkeit zu verwerfen, besonders angesichts der Allgegenwart von Tauschgeschäften (Anderlini und Sabourian 1992; Humphrey und Hugh-Jones 1992).

Mit Hilfe anthropologischer Modelle wurde die These aufgestellt, daß sich in der griechischen Welt die Geldwirtschaft in den Sphären von Heirat (Mitgift), Rache (Buße) und Gabentausch entwickelt hätte. Davon, so wird argumentiert, seien staatliche Zahlungen, Liturgien und soziale Leistungen abgeleitet worden (von Reden, in Vorbereitung; Seaford 1994: 191–234). Dieser Ansatz ist sicher hilfreich, wenn man den Anfang der Geldwirtschaft in einem rein griechischen Zusammenhang anders als mit Tauschhandel erklären will; trotzdem ist es ebensogut möglich, daß die Verwendung von Geld im Nahen Osten eine Anregung gab. Für die Zeit der Einführung von Münzprägung scheinen Mitgift, Bußgelder und Geschenke nur eine unzureichende Erklärung abzugeben, wenn es um die Fragen geht, warum gemünztes Geld normalerweise, oder sogar ausschließlich, von Staaten geprägt wurde (siehe S. 3–5) und warum Münzen bereits von Anfang an zwischen Staaten zirkulierten (siehe S. 110–2).

Eine differenzierte Analyse von Bereichen, in denen Geld verwendet wurde, könnte dazu führen, ein hervorstechendes Merkmal zu verschleiern, daß nämlich ein und dieselbe Art von konkretem Gegenstand – geprägte Münzen – allmählich dazu genutzt wurde, als Bindeglied in einem weiten Feld von Bereichen zu fungieren. Der Gebrauch von Münzgeld führte vermutlich zu einem Transfer von Werten und Ideen zwischen Bereichen wie Mitgift, Buße, Geschenk, Zahlungen von und an den Staat wie auch kommerziellem Austausch. In der Tat ist es wichtig zu fragen, warum ein einziges Tauschmittel allmählich in all diesen Bereichen in Gebrauch kam. Die Verwendung von Münzen durch den Staat bei seinen Zahlungen beantwortet die Frage vermutlich zu einem Teil, denn um wirksam zu sein, mußten die Zahlungen auch von dem Empfänger genutzt werden können. Einige dieser Empfänger werden in der Lage gewesen sein, die Münzen an den Staat zurückzugeben, um Verpflichtungen wie Zwangsbeiträgen, Steuern oder Bußgeldern nachzukommen; es ist aber verführerisch, die Verwendungsfähigkeit der Münzen für den wirtschaftlichen Austausch als Stütze des ganzen Systems anzusehen.

Was auch immer diese Entwicklungen einschlossen, es scheint, daß die griechische Welt schon entscheidende Schritte in Richtung auf den Gebrauch von Geld unternommen hatte, bevor die Münzprägung eingeführt wurde. Etymologien, spätere schriftliche Berichte von zweifelhaftem Wert und einige archäologische Funde legen – allerdings, ohne Beweiskraft zu besitzen – die Vermutung nahe, daß vor der Einführung der Münzprägung Eisenspitzen als eine Form von Zahlungsmittel in Umlauf waren. Andere Gebrauchsgegenstände, wie Dreifüße oder Kessel, mögen in einigen Gebieten demselben Zweck gedient haben (Kraay 1976: 213–5). Funde von Gold-, Silber- und Elektronstäben in griechischen Fundzusammenhängen aus der Zeit um 700 v. Chr. oder früher, die nach einem Standardgewicht justiert waren, könnten möglicherweise ein Indiz für die Verwendung kostbarer Metalle als Geld in irgendeiner Form sein (Furtwängler 1986: 156). Die Gesetzgebung des Solon enthüllt, daß vor Einsetzen der Münzprägung administrative Unterabteilungen der attischen Phylen (Naukrarien) zu einigen Zwecken mit Silber handelten (Aristoteles, Ath. Pol. 8, 3). Die Einführung der Münzprägung ist an sich ein Indiz dafür, daß Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr dem homerischen Muster entsprachen. Münzprägung war aber, wie wir gesehen haben, schon in zeitlich früheren Zusammenhängen des Mittleren Ostens beinahe ‚erfunden‘ worden (siehe S. 14–5). Es ist aber nicht so sehr die ‚Erfindung‘ der Münzprägung, sondern ihre schnelle Ausbreitung, die ein überzeugendes Indiz für die Umgestaltung der griechischen Welt darstellt und die eine Erklärung erfordert.

