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Der Gebrauch von Münzgeld: Athen

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Unsere Einsichten über das Aufkommen des Münzgebrauchs hängen stark von dem Überleben schriftlicher Zeugnisse ab. Aus dem Fehlen von dokumentarischen Zeugnissen erklärt sich, weshalb es möglich ist, weit auseinanderliegende Ansichten über Themen wie die Funktion der frühen Elektronprägungen oder die Verwendung von Münzen in ‚keltischen‘ Gesellschaften aufrechtzuerhalten. Detaillierte Darstellungen sind zur Zeit nur für Athen im 5. und 4. Jh. v. Chr. ebenso wie für die Römische Kaiserzeit möglich. Wenn die papyrologischen Zeugnisse einmal aufgearbeitet sind, könnte die Liste leicht um das ptolemäische Ägypten erweitert werden.

Wahrscheinlich weitete das Aufkommen von Staatsbesoldungen in Athen den Gebrauch von Münzgeld in der Wirtschaft wesentlich aus, wobei es kaum eine Rolle spielt, wie die Situation vorher ausgesehen hat (Rutter 1981). Soldzahlungen für den Dienst in der Flotte und als Soldat waren im wesentlichen eine Folge der ausgedehnten Unternehmungen in der Zeit des Delisch-Attischen Seebundes. Die generelle Besoldung des Militärdienstes war aus früheren Unterstützungszahlungen vor dem Peloponnesischen Krieg hervorgegangen. Enorme Summen dürften für militärische Unternehmungen ausgegeben worden sein: 1200 Talente für die Unterdrückung der Samischen Revolte von 440/39 v. Chr.; über 2000 Talente für die Belagerung von Potideia von 432–430/29 v. Chr. Von den fünfziger Jahren des 5. Jhs. an besoldete man die Geschworenen (theoretisch gab es an die 6000 von ihnen) und die Anwesenheit im Rat, ab 404/3 auch den Besuch der Volksversammlung. In den dreißiger Jahren des 4. Jhs. dürften die gesamten Kosten für derartige politische Besoldungen tendenziell unter 100 Talenten pro Jahr gelegen haben (Hansen 1991: 315–6). Darüber hinaus führte Perikles einen Zuschuß von zwei Obolen ein, um jedem Bürger den Besuch des Theaters zu ermöglichen, und dann gab es auch noch die mysteriöse diobelia (vielleicht war sie auch mit einer der schon erwähnten Ausgaben identisch). Aristoteles (Ath. Pol. 24) behauptet, daß mehr als 20 000 Personen aus den Einnahmen der Tributzahlungen, Steuern und Kontributionen der Bündner des Seebundes ihren Lebensunterhalt bezogen. Zu ihnen könnten noch diejenigen kommen, die bei den periodischen Bauprogrammen beschäftigt waren: Einige Gesamtsummen kennen wir aus den Bauurkunden des Parthenon von 447/6–433/2 v. Chr. (z. B. 16 392 Drachmen für Bildhauerarbeiten am Giebel in einem Jahr); individuelle Löhne sind vom Erechtheion für die Jahre 409/8–407/6 überliefert (z. B. eine Drachme pro Tag für Zimmerleute) (Fornara 1983: xxiv,137).

Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen den staatlichen Besoldungen und der Produktion von Nominalen, die klein genug waren, um die Auszahlung und Verwendung eines Tageslohnes zu ermöglichen (siehe S. 5–8). Die Lohnzahlungen setzten einen auf Bargeld basierenden Markt voraus und förderten ihn zugleich. Diese Zusammenhänge, aber auch die Vorstellungen von diesem Markt, werden in einer Szene in den Wespen des Aristophanes (785–93, 422 v. Chr.) recht anschaulich gemacht: Dem Schatzmeister des Staates war das Kleingeld ausgegangen, weshalb er zwei Geschworenen eine Drachme gab, die diese auf dem Fischmarkt wechselten. Damit könnte man die herrschenden Vorstellungen vergleichen, die in der Nachricht des Thukydides zutage treten, wonach bei Abfahrt der Flotte zur Sizilischen Expedition jedermann Geld für private Ausgaben und darüber hinaus den Sold mitnahm, wobei Soldaten und Kaufleute noch zusätzlich Geld zu Handelszwecken mit sich führten (Thukydides VI 31; siehe S. 104–6).

