Читать книгу Geld in der Antiken Welt - Christopher Howgego - Страница 9

Zur Geschichte des Münzgeldes

Оглавление

Eine Münze ist ein aus Metall gefertigtes Geldstück, das sich nach einem Standard richtet und eine bildliche Gestaltung aufweist. Dieses Buch behandelt die griechische Tradition der Münzprägung, die sich im Altertum bis nach Indien und Britannien ausbreitete. Die frühesten indischen Prägungen aus der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. verdanken möglicherweise einiges griechischen Anregungen, die über Persien vermittelt wurden; in jedem Fall aber war die indische Münzprägung des 3. Jhs. v. Chr., und daran kann kein Zweifel sein, von der griechischen Tradition beeinflußt (Cribb 1983). Die chinesische Münzprägung, die nur etwa ein Jahrhundert nach der griechischen eingeführt wurde, war eine völlig eigenständige Entwicklung und wird daher hier nicht berücksichtigt.

Mit welcher Berechtigung kann man aber die Tradition der Münzprägung ‚griechisch‘ nennen, wenn es gute Gründe für die Annahme gibt, daß Münzen zuerst im Königreich Lydien geprägt wurden? Daß die Anfänge der Münzprägung in Lydien liegen, sollte man nicht für erwiesen halten. Auf die Tatsache, daß unser frühestes schriftliches Zeugnis – ein Autor des 6. Jhs. v. Chr. (Xenophanes), der in einem Sammelwerk des 2. Jhs. n. Chr. zitiert wird – behauptet, das Prägen von Münzen sei eine lydische Erfindung gewesen (Pollux IX 83), kann kein großes Gewicht gelegt werden. Selbst wenn das Zitat echt ist, muß die Behauptung nicht wahr sein (vgl. Kraay 1976: 313). Die Vermutung, die Münzprägung habe in Lydien ihren Anfang genommen, stützt sich auf das Übergewicht lydischer Münzen im frühesten datierbaren archäologischen Kontext für Münzgeld überhaupt, ferner auf die Überlegung, daß Lydien natürliche Vorkommen von Elektron besaß, einer natürlichen Legierung von Gold und Silber, aus der die ersten Münzen gefertigt wurden (Herodot I 93; V 101). Andererseits ist es vielleicht einer nachdrücklichen Betonung wert, daß sich der früheste archäologische Kontext für Elektrongeld in der griechischen Stadt Ephesos gefunden hat.

Münzprägung ist jedoch unbestreitbar eine griechische Erscheinung, wo auch immer die ersten Münzen geschlagen wurden. Das wichtigste Argument dafür ist, daß sie sich äußerst schnell über die gesamte griechische Welt ausbreitete, aber anderswo nur langsam Wurzeln schlug. Innerhalb des persischen Reiches wurden im 6. Jh. v. Chr. nur in den hellenisierten Gebieten (westliches Kleinasien, Zypern, Kyrene) Münzen produziert. Die Phönizier prägten bis zur Mitte des 5. Jhs. keine Münzen. Die Karthager produzierten ihre ersten Münzen auf Sizilien in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. Die etruskische Münzprägung nimmt nur im 3. Jh. einen größeren Umfang an, obwohl es auch im 5. und 4. Jh. ein paar Emissionen gegeben hat.

Das andere Argument für den griechischen Charakter der Münzprägung ist, daß Lydien trotz seiner politischen Macht unter deutlich griechischem Einfluß stand (Boardman 1980: 97). Die lydische Kunst war ganz und gar von ostgriechischen Stilrichtungen durchdrungen, und die lydische Hauptstadt Sardes besaß sogar eine agora (Herodot V 101; was den Archäologen wundert: Hanfmann 1983: 34, 69, 72–3). Es wäre allerdings gefährlich, dem zuviel Bedeutung beizumessen. Letzten Endes erfolgte die Umgestaltung von Sardes in eine griechische polis, sowohl unter dem Aspekt ihrer äußeren Gestaltung als auch unter dem Gesichtspunkt staatlicher Institutionen, nicht vor dem 3. Jh. v. Chr. (Sherwin-White und Kuhrt 1993: 181; Hanfmann 1983: 109–38). Die Behauptung, daß die Münzprägung eine rein ‚griechische‘ Erfindung gewesen sei, läßt den möglicherweise wichtigen Gesichtspunkt außer acht, daß sie sich dort entwickelte, wo lydische und griechische Kultur sich gegenseitig beeinflußten. Dennoch wurde die Münzprägung bald ein griechisches Phänomen. Der griechische oder wenigstens hellenisierte Kontext der frühesten Prägungen ist wichtig, um die historische Bedeutung der Einführung und Verbreitung von Münzprägung zu verstehen (siehe S. 15–7).