Ähnlichkeiten im Charakter und im Verhalten der Münzprägung in der gesamten griechischen Welt legen es nachdrücklich nahe, daß wir mit Recht den Versuch unternehmen, Münzprägung als einheitliches Phänomen zu interpretieren. Der unmittelbare Zusammenhang, in den Münzprägung eingebettet wurde, und die Art und Weise der Verwendung von Münzen werden sich von Ort zu Ort unterschieden haben. So ist das Vorkommen von Kleingeld von Gebiet zu Gebiet nicht einheitlich (siehe S. 5–8), und Süditalien machte sich eine besondere Methode bei der Herstellung seiner ‚incusen‘ Münzen zu eigen [12]. Dennoch herrscht der Eindruck von Gleichartigkeit vor. Mit einigen Ausnahmen war reines Silber das bevorzugte Metall; die nach Standard geprägten großen Münzen variierten in dem engen Spielraum zwischen 12g und 17,2 g. Die Münzen wurden von Staaten emittiert, und die ausgebenden Autoritäten waren anhand von Typen zu erkennen, die zumindest in der Tendenz unverändert blieben (Kraay 1976: 317). Daher erscheint eine Erklärung, die von einer weitgehenden Übereinstimmung ausgeht, angemessen.

In gewisser Hinsicht wurde die Geschwindigkeit, mit der sich die Münzprägung ausbreitete, durch die Auswanderung der Ostgriechen angesichts der persischen Expansion, durch die Bewahrung von Verbindungen zwischen Mutterstadt und Kolonie wie auch durch Formen des wechselseitigen Austausches innerhalb der mediterranen Welt, der bis in das 8. Jh. v. Chr. und weiter zurückreichte, möglich gemacht (Purcell 1991; Sherrat und Sherrat 1993). Derartige Verbindungen mögen eine Vorbedingung für die rasche Verbreitung der Münzprägung gewesen sein, aber sie erklären sie nicht. Der Austausch von Waren, das gilt auch für Handel, erforderte keine Münzprägung (siehe Kapitel 5).

Der kulturelle Hintergrund für die Ausbreitung der Münzprägung bestand in einer griechischen Welt, in der die Wechselbeziehungen gleichberechtigter Staatswesen2 sowohl unbeabsichtigt als auch durch vorsätzliche Konkurrenz dazu führten, die weitreichende Aneignung einer ganzen Palette von Phänomenen zu sichern, die von militärischen Techniken und politischen Strukturen bis hin zu speziellen Fertigkeiten und Vorlieben reichte (Snodgrass 1986). In diesem Prozeß war die polis eine Schlüsselinstitution. Obwohl sie nicht in allen Regionen vorherrschte, etablierte ihr Einfluß als kulturelles Gebilde gewisse Normen. Man kann sich leicht ein gewisses Maß an Wettbewerb bei der Entscheidung, die städtische Identität durch die Produktion von Münzen geltend zu machen, vorstellen. Es ist richtig, daß eine beträchtliche Anzahl von Gemeinden entweder nur selten oder überhaupt nicht Münzen prägte und vermutlich auf solche Geldstücke angewiesen war, die an anderen Orten geprägt wurden. Zum Beispiel prägten nur 60 von jenen 250 Staaten, die zwischen 480 und 400 v. Chr. Tribute an Athen zahlten, ihre eigenen Münzen (Nixon und Price 1990: 156). Dennoch gab es eine deutliche Tendenz, daß reiche Staaten eigene Münzen prägten, wobei mit dem ‚politischen‘ Charakter der Münzprägung gerechnet werden muß (siehe Kapitel 3). Wenn auch die Wechselbeziehungen gleichberechtigter Staatswesen einen entscheidenden Hintergrund für die rasche Ausbreitung der Münzprägung bildeten, so scheint auch dies wiederum nicht für die Beantwortung der Frage auszureichen, warum besonders die Münzprägung zu einer der Erscheinungen wurde, die für die griechische Welt charakteristisch waren.