Die Regulierung der Märkte in Athen und Piräus erforderte insgesamt zehn agoranomoi, zehn metronomoi und zehn (später 35) sitophylakes, um den Markt im allgemeinen, Gewichte und Maße sowie den Verkauf von Getreide, Mehl bzw. Brot zu überwachen (Salmon in Vorbereitung). Einige Hinweise auf das Ausmaß des Kleinhandels in Athen lassen sich aus den Verwendungen von Sklaven, die im Zusammenhang mit deren Freilassung festgehalten wurden, gewinnen (Davies 1984: 48). Es ist nicht überraschend, daß die Haussklaven hier an erster Stelle stehen, aber die zweitgrößte Gruppe war im Kleinhandel beschäftigt. Allerdings ist das Bild ein wenig verzerrt. Es ist unwahrscheinlich, daß die große Zahl von Sklaven, die schwere körperliche Arbeit, beispielsweise in den Minen verrichtete, freigelassen wurde. Es gibt einen beachtlichen Bestand an Nachrichten über Preise, besonders bei Aristophanes und in jenen Inschriften, die über den Verkauf des beschlagnahmten Vermögens von Personen berichten, die im Jahr 415/14 v. Chr. die Mysterien entweiht und Hermen beschädigt hatten (Ehrenberg 1951: 219–52; Pritchett 1956; 1961; Amyx 1958). Der übliche Tageslohn variierte in der Regel von einer halben bis zu anderthalb Drachmen [vgl. 22].

Die Vergabe von Krediten war wichtig, damit das umlaufende Münzgeld effizienter arbeiten konnte. Der Geldverleih konnte unpersönlich sein, oder er war in soziale Zusammenhänge eingebettet. Das Fehlen von Zinsen oder eine niedrige Zinszahlung ist charakteristisch für das letztere. Die Bezugsquellen für unpersönliche Darlehen waren Wucherer (obolostatai), Pfandleiher, Ladenbesitzer (für Einkäufe auf Kredit), Körperschaften (Demen, Tempel im Demenbereich, Kultvereine), Banken (typisch für Nichtbürger, insbesondere für Handeltreibende, und für Bürger, die auf nichts anderes zurückgreifen konnten) und professionelle Geldverleiher (besonders zur Finanzierung des Überseehandels mittels Seedarlehen) (Millett 1991).

Es ist schwierig, das Ausmaß der Kreditvergabe zu bestimmen. Darlehen, die in einem sozialen Zusammenhang standen (einschließlich der Eranos-Anleihen), scheinen allgegenwärtig gewesen zu sein. Unter den unpersönlichen Geldverleihern waren die Banken so bedeutend, daß vor 411 v. Chr. ein Teil der agora für sie reserviert blieb (Bogaert 1968: 61). Die größten Banken vergaben Darlehen auf einem beträchtlichen Niveau: Als Pasion seine Bank an Phormion verpachtete, hatte er 50 Talente als Darlehen ausgeliehen. Bankdarlehen waren wahrscheinlich viel weniger wichtig als Seedarlehen, die Kaufleute und Schiffseigner in Anspruch nahmen und deren Sicherheit in der Fracht oder dem Schiff bestanden (Millett 1983). Die Häufigkeit, mit der solche Anleihen in Gerichtsreden behandelt wurden, erweckt den Eindruck, daß ein beträchtlicher Teil des athenischen Überseehandels auf diese Weise finanziert wurde (Millett 1991: 188). Andererseits ist festzuhalten, daß Athen niemals ein systematisches Mittel entwickelte, um Geld von einem Ort zum anderen zu transferieren, ohne dabei Münzen physisch zu bewegen. Tatsächlich gibt es nur drei bekannte Fälle, bei denen man eine Umgehung dieser Prozedur arrangierte, wobei keine von diesen direkt mit Hilfe einer Bank abgewickelt wurde (Millett 1991: 8). Insofern also der Handel auf der Bewegung von Münzen beruhte (siehe S. 104–6), wurde er durch die Kosten, die Unbequemlichkeit und die Unsicherheit behindert, die eine solche Transaktion mit sich brachte.