Erneute Ausgrabungen am Tempel der Artemis von Ephesos haben die älteren Schlußfolgerungen über die Chronologie der frühesten Münzen unsicher gemacht, die auf der Abfolge der Bebauung an diesem Ort beruhten (Bammer 1990; 1991). Heute können wir nur festhalten, daß der früheste zeitliche Kontext für die Elektronprägung unterhalb des Tempels von ca. 560 v. Chr. liegt, an dessen Bau der lydische König Kroisos beteiligt war. Kunsthistorische Argumente und die Datierung des Gefäßes, in dem einige der Münzen gefunden wurden (ca. 650–625 v. Chr.), dienten dazu, das Datum für den Beginn der Münzprägung weit in das 7. Jh. zurückzuverlegen, aber entscheidend können sie nicht sein (Weidauer 1975; Williams 1991–3). Der Stil der Münzen mag konservativ erscheinen, der Vergleich zwischen großen Gefäßen und winzigen Münzen ist problematisch, und eine unbeholfene handwerkliche Ausführung kann leicht als Archaismus mißdeutet werden. Ein altes Gefäß mag jüngere Münzen bergen. Angesichts des Mangels an beweiskräftigen neuen Zeugnissen ist es besser, den gesicherten Terminus ante quem ca. 560 v. Chr. hervorzuheben und zuzugeben, daß wir nicht genau wissen, um wieviel früher die Münzprägung begann.

Die Münzen, die unter dem Artemision von 560 v. Chr. lagen, waren Elektronklumpen, die einem Gewichtsstandard unterlagen, einige ungekennzeichnet, einige mit richtigen Punzmarken, andere mit Riffelungen auf einer Seite und Punzmarken auf der anderen [3], und wieder andere mit richtigen Bildern und Punzmarken. Der Versuchung, daraus eine sich entwickelnde Abfolge zu konstruieren, sollte man nicht nachgeben (Price 1983). Alle stehen in demselben archäologischen Kontext, und ein Elektronklümpchen ohne jedes weitere Kennzeichen wurde mit derselben Punze gestempelt wie eine Münze, die auf der Gegenseite die Darstellung eines Löwenkopfes trägt (Karwiese 1991: 10).

Wir wissen nichts über die Funktion der frühesten Münzprägung. Theorien, daß die Münzen zuerst dazu benutzt wurden, um Söldner zu bezahlen, oder daß sie in einem weiteren Umfang für normierte Zahlungen durch und an den Staat dienten, sind mit dem Charakter und dem Erscheinungsbild der Münzprägung in Einklang zu bringen (Cook 1958; Kraay 1976: 317–28). Die literarische Überlieferung wie auch die anderen schriftlichen Zeugnisse sind jedoch völlig unzureichend, um uns eine Entscheidung zwischen den konkurrierenden Hypothesen zu erlauben.

Wir wissen auch bemerkenswert wenig über die Autoritäten, die hinter den Emissionen der frühesten Elektronprägungen standen. Der geläufigste Münztyp aus dem Artemision stellt einen Löwenkopf dar – die kleinsten Nominale zeigen eine Löwenpranke – und trägt manchmal eine Legende [4–5]. Eine zweite Legende ist von einer verwandten Emission bekannt, die nicht im Artemision gefunden wurde [6]. Alle diese Münzen wurden aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten, ihrer weiten Verbreitung – 45 wurden in der phrygischen Hauptstadt Gordion gefunden – und der nichtgriechischen Legenden für lydisch gehalten. Es wurde allgemein angenommen, daß die Legenden, die als VAVEL und RKALIL transkribiert werden, die Namen von Individuen wiedergeben, aber sie könnten sich ebenso auf die Münzstätte beziehen (Carruba 1991). Eine verwandte Emission zeigt antithetische Eberköpfe und eine Legende (Bammer 1991: 67). Einige andere Typen wurden mit griechischen Städten in Verbindung gebracht; das überzeugendste Beispiel ist die Zuweisung von Münzen mit einer Robbe nach Phokaia, wo die Robbe (griechisch phoke) zu einem festen Bestandteil des Typenschatzes wurde [2].