Die Erklärung findet man eher in dem aufnahmebereiten Boden, der durch die radikale Umgestaltung der polis im 6. Jh. v. Chr. bereitet wurde. Die Wechselbeziehungen zwischen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen waren vielschichtig. Die Ausbreitung der Münzprägung könnte einerseits durch solche Umschwünge verursacht worden sein und andererseits als Motor in diesem Prozeß gewirkt haben.

Auf der ökonomischen Ebene war der bedeutsamste Aspekt der Umwandlung der polis das Wachstum des Marktaustausches („Commoditization“) (vgl. Appadurai 1986). Die zentrale Periode für diese Entwicklung wird von den Historikern unterschiedlich in die Zeit zwischen 700 bis nach 500 v. Chr. datiert, je nachdem, ob sie das Schwergewicht ihrer Argumentation auf die archäologischen Zeugnisse für interregionalen Handel oder auf die Fortdauer schriftlicher Äußerungen über den Abscheu vor Handel und Märkten legen (Morris 1986; Redfield 1986). Durch die Annahme, daß es einen tiefgreifenden Wandel gegeben habe, wird die Existenz von Elementen des Marktaustausches in früher Zeit nicht geleugnet. Solche Elemente waren nachweislich in den klassischen ‚redistributiven Wirtschaften‘ der alten Kulturen des Nahen Orients vorhanden (Yoffe 1981). Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Beziehungsgeflecht („Reziprozität“), Redistribution und Marktaustausch dienten dabei äußerst hilfreich als ‚Idealtypen‘, um die vorherrschenden ökonomischen Aktivitäten zu charakterisieren. Die verschiedenen Kategorien konnten auch nebeneinander existieren und haben es auch getan. So sind in der athenischen Gesellschaft des 5. und 4. Jhs. v. Chr. wichtige Elemente von Gegenseitigkeit/Gabentausch anzutreffen; die zinslosen Eranos-Anleihen sind hierfür ein überzeugendes Beispiel (Millett 1991: 109–59). Der Markt aber gewann eine neue zentrale Bedeutung, die – wie sich argumentieren läßt – durch die Entwicklung der agora in dem Zeitraum zwischen 700 und 600 v. Chr. symbolisiert wird (Morris 1991: 40; Snodgrass 1991: 10–1). Die Überzeugungskraft dieser Symbolik hängt von unserer Einschätzung ab, ob der agora von Anfang an eine kommerzielle Rolle zukam und ob ihre wirtschaftliche Rolle, wann immer sie sich entwickelte, eine tatsächliche Zunahme von Marktaustausch oder einfach eine Verlagerung des Handels darstellte (von Reden, in Vorbereitung: 105–6). Daß die entwickelte agora auch politische, juristische, soziale und religiöse Rollen neben ihrer Funktion als Marktplatz hatte, spricht nicht gegen den Symbolwert, sondern erinnert uns an die unentwirrbaren Verknüpfungen zwischen allen diesen Aspekten.

Das Vordringen des Markthandels befreite den Wohlstand aus den abgeschlossenen aristokratischen Sphären des Gabentausches. Dieser Vorgang barg eine soziale Komponente in sich, besonders weil Reichtum jetzt zum entscheidenden Kriterium in der gesellschaftlichen Hierarchie wurde (in Athen seit der Zeit des Solon). Wohlstand konnte nun eine Bedrohung für die überkommenen familiären bzw. kultischen Machtfundamente aufbauen (vgl. Redfield 1986; Davies 1984: 105–14).

