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Was ist eine Münzstätte?

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Metalle wurden in einer Münzstätte in Münzen verwandelt, doch was ist eine Münzstätte? Wie bei vielen einfachen Fragen gibt es darauf eine recht komplizierte Antwort.

Darstellungen von Prägeszenen, erhaltene Stempel und wissenschaftliche Untersuchungen der Münzen vermitteln eine gewisse Vorstellung von der Technologie, die bei der Herstellung von Münzen zur Anwendung kam (Vermeule 1954; Malkmus 1989–1993). Gegossen wurden Münzen nur dann, wenn sie zu groß waren, um geprägt zu werden [z. B. 84]. Auch einige Fälscher bedienten sich des Gußverfahrens, weil es der einfachste Weg war, um offizielle Münzen nachzuahmen. Die große Mehrheit der antiken Münzen wurde jedoch hergestellt, indem man einem Schrötling, der zwischen zwei gravierten Stempeln lag, einen Schlag versetzte. Dabei war der obere Stempel (Rückseitenstempel) in einen Prägestempel eingesetzt, der untere (Vorderseitenstempel) in einen Amboß. Prägen ist für die Massenproduktion viel effizienter als Gießen.

Die Bezeichnungen für verschiedene Münzstättenarbeiter und -funktionäre kennen wir aus trajanischen Inschriften, die in der Nähe der Römischen Münze gefunden wurden. Ihre Ämter und Aufgaben spielen auf vieles an: etwa auf die Aufträge für Arbeitsprozesse, die Vorbereitung von Metallen, das Gravieren von Stempeln, das Prägen von Münzen in einzelnen Fertigungsabteilungen, das Auftreten von Qualitätskontrolleuren (aequatores), von einem Kassierer (dispensator rationis) und von Bankiers (?, nummularii) (Alföldi 1958–59). Die Organisation der Münzproduktion in einer Anzahl von Fertigungsabteilungen (officinae) ist seit der Herrschaft des Kaisers Philippus (244–249 n. Chr.) auf Münzen vermerkt, reicht aber mit Sicherheit in frühere Zeiten zurück (Carson 1956) [142]. Es ist wichtig, sich von solchen Informationen nicht zu der Annahme verleiten zu lassen, alle Münzstätten seien große und kontinuierlich arbeitende Unternehmen gewesen.

Sicherlich können wir im Falle größerer Münzstätten, die einen regelmäßigen Ausstoß von Münzen leisteten, mit einem Gebäudekomplex rechnen, der speziell diesem Zweck gewidmet war. Solche Einrichtungen dürften ungenutzt geblieben sein, wenn keine Prägetätigkeit stattfand. Ein Papyrus aus dem Jahr 258 v. Chr. gewährt uns einen Einblick in eine solche Situation: Die Arbeit an der ptolemäischen Münze in Alexandria war wegen eines bürokratischen Durcheinanders zum Stillstand gekommen (Austin 1981: 410–1).

Die Archäologie hilft uns, das Bild noch weiter auszumalen. Die athenische Münzstätte der Zeit vom Ende des 5. Jhs. bis zum späten 1. Jh. v. Chr. wurde am Ostende der Südseite der agora ausgemacht (Camp 1979). Das Gebäude enthielt Bronzebarren und Scheiben, die von ähnlichen Barren abgeschnitten worden waren. Hinzu kommen noch Zeugnisse für Metallveredelung. Inschriften, die sich auf die Prägestätte beziehen, wurden in der Nähe gefunden. Die Münze war ein ausgedehntes Gebäude, 27  38 m, mit massiven Fundamenten von 1 m Dicke. Sie bestand aus zahlreichen Räumen verschiedener Größe, die um einen offenen Hof lagen. Durch Zufall wissen wir, daß die Arbeiter in der Münze Staatssklaven waren (Lewis 1990: 257).