Einige Gelehrte waren davon überzeugt, daß die frühesten Münzen eher von Privatpersonen als von Staaten – seien es nun Königreiche oder Städte – hergestellt wurden, zum Teil wegen der großen Verschiedenheit der Typen (z. B. Furtwängler 1986; Price 1983). Dieselbe Schlußfolgerung wurde früher aus dem gleichen Grund für die früheste (Silber-)Münzprägung von Athen gezogen [z. B. 19]. Diese Ansicht kann nicht widerlegt werden, aber es gibt in der gesamten Antike keinen einzigen sicheren Beleg dafür, daß Münzen von Privatpersonen produziert wurden. Es gab Zeiten, in denen Staaten Münzen für einzelne Personen prägten (siehe S. 38–40), aber das ist etwas völlig anderes. Darüber hinaus ist es leicht, Beispiele späterer staatlicher Münzprägung mit einer Vielzahl von Typen zu finden (Furtwängler 1982). Bei dem frühen Elektrongeld vermittelt die große Anzahl von Typen den falschen Eindruck, daß es auch eine große Anzahl von Münzstätten gegeben habe. In einer Vielzahl von Fällen weisen verschiedene Typen dieselben Rückseiten-Punzierungen auf, woraus geschlossen werden kann, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach an demselben Ort hergestellt wurden (Weidauer 1975).

Der berühmte Typ, der anscheinend die Legende „Ich bin das Wappen des Phanes“ trägt, verleiht der These, daß einige Prägungen privater Natur waren, eine gewisse Plausibilität [1]. Jedoch wurde die Interpretation der Legende in Frage gestellt (Kastner 1986), und selbst wenn Phanes ein Personenname ist, wissen wir nicht, wer dieser Phanes war. War er vielleicht ein Tyrann, eine andere Art von Herrscher oder eine Person, die für staatliche Münzprägung verantwortlich war? (Furtwängler 1982: 23–4). Man kann argumentieren, daß es unzulässig ist, aus dem Fehlen späterer Beispiele für private Prägungen zu schließen, daß die frühesten Prägungen nicht privater Natur waren. Die frühesten Münzen könnten prinzipiell verschiedener Art gewesen sein. Dennoch scheint die Ausbreitung der Münzprägung im Zusammenhang mit der Entwicklung der polis als Staatsgebilde sinnvoll zu sein (siehe S. 15–7), und so liegt die Beweislast bei denen, die behaupten, die ersten Münzprägungen seien von Privatpersonen initiiert worden.

Elektronmünzen wurden in Lydien von Gold- und Silbermünzen abgelöst, wahrscheinlich unter Kroisos (ca. 561–547 v. Chr.), möglicherweise aber erst unter den Persern (seit 547 v. Chr.) (Carradice 1987 a) [27–28]. Die Perser setzten die Produktion von Gold- und Silbermünzen bis in die Zeit Alexanders fort [29–30], aber die meisten griechischen Städte wandten sich ausschließlich der Silberprägung zu. Es wurde manchmal behauptet, daß die Elektronprägung eingestellt wurde, weil die natürliche Legierung unterschiedliche Anteile von Gold und Silber enthielt und deshalb der Wert einer jeden Münze unsicher war. Diese Erklärung dürfte nicht richtig sein, da Analysen jetzt gezeigt haben, daß die Legierung einiger lydischer Elektronmünzen einer Kontrolle unterlag (Cowell und andere, 1998). Daher mag es von Bedeutung sein, daß es in Sardes in der Zeit zwischen 620 und 550 v. Chr. archäologische Zeugnisse für die Scheidung von Gold und Silber gibt (Hanfmann 1983: 34–41; Waldbaum 1983: 6–7). Größere Elektronemissionen mit kontrollierter Zusammensetzung wurden in Kyzikos [32], Mytilene und Phokaia bis in das 4. Jh. v. Chr. produziert.