Trotzdem führen uns die Zeugnisse, die die Existenz von Krediten in Geld belegen, eindrucksvoll das Ausmaß des Geldgebrauchs vor Augen. Die Bedeutung von Verpachtungen für das Finanzwesen weist in dieselbe Richtung (Osborne 1988). Pachtzinsen wurden normalerweise in Geld berechnet und bezahlt (Davies 1984: 55; Osborne 1988: 323). Die Verpachtung von Minen und von Tempelland durch die Stadt oder von Land durch andere Körperschaften (Phylen, Demen, Phratrien, religiöse Organisationen) gab es in großem Umfang. Zeugnisse für Verpachtungen an Einzelpersonen gehen bis an das Ende des 6. Jhs. v. Chr. zurück, und Erträge von Häusern oder Ackerland waren ein üblicher Bestandteil des Einkommens eines wohlhabenden Mannes, soweit unsere Quellen zurückreichen (Davies 1984: 49). Die Vermietung von privaten Gebäuden war hauptsächlich auf Athen selbst, den Piräus und Eleusis beschränkt und wurde größtenteils von Besuchern, ansässigen Fremden oder freigelassenen Sklaven genutzt, von denen keiner Landbesitz erwerben konnte. So nennt der ‚Alte Oligarch‘ unter den Vorteilen, die daraus erwuchsen, daß Athen Gerichtsstandort war, auch jene Möglichkeiten, die diese Regelung für die Vermietung von Unterkünften, Wagen und Sklaven mit sich brachte (Ps. Xenophon, Ath. Pol. I 17). Die Verpachtung von Ackerland war teilweise eine Folge von zerstreut liegendem Landbesitz, aber die Wohlhabenden waren auch darauf angewiesen, Gelderträge aus ihren Besitzungen zu ziehen.

Die Geldforderungen an die Reichen für private Aufwendungen, Liturgien, die eisphora und Wohltätigkeit, hatten wichtige Konsequenzen. Sie führten dazu, daß Landgüter Bargeld einbringen mußten, entweder durch Pachtzinsen oder durch den Verkauf der Produkte. Dies wiederum bedingte einen weitgehend auf Geld gestützten Markt für Agrarprodukte (Osborne 1991). Das Land war daher nicht von der Geldwirtschaft ausgenommen, obwohl der Marktaustausch auf Geldbasis in ländlichen Gegenden nicht vorherrschend gewesen sein dürfte. Weder literarische noch archäologische Zeugnisse belegen die Existenz irgendeines Marktes auf dem Territorium von Athen außerhalb der Stadt selber, im Piräus und in Sounion. Bis zu fünf verschiedene agorai dürften für das Gebiet von Sounion nachzuweisen sein, aber das ist eine außergewöhnliche Region. Die Silberminen veränderten das normale Leben in den Dörfern von Grund auf (Osborne 1987: 78, 108). Anderswo ging der Landmann, wie etwa der ‚Rusticus‘ Theophrasts (12–4), in die Stadt, um Einkäufe zu machen. Darlehen von Demen und Heiligtümern dürften auf einen gewissen Bedarf an Geld auf Demenebene in ländlichen Gegenden schließen lassen. Diese Form von Krediten könnte ein beträchtliches Volumen erreicht haben: So hatte beispielsweise das Heiligtum der Nemesis von Rhamnous zu einem Zeitpunkt um 450–440 v. Chr. 51 400 Drachmen an Krediten zu festen Summen von 200 oder 300 Drachmen ausgeliehen (Fornara 1983: 90–1). Trotzdem ist es unwahrscheinlich, daß das Land stark monetarisiert war. Vermutlich spielten Tauschhandel und gesellschaftlich verankerter Austausch dort eine größere Rolle. Es fällt schwer, von dem hohen Niveau, das die Monetarisierung in der Stadt erreicht hatte, nicht beeindruckt zu sein. Für Aristoteles war Tauschhandel charakteristisch für vergangene Zeiten und für unzivilisierte Stämme, aber nicht, wie sich daran erkennen läßt, für seine eigene Gesellschaft (Aristoteles, Pol. 1257a).

Die urkundliche Tradition erlaubt keine umfassende Behandlung der Ausbreitung des Geldgebrauchs in der gesamten griechischen Welt und darüber hinaus. Wir können nicht davon ausgehen, daß es eine kontinuierliche Entwicklung in Richtung auf stärkere Monetarisierung in einer jeden Region gab; ebenso können wir nicht von einem Gebiet auf das andere schließen. Die Ausbreitung des Umlaufs und der Produktion von Münzen ist ganz allgemein naheliegend, aber weder das Vorhandensein noch selbst die Produktion von Münzen in einem bestimmten Gebiet sind sichere Indikatoren für das Ausmaß und das Wesen des dortigen Geldgebrauchs. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß die Eroberungen von Alexander und Rom bedeutende Etappen für die Ausbreitung und Verwendung des Münzgeldes und für die Entwicklung der Monetarisierung in Ost und West markierten.

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