In Rom lag die Münze während der Republik auf dem Kapitol. Die Münze wurde wahrscheinlich nach dem Brand im Jahre 80 n. Chr. auf eine Parzelle des Grundstücks verlegt, das Neros domus aurea einnahm. Dieses war unter den Flaviern wieder in Staatsbesitz zurückgekehrt. Ein Fragment der forma urbis, eines Stadtplans Roms auf Marmor, gibt uns eine Vorstellung von dem Grundriß der römischen Münzstätte (Rodriguez-Almeida 1980: 63–5, Abb. 16 und 17). Reste des Gebäudes selbst wurden überzeugend unter der Kirche von S. Clemente lokalisiert, etwa 400 m östlich des Kolosseums (Coarelli 1985: 192–5). Es handelte sich um ein langes, rechteckiges Gebäude mit einer Breite von ca. 30 m und unbekannter Länge. Es hatte zwei Hauptetagen; die untere von ihnen war in der ersten Bauphase in zwei Geschosse unterteilt. Das Äußere des Baus wurde von einer massiven Mauer gebildet, wahrscheinlich mit nur einem Zugang und ohne weitere Öffnungen. Das untere Geschoß setzte sich aus einer großen Zahl von Räumen zusammen, die um einen Peristylhof gruppiert waren. Der Komplex dürfte kontinuierlich bis zum späten 4. Jh. n. Chr. als Münze gedient haben.

Nur wenige andere offizielle Münzstätten der griechisch-römischen Welt wurden bisher lokalisiert. Das ist überraschend, wenn wir von der großen Zahl von Städten, die Münzen prägten, ausgehen und außerdem die aufgrund der Zeugnisse von Athen und Rom naheliegende Schlußfolgerung ziehen, daß Münzstätten im Zentrum von Städten zu finden sind, wo am intensivsten Ausgrabungen durchgeführt wurden. Doch gibt es dafür mehrere Erklärungen.

Die meisten städtischen Prägungen waren äußerst sporadisch; oft lagen Jahrzehnte zwischen den Emissionen. Unter diesen Umständen kann es durchaus so gewesen sein, daß eine Münzstätte als solche gar nicht existierte. Die Technologie der Münzherstellung war nicht so kompliziert, und von festen Lokalitäten wurde nur insoweit Gebrauch gemacht, als dazu eine Notwendigkeit bestand, wenn ohnehin schon metallverarbeitende Betriebe vor Ort waren. Die Gebäude von kleineren Münzstätten, insoweit sie überhaupt eine Dauereinrichtung waren, dürften kaum eine spezifische Typologie gehabt haben und blieben so unerkannt.

Wenn Münzstätten in einer ordnungsgemäßen Art und Weise geschlossen wurden, dürften für den Archäologen nur wenige Spuren zu finden sein, die ihn zur richtigen Diagnose führen. Allenfalls blieben Spuren von Metallverarbeitung erhalten. Kostbare Metalle dürften weggeschafft, die Stempel zerstört oder in Tempel geweiht worden sein. Das geschah, wie wir wissen, im Jahre 406 v. Chr. in Athen und im Jahre 166 v. Chr. auf Delos (Robert 1962: 18–24). Die überstürzte Aufgabe einer Münzstätte dürfte der Grund dafür sein, daß wir die Werkstätten von Fälschern viel besser lokalisieren können (dazu demnächst King). Funde von Schrötlingen bildeten die wichtigste Kategorie von Zeugnissen und wurden dazu verwendet, die Lokalisierung offizieller Münzstätten zu untermauern. Silberne Schrötlinge blieben in Eretria und Chalkis auf Euböa erhalten, jedoch sind ihre Fundumstände unbekannt (Consolaki und Hackens 1980: 286– 289). Funde von bronzenen Schrötlingen sind weitaus zahlreicher. Sie stammen aus der Zeit vom späten 5. bis zum 2. Jh. v. Chr. aus einem Raum von Italien bis Aï Khanoum in Baktrien (Cantilena 1989 mit Belegen; Oeconomides 1993; Bernard 1985). Häufig ist es unklar, ob der Fundort als Münzstätte zu identifizieren ist oder nicht. Schrötlinge aus einem Tempel in Argos sind überzeugender als Deposit zu deuten, das nach Schließung der Münzstätte dorthin kam, denn als Zeugnis dafür, daß in dem Tempel selbst gemünzt wurde (Consolaki und Hackens 1980). Die Identifizierung einer Werkstatt in Paphos auf Zypern, die Schrötlinge für ptolemäische Bronzemünzen produzierte, scheint sicher zu sein. Es wurden sowohl Gußformen als auch Schrötlinge gefunden, dazu noch Zeugnisse für Metallverarbeitung (Nicolaou 1990). Die Münzstätte in Halieis auf der Peloponnes wurde ebenfalls ziemlich überzeugend lokalisiert. In einem Gebäude mit den Maßen von 10  11m fand man bronzene Schrötlinge; seine Rückwand wurde von der Stadtmauer gebildet. Es stand auf starken Fundamenten und besaß eine zentrale Säule. Es wurde vermutet, daß das Gebäude anderen Zwecken diente, aber auch, daß es die Münzstätte war (Boyd und Rudolf 1978: 339).