Außerhalb des westlichen Kleinasiens ist die Chronologie der Ausbreitung von Münzprägung sehr unsicher. Für das 6. Jh. gibt es nur einen datierbaren archäologischen Fundzusammenhang, nämlich die Gründungsdeposite unter der Apadana von Persepolis.1 Hinzu kommen noch die beiden logischen Annahmen, daß der größte Teil der ansehnlichen Prägung von Sybaris in Süditalien vor der Zerstörung der Stadt im Jahr 510 v. Chr. [12] produziert wurde und daß die Münzen einiger später Kolonien erst nach Gründung dieser Städte (z. B. Abdera 544 v. Chr. und Velia 535 v. Chr.) geprägt wurden [25; 11]. Vielleicht gibt es keine weiteren sicheren Eckdaten für die zeitliche Einordnung der Münzprägung im 6. Jh. Archäologische Fixpunkte – häufiger spricht man von termini ante quos – nehmen vom frühen 5. Jh. an zu. Sorgfältige Analysen von Schatzfunden, die Münzen verschiedener Prägestätten enthalten, erlauben es, chronologische Feststellungen zu der Münzprägung einer einzelnen Stadt auf Münzen auszudehnen, die anderswo geprägt wurden. So haben wir begründete Vorstellungen von dem Niveau, das viele Münzprägungen im Verlauf des frühen 5. Jhs. erreichten. Man hat versucht, die Zeiträume, die zur Erreichung dieses Niveaus nötig waren, abzuschätzen, und diese Schätzungen dann dazu benutzt, um den Beginn der verschiedenen Münzprägungen zu bestimmen. Dabei handelt es sich um bloße Mutmaßungen, und eine ungesicherte Genauigkeit stellt für den Gegenstand eine große Gefahr dar.

Ein derartiger Agnostizismus sollte uns aber nicht von einer wichtigen Perspektive abhalten. Argumente ex silentio, d. h. aufgrund des Fehlens von Zeugnissen, sind immer gefährlich; dennoch ist die Spärlichkeit früher archäologischer Fundzusammenhänge, in denen Münzen vorkommen, auffällig. Neue Zeugnisse könnten Überraschungen bringen, aber im Moment gibt es wenig Veranlassung, sieht man von späteren literarischen Erwähnungen ab, den Beginn der Silberprägungen weit vor die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu rücken. Das aber bedeutet, daß die Ausbreitung der Münzprägung in der ganzen griechischen Welt äußerst rasch vor sich ging. Um 500 v. Chr. gab es im griechischen Mutterland, in Italien, auf Sizilien und in den hellenisierten Gebieten des Perserreiches, die Kyrenaika eingeschlossen (Abb. 1), festetablierte Münzprägung.

In einigen wenigen Fällen gestattet es die Auswanderung von Ostgriechen unter persischem Druck, den Ausbreitungsprozeß der Münzprägung zu verfolgen. Abdera, ca. 544 v. Chr. von Teos gegründet, übernahm denselben Münztyp wie seine Mutterstadt, aber unterschied seine Prägungen dadurch, daß es den Greifen in die entgegengesetzte Richtung blickend darstellte [25, vgl. 9]. Velia wurde ca. 535 v. Chr. von Flüchtlingen aus Phokaia gegründet; es übernahm einen Prägestil, der im Mutterland üblich war und sich beträchtlich von den incusen Münzen der anderen griechischen Städte Süditaliens unterschied [11]. Samier, die nach dem Ionischen Aufstand nach Zankle auf Sizilien flohen, prägten Münzen mit dem Löwenskalp von der Herastatue auf Samos und mit einer samischen Triere auf der Gegenseite [13]. Die ostgriechische Auswanderung, ferner Verbindungen zwischen Mutterstadt und Kolonie und schließlich der Handel lieferten alle zusammen Mechanismen für die Ausbreitung der Münzprägung, aber die Geschwindigkeit dieser Ausbreitung läßt sich besser mit den ökonomischen, politischen und sozialen Veränderungen der griechischen polis erklären, die die griechische Welt reif für das Münzgeld machte (siehe S. 15–7).

Bei Überlegungen zur Funktion der frühen griechischen Münzprägung muß bedacht werden, in welchem Umfang Teilstücke vorhanden waren. Man hat behauptet, daß wegen der äußerst geringen Versorgung mit kleinen Nominalen in beinahe fast jedem Staat die Münzprägung kaum dafür geeignet war, Geschäfte des Alltags abzuwickeln (Kraay 1964). Diese Beobachtung läßt jedoch die Tatsache außer acht, daß einerseits der Warenaustausch selbst einen Entwicklungsprozeß durchmachte, als die Münzprägung eingeführt wurde (siehe S. 18–9), und daß andererseits die materielle Grundlage dieser Behauptung sich verschoben hat: Metalldetektoren und größere Aufmerksamkeit der Wissenschaftler haben unsere Schätzungen über den Umfang von Teilstücken nach oben hin korrigiert.