Der Schlag gegen die aristokratische Patronage war auf der politischen Ebene mit einer Stärkung der zentralisierten Macht der polis als Staat verbunden. Die Bürgerschaft wurde unter dem Dach der polis von Grund auf reorganisiert – man denke nur an die Reformen des Kleisthenes in Athen (Murray 1990). Die Beziehungen der Gewalten untereinander wurden nun in Form einer Verfassung genau festgelegt. Auf diese Weise wurde ein Weg zur Demokratie beschritten, den einige Städte einschlugen, andere aber nicht. Das Wachsen staatlicher Autorität könnte an sich für das Münzgeld vorteilhaft gewesen sein, da es vom Staat ausgegeben und bis zu einem gewissen Grad durch ihn reguliert und garantiert wurde (von Reden, in Vorbereitung a). Die Entwicklung des Münzgeldes war ein Aspekt einer umfassenden Tendenz des archaischen Zeitalters, nämlich Wertmaßstäbe zu definieren und zu kodifizieren, um so Normen einzuführen, die erzwungen werden konnten (Austin und Vidal-Naquet 1977: 56–8). Aufgrund dieses Zusammenhangs kann man den semantischen Zusammenhang zwischen nomisma (Münze) und nomos (Gesetz) verstehen (Will 1955: 9–10).

Man mag versucht sein, die Frage „Wie veränderte Münzgeld die Gesellschaft?“ mit einem Hinweis darauf zu beantworten, um wieviel komplexer die Wirtschaft wurde. Dabei könnte man auf das Bankdepositum (bei dem die Bank mit dem Geld arbeitet, das ein Klient hinterlegt hat) als ein konkretes Beispiel für eine Finanzform hinweisen, die sich nur infolge der Einführung des Münzgeldes herausbilden konnte, insbesondere, wenn man davon ausgeht, daß dieses aus dem Geldwechsel hervorging (Bogaert 1966: 135–44; 1968: 305). Wie dem auch sei, dies könnte schon eine Überschätzung der Entwicklung sein (Millett 1991: 203–6), und in jedem Fall trifft eine solche Antwort sicherlich nicht den wichtigsten Gesichtspunkt. Ein beachtlich ausgeklügeltes System bei der Verwendung von Geld wurde von den großen redistributiven Ökonomien des Nahen Ostens schon lange vor Einführung der Münzprägung erreicht (siehe S. 14–5). Es ist vielleicht ebensowenig treffend, die Frage zu stellen, ob aus der begrenzten Nominalstruktur der frühen Münzprägung geschlossen werden kann, daß sie nicht darauf ausgerichtet war, den Kleinhandel zu erleichtern (siehe S. 5–8). Vielmehr stand die Ausbreitung der Münzprägung in einem komplexen Verhältnis zu der wachsenden Bedeutung des Marktaustausches. Kleinhandel entwickelte sich von selbst. Die Ausbreitung der Münzprägung förderte – so läßt sich argumentieren – den Prozeß der Güteranhäufung sowie den sozialen und politischen Umbruch, durch den sie wiederum weiteren Antrieb erhielt. Wenn man die Ursachen und die Bedeutung der Ausbreitung von Münzprägung in der radikalen Veränderung der griechischen polis sieht, kann man zufriedenstellend erklären, warum sie lange ein im wesentlichen griechisches Phänomen blieb (siehe S. 1–2). Dieser weite Blickwinkel provoziert bedeutsame Fragen: Kann die Entwicklung der Münzprägung eine Erklärung dafür bieten, warum die griechische Gesellschaft weniger ‚feudal‘ war als etwa die persische? In welchem Ausmaß hing das Funktionieren der athenischen Demokratie von der Münzprägung ab?

Geld in der Antiken Welt

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