Es ist möglich, daß in bestimmten Zusammenhängen offizielle Münzen eher in vielen kleinen Einrichtungen hergestellt wurden als in einer zentralen Münzstätte. Das scheint den Forderungen nach Sicherheit entgegenzustehen. Man denkt in diesem Zusammenhang an die massive Mauer um die Münze in Rom und an die Kohorte, die bei der Reichsmünzstätte in Lugdunum lag. Dennoch deuteten einige Gelehrte die weit zerstreuten Funde von Stempeln aus der frühen Prinzipatszeit in Gallien als Zeugnisse für dezentralisierte Münzproduktion (Amandry 1991). Eine Textstelle bei dem Kirchenhistoriker Sozomenos aus dem 5. Jh., die sich auf das spätantike Antiocheia bezieht, wurde in derselben Weise gedeutet (Liebeschuetz 1972: 57–8).

Der Begriff ‚Münzstätte‘ wird von den Numismatikern normalerweise dazu verwendet, um eine Einrichtung zu bezeichnen, die die Münzen einer bestimmten Stadt produziert. Dabei unterstellen sie, daß sie in der Stadt lag, die auf den Münzen genannt ist oder auf die auf den Prägungen angespielt wird. In der großen Mehrheit der Fälle scheint diese Annahme richtig zu sein, aber sie läßt sich nicht beweisen oder wurde zumindest noch nicht bewiesen. Der Gebrauch desselben Stempels für die Produktion von Münzen von zwei oder noch mehr verschiedenen Städten eröffnet die Möglichkeit, daß eine Münzstätte für auswärtige Städte geprägt hat. Einerseits kommt die gemeinsame Verwendung desselben Stempels (Stempelkopplung) in bestimmten begrenzten Zusammenhängen vor, woraus hervorgeht, daß das Phänomen nicht allgemein verbreitet war. Andererseits sei angemerkt, daß Stempelkopplungen von Städten nur dann vorkommen können, wenn derselbe Münztypus zumindest für eine Seite einer Münze in beiden Städten verwendet wurde. Es ist einleuchtend, daß die Möglichkeit für eine Stempelkopplung nicht besteht, wenn zwei Städte keinen gemeinsamen Münztypus verwendeten, selbst dann nicht, wenn die Münzen in derselben Einrichtung produziert wurden. Im letzteren Fall kann die Identität der Münzstätte im Prinzip an Ähnlichkeiten der Stempelgravur, der Herstellungstechnik oder der Beschaffenheit des Münzmetalls erkennbar sein. Solche Ähnlichkeiten fallen oft nicht auf und sind in einigen Fällen schwer zu deuten. So bleibt die ‚zentralisierte‘ Prägung in bestimmten Zusammenhängen wahrscheinlich unerkannt.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, daß selbst die gemeinsame Stempelnutzung von Städten nicht notwendigerweise bedeutet, daß deren Münzen in derselben Münzstätte produziert wurden. Stempelkopplungen zwischen Prägeorten können auch durch Stempeltransfer von einer Münzstätte zu einer anderen zustande kommen, besonders offensichtlich dann, wenn eine neue Münzstätte installiert wurde. So wurde, als sich die Prägung von Königsmünzen im Zuge von Alexanders Eroberungen ausbreitete, ein Stempel von der bereits etablierten Münze in Sidon zu einer neuen Münzstätte in Akkon transferiert (Price 1991a: 37). Stempel konnten auch in anderen Zusammenhängen weitergegeben werden, die man sich recht leicht im Falle der dezentralisierten Prägung von Königs- und Bundesmünzen vorstellen kann; Beispiele aus den Reichen der Seleukiden, Ptolemäer und Attaliden sind bekannt, ebenso vom Achäischen Bund (Thompson 1968: 100–102 zum letzteren). Stempelkopplungen zwischen Münzstätten sind in hellenistischen Zusammenhängen so unüblich, daß es überzeugender ist, einen solchen Vorgang eher als den Transfer von Stempeln zu deuten denn als Zeugnis für die Prägung von Münzen im Namen verschiedener Städte in ein und derselben Einrichtung (Mørkholm 1982b).