Kraay hat richtig beobachtet, daß der hohe Wert des Elektrons bedeutet, daß selbst die kleinste Elektronmünze noch so viel wert war wie ein Tageslohn. Er wollte dabei aber keine Aussage über die Existenz von Lohnarbeit während des 6. Jhs. v. Chr. im w/estlichen Kleinasien treffen. Schließlich gibt es noch einen anderen Aspekt. Das kleinste Elektronnominal, 1/96 eines Staters, wiegt ca. 0,15g [7]. Das kleinste bisher bekanntgewordene attische Silberteilstück macht 1/16 eines Obols aus und wiegt um die 0,044g (Pászthory 1979). Münzen wurden demnach in einigen Zusammenhängen so klein wie möglich gemacht – obwohl es kaum vorstellbar ist, wie man so winzige Münzen tatsächlich handhaben konnte.


Abb. 1:Vermutliche Ausbreitung der Münzprägung bis 500 v. Chr.; einige Zuschreibungen sind unsicher, und die Chronologie ist oft zweifelhaft (Karte mit freundlicher Genehmigung von Henry Kim).

Daß der Ausstoß von Teilstücken in der archaischen Periode beträchtlich gewesen sein könnte, mag an einem Beispiel dargestellt werden. Ein Schatzfund des 6. Jhs. aus dem westlichen Kleinasien enthielt 906 Silbermünzen desselben Typs in drei Nominalstufen (CH I, 3; Kim 1994) [8]. Die zwei kleinsten Nominale wogen im Durchschnitt 0,43 g und ca. 0,21g und wurden unter Verwendung von beinahe 400 bekannt gewordenen Vorderseitenstempeln geprägt. Das läßt eine ursprüngliche Produktion von wenigstens mehreren Millionen Münzen vermuten, und noch viel höhere Zahlen sind möglich. Das ist – ganz gleich, welchen Maßstab man anlegt – eine große Emission. Ionien war ein Gebiet, das sich einer relativ guten Versorgung mit Silberteilstücken erfreute und in dieser Hinsicht die Traditionen der Elektronprägungen fortsetzte. Ein einziges Beispiel ist allerdings kein Ersatz für eine dringend benötigte Untersuchung über das Vorkommen von Teilstücken in der gesamten griechischen Welt (vgl. Kim 1994). Immerhin reicht dieses Beispiel aus, um deutlich zu machen, daß eine beachtliche Versorgung mit Teilstücken nicht erst aufgrund der Art jener weitverbreiteten Staatszahlungen, wie sie in der athenischen Demokratie faßbar sind, vermutet werden muß (vgl. S. 21–2).

Demnach scheint es jetzt so zu sein, daß die Menge von Teilstücken im späten 6. und 5. Jh. größer war, als man noch einige Jahrzehnte vorher gedacht hatte. Es wäre aber falsch, den Eindruck zu erwecken, daß eine gute Versorgung mit Teilstücken überall in der griechischen Welt gewährleistet war. Die Entwicklung von Kreditgeld aus unedlem Metall für die kleineren Nominale ist und bleibt eine wichtige Wasserscheide. Der geringe Wert unedlen Metalls – gewöhnlich handelt es sich um Bronze – bewirkte, daß selbst kleine Nominale groß genug waren, um sie ohne übermäßige Schwierigkeiten handhaben zu können. Im nördlichen Etrurien gab es eine Tradition, unedles Metall nach Gewicht als eine Art Geld zu verwenden; nach den archäologischen Zeugnissen reicht sie mindestens bis in das 6. Jh. v. Chr. zurück. Diese Tradition wurde von den Römern in einer modifizierten Form bis zum Zweiten Punischen Krieg fortgesetzt (siehe S. 128–9). Anderswo diente Bronze von Beginn an als Material für Kreditgeld (Price 1968; Picard 1989). Dies mag eine Erklärung für den Widerstand gegen seine Einführung abgeben, worüber wir eine Nachricht für das Athen des 5. Jhs. v. Chr. haben (Athenaios XV 669 D). Auf Widerstand lassen auch die Strafen in einem Gesetz aus Gortyn aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. über die Einführung von Bronzemünzen (Syll.3 525; Austin 1981: 185–6, Nr. 105) schließen.

