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Weshalb wurden Münzen geprägt?

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Es ist ganz und gar naheliegend, daß Versuche unternommen wurden, den Münzausstoß mit Staatsausgaben in Verbindung zu bringen. Bis vor kurzem galt es als orthodoxe Meinungsäußerung, die Behauptung aufzustellen, daß Münzen nur zu dem Zweck geprägt wurden, um Staaten in die Lage zu versetzen, Zahlungen zu leisten. Dabei kümmerte man sich wenig oder gar nicht darum, welche Verwendungen sie darüber hinaus haben sollten. Dieses Bild gewann seine Überzeugungskraft von der Vorstellung, daß Staatszahlungen der einzige Weg waren, auf dem Münzen in Umlauf gelangten.

In bestimmten Zusammenhängen gab es aber auch noch andere Wege. Privatpersonen konnten ihr eigenes Edelmetall zu einer Münzstätte bringen, um es ausmünzen zu lassen. Eine Inschrift aus dem 3. Jh. v. Chr. tradiert, daß ein Fremder, er hieß Polycharmos, der Stadt Olbia hundert Goldstatere lieh und dafür als Sicherheit einige sakrale Gefäße erhielt. Als die Stadt die geliehene Summe nicht zurückzahlen konnte, brachte Polycharmos die Gefäße zur Münze, um aus ihnen Münzen herstellen zu lassen. Schließlich wurden die Gefäße durch einen Wohltäter vor diesem Schicksal bewahrt (Syll.3 495). Ähnlich erwähnen die pseudoaristotelischen Oikonomika (1350 b), daß der Perser Didales Silber nach Amisos brachte, um es für seine Truppen ausmünzen zu lassen. Unsere Überlieferung ist so zufällig, daß wir nur ungenügende Vorstellungen davon haben, wie verbreitet solche Praktiken waren. In Athen war die Münzstätte an der agora im Prinzip zugänglich. Im Gegensatz dazu hatte das Niveau der Zentralisierung von Münzprägung in der römischen Welt zur Folge, daß es für den Großteil der Bevölkerung schwierig gewesen sein muß, Gold oder Silber zu einer Prägestätte zu bringen. Es ist somit etwas überraschend, daß es spärliche Zeugnisse dafür gibt, daß der Staat im Römischen Reich des 4. Jhs. n. Chr. und vielleicht auch in der späten Republik (Howgego 1990: 19–20) Münzen für Privatleute prägte.

In Gebieten, die sich geschlossener Geldsysteme bedienten (siehe S. 60–2), mußte es einen bestimmten Weg geben, auf dem Reisende, die von auswärts kamen, Fremdgeld umtauschen konnten. Ein ptolemäischer Papyrus aus dem Jahr 258 v. Chr. überliefert, daß die Münze – gegen eine Gebühr – ausländisches Geld für „die Fremden, die über See hierherkamen, für Kaufleute, für die Spediteure und andere“ umprägte (Austin 1981: 410–1).

Neben Staatszahlungen und der Prägetätigkeit für Privatleute konnten Münzen auch dadurch in Umlauf gebracht werden, daß sie an die Öffentlichkeit ‚verkauft‘ wurden oder an Geldwechsler, die sie wiederum an die Öffentlichkeit ‚veräußerten‘. Dafür gibt es kein direktes Zeugnis aus der Zeit vor Anastasius, doch zeigt ein Bericht des Symmachus (Rel. 29) aus dem Jahr 384–385 n. Chr., daß Geldwechsler gezwungen wurden, Solidi an den Staat zu verkaufen, wofür sie eine festgesetzte Menge aus unedlem Metall erhielten. Praktiken dieser Art mögen genutzt worden sein, um neue Münzen aus unedlem Metall in Umlauf zu bringen – wahrscheinlich war dies das Ziel der Bemühungen – und um Gold für den Staat herauszupressen. In diesem Zusammenhang wüßten wir gerne, welche Funktion genau die ‚Bankiers‘ (nummularii) hatten, die mit der Münze von Rom verbunden waren (Andreau 1987: 202).

Obwohl es auch andere Möglichkeiten gab, stellt die Überlieferung mit Nachdruck heraus, daß Staatsausgaben bei weitem das wichtigste Mittel waren, mit dem Münzgeld in der Antike in den meisten Fällen in Umlauf gebracht wurde. Im Mittelalter war die Lage anders: Auch Privatleute und Institutionen, die neben dem Staat existierten, prägten Münzen; Münzgeld wurde in dieser Epoche in erster Linie für Privatleute geprägt. Der Unterschied zwischen der Antike und dem Mittelalter (im Westen) mag überzeichnet worden sein, doch ist der Übergang zur überwiegenden Prägetätigkeit für Privatleute ein Aspekt der Umgestaltung der spätantiken zur mittelalterlichen Welt (Hendy 1988; 1991; 1993).

Selbst wenn man zustimmt, daß in der Antike die Mehrzahl der Münzen auf dem Wege von Staatszahlungen in Umlauf gebracht wurde, bedeutet dies noch nicht, daß solche Ausgaben der einzige Aspekt waren, unter dem Münzen geprägt wurden. Auch andere Aspekte dürften in Entscheidungen, ob alte Münzen umgemünzt wurden, bevor sie wieder in den Verkehr kamen, oder welche Nominale geprägt werden sollten – man kann sich nur schwer vorstellen, wie die Notwendigkeiten von Staatsausgaben zu der Produktion von so viel Wechselgeld führten –, eingeflossen sein. Es gibt in beträchtlichem Umfang antike Zeugnisse, die alternative Motive für Münzprägung belegen. Sie sind bereits an anderer Stelle gesammelt worden und können deshalb hier summarisch behandelt werden. Diese Motive

„umfaßten nicht nur geldtechnische Faktoren – wie etwa Umprägeaktionen, die mit Münzreformen oder geschlossenen Geldsystemen zusammenhingen, ferner die Notwendigkeit, abgegriffene Münzen zu erneuern oder eine miteinander ungleichartige Geldmenge zu standardisieren, und schließlich vielleicht die Bestimmungen von Währungsverbünden –, sondern auch die grundlegenden Belange von Profit, Stolz und Politik. … Außerdem steht das Leugnen, … daß gemünztes Geld in der Alten Welt seine Existenz einem ökonomischen Konzept verdankt, anscheinend im Widerspruch zu jenen Zeugnissen, die belegen, daß man auf den Druck des Volkes hin Maßnahmen ergriff, um das reibungslose Funktionieren der Geldwährung als Mittel des Austausches sicherzustellen. Außerdem erklärt ein solches Leugnen nicht hinlänglich jene Schritte, die man unternahm, um in Zeiten von Münzmangel den Nachschub an Münzgeld zu verbessern. Die antiken Schriftsteller bezeugen ganz klar, daß Münzen geprägt werden konnten, um den Austausch zwischen Privatpersonen wie auch die Zahlung von Steuern und den auswärtigen Handel zu erleichtern.“ (Howgego 1990: 24–5).

Daraus folgt nun, daß bestimmte Formen von Münzprägung zwar bestimmte Formen von Staatsausgaben widerspiegeln können, es aber nicht unbedingt müssen.

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