Systematische Stempelkopplungen zwischen Städten gehen im Gegensatz zu gelegentlichen eher auf eine zentralisierte Prägeorganisation zurück. Es ist klar, daß im späten 5. und frühen 4. Jh. v. Chr. Neapolis Silbermünzen für andere Städte und Stämme in Kampanien prägte (Rutter 1979: 75, 82–3 und 102). Im späten 4. Jh. v. Chr. war die Münzstätte von Neapolis für die früheste bronzene Kreditgeldprägung im Namen der Römer verantwortlich; die Münzen tragen eine verräterische Legende in Griechisch. Das Phänomen der Stempelkopplungen zwischen Städten erreichte seinen Höhepunkt im späten 2. und 3. Jh. n. Chr. In dieser Zeit ist es für die Donauprovinzen, die Peloponnes, Kleinasien und Syrien nachzuweisen (Grunauer-von Hoerschelmann 1982–1983; Kraft 1972; Johnston 1982–83; Butcher 1986–87; 1988 b). Es ist nicht überraschend, daß es ein gewisses Maß von Zusammenarbeit bei der Produktion städtischer Bronzemünzen für hunderte von Städten gab, von denen viele relativ unbedeutend waren und nur gelegentlich Münzen prägten. In den meisten Fällen wissen wir nicht, ob diese Zusammenarbeit in einer zentralisierten Prägung oder bloß im Transfer von Stempeln – vielleicht mittels wandernder Stempelschneider oder Münzwerkstätten – bestand. In einigen Fällen erlaubt jedoch die Verbindung von Stempelkopplung, charakteristischen Herstellungstechniken und Metallzusammensetzungen den sicheren Schluß, daß ein und dieselbe städtische Münzstätte tatsächlich Münzen für andere Städte produzierte, z. B. das syrische Antiocheia für eine Reihe von Städten in Nordsyrien und für Philippopolis in der Provinz Arabia in der Zeit zwischen 218 und 254 n. Chr. (Butcher 1986–87; 1988b) [168].

Die Produktionsweisen in den größeren Münzstätten, die Edelmetall prägten, dürften gleichfalls komplex gewesen sein. Zu gewissen Zeiten prägte Rom Silbermünzen, aber auch solche aus unedlem Metall, in regionaler Machart, die in Kappadokien, Syrien, Ägypten und anderswo im Osten in Umlauf gebracht werden sollten. Das klarste Beispiel ist eine Emission von Tetradrachmen in syrischem Stil unter Philippus I. im Jahre 244 n. Chr., die griechische Legenden aufweist, aber die lateinische Münzstättenangabe MON. VRB. trägt. Diese Erscheinung ist vielleicht nicht so überraschend, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die römische Münze Prägungen für alle Provinzen des Westens produzierte. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Münzprägung im Westen standardisiert war, während für den Osten Münzen hergestellt wurden, die regionalen Stilen und Gewichtsstandards entsprechen mußten. Neben Rom prägten auch die Münzstätten von Alexandria und Antiochia Silbermünzen für andere Provinzen des Ostens (Burnett 1987: 31; Butcher 1988a: 36–7).

So konnten Münzstätten ständige oder zeitliche Einrichtungen sein, die tatsächlich auch wanderten, in einigen Fällen eine militärische Aktion (vgl. Mørkholm 1982 b: 211) oder den Kaiser begleiteten, so im Falle der spätrömischen ‚comitatensischen‘ Münzstätten (Hendy 1985: 386–94) [182]. Stempel konnten von einer Münzstätte zu einer anderen verbracht werden, und eine Münzstätte in einer Stadt konnte Münzen für eine andere Stadt oder Region produzieren. Gewisse Einsichten in derart komplexe Verhältnisse wurden durch numismatische Studien in den letzten Jahrzehnten gewonnen, aber es ist wichtig, angesichts solcher Entdeckungen Überinterpretationen zu vermeiden. In der Mehrzahl der Fälle gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln, daß Münzen dort geprägt wurden, wo man es vermutet. Eine komplexe Zusammenarbeit zwischen Prägeorten ist in manchen Fällen gut nachvollziehbar, obwohl uns einige ohne Zweifel entgangen sind.

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