Athen nahm eine reguläre Bronzeprägung erst im dritten Viertel des 4. Jhs. v. Chr. auf (Kroll 1979) [24]. Was das übrige griechische Festland angeht, so zeigt die Münzprägung Archelaos’ I. von Makedonien, daß Bronzegeld am Ende des 5. Jhs. v. eingeführt worden war. Aus den Ausgrabungen von Olynth – es wurde 348 v. Chr. zerstört – ergibt sich, daß Bronzegeld um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. bereits ein weit verbreitetes Phänomen war. Einige Städte Süditaliens und Siziliens begannen früher mit der Produktion von Bronzemünzen. Zumindest die Prägungen von Thurion und Akragas setzten noch vor 425 v. Chr. ein (Price 1968; 1979b). Eine eigenständige Entwicklung von Geld aus unedlen Metallen in Form von Pfeilspitzen über Radgeld und Delphinen hin zu runden Münzen fand in der nördlichen und westlichen Schwarzmeerregion zwischen der Mitte des 6. und der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. statt (Stancomb 1993).

Wenn wir auf das andere Ende der Nominalskala zu sprechen kommen, so wurden die persischen Golddareiken [30], das Gold von Lampsakos und das kyzikenische Elektron [32] als ‚internationale‘ Währungen bis in die Zeit Alexanders des Großen gebraucht. Tatsächlich scheint Elektron das Standardgeld im Schwarzmeerraum geworden zu sein. Eine internationale Rolle wurde von den im Namen Philipps II. von Makedonien produzierten Goldmünzen übernommen [43]. Die Rolle des makedonischen Goldes wurde unter Alexander dem Großen erheblich erweitert, der Gold überall in seinem Reich, im Osten bis nach Susa, prägen ließ [44]. Unter seinem Namen wurden umfängliche Goldprägungen kontinuierlich bis ca. 280 v. Chr. emittiert; später waren sie auf den Schwarzmeerbereich und das westliche Kleinasien beschränkt und hörten schließlich um 200 v. Chr. ganz auf (Price 1991a). Einige Diadochenkönige gaben Goldmünzen in ihrem eigenen Namen aus, allerdings gewinnt man den Eindruck, daß nur die Serien der Ptolemäer die einzige substantielle königliche Goldprägung waren, und sogar sie hatte ab ca. 180 v. Chr. einen geringeren Umfang [78– 79]. Im Westen prägte Karthago Goldmünzen vom frühen 4. Jh. bis zur Zerstörung der Stadt im Jahr 146 v. Chr. [81]. Im Laufe der Zeit wurde diese Prägung deutlich mit Silber verschlechtert (siehe S. 130–1).

Welcher Art die Rolle der größeren Gold- und Elektronemissionen war, ist unklar. Sie zirkulierten großräumig, und einige wurden für zwischenstaatliche Zahlungen benutzt. Es wäre interessant, zu wissen, in welchem Umfang solche Prägungen auch im internen Geldverkehr jener Städte verwendet wurden, die selbst keine oder nur sehr wenige Gold- oder Elektronmünzen prägten.

Es lohnt sich auch, danach zu fragen, warum städtische Gold- oder Elektronprägungen so selten sind. Es gab zwar einige größere Emissionen, die sich über einen mäßigen Zeitraum erstreckten. Die Elektronmünzen von Kyzikos, Mytilene und Phokaia wurden schon erwähnt, und man kann dazu noch das Gold von Lampsakos und Syrakus im 4. Jh. und die Goldprägungen von Ephesos und Rhodos in der späthellenistischen Periode anführen. Die meisten anderen Emissionen waren aber Ausnahmen und können häufig mit Notsituationen in Verbindung gebracht werden (siehe S. 130–1). Wir wissen, daß sowohl Athen als auch Rom Gold für Katastrophenfälle horteten, auf der Akropolis bzw. im aerarium sanctius. Es bleibt ungeklärt, warum es nicht mehr reguläre Goldprägungen gab. Kluge Voraussicht (d. h. Gold für Notfälle aufzusparen), anderweitige Verwendung (Kultobjekte etc.) und der hohe Wert des Goldes – es entstanden unbequem hochwertige Münzen – mögen eine Rolle gespielt haben. Der Zugang zu Minen bildete sicherlich den Hintergrund für die meisten der größeren Serien, aber Gold war unzweifelhaft in weiterem Umfang verfügbar, als es die Münzproduktion nahelegt. Existierte vielleicht ein Tabu, das die generelle Verwendung von Gold zur Münzprägung unterband und nur in absoluten Ausnahmefällen zuließ?

Die Eroberungen Alexanders des Großen waren wichtig für die Verbreitung neuer Typen von Münzgeld wie auch von Goldmünzen. Vor Alexander hatte der westliche Teil des persischen Reiches den Zufluß von griechischem Silber erlebt (siehe S. 110–2). In den hellenisierten Gebieten wurden seit dem 6. Jh. Münzen geprägt, und im 4. Jh. v. Chr. produzierte man von Ägypten bis Babylon Imitationen der athenischen Eulen (Nicolet-Pierre 1986; Price 1993) [38–39]. In Ägypten gab es vor Alexander sogar eine unbedeutende Bronzeprägung (Price 1981). Importiertes Silber mag wie Barrenmetall behandelt worden sein, aber die lokale Produktion, besonders die von Bronze, läßt auf eine Art von Münzgebrauch schließen. Die Gepflogenheit, gewogenes Silber als Mittel für den Warentausch zu verwenden, war vermutlich weit verbreitet, was sich beispielsweise aus den Schatzhaustäfelchen von 467/6 aus Persepolis ersehen läßt (Hallock 1960). Der Gebrauch von Münzen in Gebieten abseits des Mittelmeerraumes dürfte jedoch in der Zeit vor Alexander minimal gewesen sein. Die bedeutenden wie auch komplexen babylonischen Handelsdokumente der Nachkommen des Egibi (690–480 v. Chr.) in Babylonien und die des Murashu aus dem 5. Jh. v. Chr. bezeichnen Silber als das wichtigste Tauschmittel, lassen aber nicht die geringste Spur von Münzgeld sichtbar werden (Bogaert 1966: 125). Auf der anderen Seite beginnen aramäische Urkunden von Elephantine im südlichen Ägypten im letzten Jahrzehnt des 5. Jhs. v. Chr. damit, griechische Münzen zu erwähnen, und unterscheiden sie von abgewogenem Silber (Naster 1970).

Unter Alexander wurden Gold und Silber in allen Nominalen bis herab zu einem Obol in Babylon und Susa geprägt [44]. Obwohl der genaue Zusammenhang unklar bleibt, kommt man doch nicht umhin, ein astronomisches Tagebuch aus Babylon zu erwähnen, das unter dem Jahr 274/3 v. Chr. verzeichnet, wie in Babylon und den (anderen) Städten Einkäufe mit Hilfe ionischer Kupfermünzen getätigt wurden (Sachs und Hunger 1988: 345, Nr.–273, 33’). Bronzegeld wurde in Susa und Ekbatana vor dem Ende des 3. Jhs. v. Chr. geprägt, und die Seleukiden produzierten um ca. 285 v. Chr. Münzen in Baktra. Nachdem die seleukidische Oberhoheit schrittweise abgebaut worden war, setzte bald nach der Mitte des 3. Jhs. v. Chr. eine unabhängige königliche Münzprägung in Baktrien ein [75]. Um das Jahr 200 v. Chr. initiierte ein baktrisch-griechischer König im westlichen Indien eine griechische Münzprägung, die bis in das frühe 1. Jh. n. Chr. fortdauerte. Die griechische Tradition der Münzprägung wurde auch von den Herrschern Kushans im nördlichen Zentralindien und Afghanistan, weiter westlich von den Parthern und später von den Sassaniden aufgegriffen.

Im Norden der hellenischen Welt führte der Zufluß griechischen Geldes über die Bezahlung von Söldnern und andere Maßnahmen seit dem Beginn des 3. Jhs. v. Chr. zu einer imitierenden Münzprägung. Diese sogenannten Keltischen Prägungen verbreiteten sich von der Donau bis nach Britannien (Nash 1987). Die Prägung der Makedonen lieferte die bei weitem einflußreichsten Prototypen, wobei besonders die Silbermünzen Philipps II. und Alexanders in der Donauregion kopiert wurden [49], während die Goldmünzen das anregendste Modell für Zentral- und Westeuropa darstellten. Gallo-belgische Münzen erreichten Britannien vermutlich schon im 3. Jh. v. Chr., in größeren Mengen aber nicht vor ca. 150–100 v. Chr. Die Produktion von Potin-Münzen – aus gegossener Bronze – begann in Britannien ca. 120–80 v. Chr., und Gold wurde zumindest während der sechziger Jahre des 1. Jhs. v. Chr. geprägt. Vom letzten Drittel dieses Jahrhunderts bis zur römischen Invasion im Jahre 43 n. Chr. gab es in Britannien zunehmend romanisiertere Prägungen aus verschlechtertem Gold, Silber und Bronze (Haselgrove 1993) [150–152].

Rom selbst hatte unter griechischem Einfluß das Prägen von Münzen am Ende des 4. Jhs. v. Chr. übernommen. Ursprünglich war Rom sowohl dem alten etruskischen Brauch gefolgt, gegossene Bronze nach Gewicht zu verwenden, als auch der griechischen Tradition, Silber und bronzene Scheidemünzen in Umlauf zu setzen. Schnell verschmolzen die beiden Traditionen miteinander, allerdings wurde die gegossene Bronze (inzwischen in Form runder Münzen) im Laufe des Zweiten Punischen Krieges abgeschafft [84].

In demselben Krieg ergänzten einige Goldemissionen die Silber- und Bronzeprägungen [88–89], aber danach wurde bis in die Zeit von Sulla überhaupt kein Gold mehr geprägt, und bis zum Jahr 46 v. Chr. gab es keine nennenswerten Emissionen von Goldmünzen [104]. Die Gründe dafür bleiben ein Rätsel, insbesondere weil wir wissen, daß Gold als Kriegsbeute reichlich nach Rom floß. Vor einer ähnlichen Frage stehen wir auch in vielen Bereichen der griechischen Numismatik (siehe S. 9–10).

Die Schaffung einer regulären Goldprägung seit dem Jahr 46 v. Chr. stellte eine Entwicklung von größerer Bedeutung dar (Howgego 1992: 10–12). Die Ausmünzung von Gold erhöhte den Gesamtwert des umlaufenden Geldes beträchtlich. Nach den Funden aus Pompeji zu urteilen, könnte die Goldprägung im Zeitalter der flavischen Kaiser sogar zum wertvollsten Bestandteil des umlaufenden Geldes geworden sein (Duncan-Jones 1994: 70–2). Das Übergewicht des Goldes dürfte in der Spätantike noch stärker hervorgetreten sein, da die Silberemissionen abnahmen; allerdings sollte der Kontrast zur Prinzipatszeit nicht zu dramatisch herausgehoben werden.

Römische Silbermünzen hatten die Silberprägungen der griechischen Städte in Italien während des 3. Jhs. v. Chr. ersetzt. Die Geschichte, wie eine standardisierte römische Münzprägung in einem Gebiet, das einmal das Römische Reich werden sollte, in Gebrauch kam und dabei andere Münztypen ausschloß, ist komplex. Die Darstellung dieser Entwicklung ist eine der Hauptleistungen der römischen Numismatik in den letzten Jahrzehnten. Einige Entwicklungslinien sollen in Kapitel 3 skizziert werden. Manchmal hörten mit der Annexion lokale Prägungen auf, andere wiederum wurden von den Römern übernommen. Lokale Nominalsysteme wurden dem römischen angeglichen oder von ihm ersetzt. Die Lokalprägungen überdauerten länger im Osten als im Westen, und lokales Bronzegeld war länger im Umlauf als Silbergeld. Zur Zeit des Diokletian war das Münzgeld im gesamten Reich standardisiert und wurde in einem Netzwerk regionaler Münzstätten produziert. Ihre Verteilung spiegelt ziemlich genau die finanzielle Organisation des Reiches wider.

Die letztendliche Einrichtung einer standardisierten Münzprägung ist nicht von der dezentralisierten Prägung kaiserlichen Geldes zu trennen. Entscheidende Schritte in diese Richtung wurden seit etwa 250 n. Chr. unternommen. Davor hatte Rom – und für einen Teil des 1. Jhs. n. Chr. Lugdunum – die Goldprägung für das gesamte Reich, eine Silberprägung, die im Westen zur Vorherrschaft gelangte und auch im Osten in steigendem Maße in Gebrauch kam, und eine Bronzeprägung für den Westen geliefert. Möglich wurde dies durch den Umfang, in dem die römische Wirtschaft für bestimmte Zwecke vernetzt wurde (siehe S. 116). Es ist bemerkenswert, daß vor den fünfziger Jahren des 3. Jhs. n. Chr. eine dezentralisierte Produktion von Reichsmünzen in vielen Fällen mit Störungen der Einheit in Verbindung gebracht wurde, die durch militärische Auseinandersetzungen gegen äußere Feinde wie im Zweiten Punischen Krieg oder in den Bürgerkriegen der ausgehenden Republik und des Kaiserreiches hervorgerufen wurden.

Das Nominalsystem basierte auf dem Denar, der im Zweiten Punischen Krieg eingeführt wurde und erstaunlich lange in Gebrauch blieb [90]. Im Laufe der Jahrhunderte fanden einige wichtige Veränderungen statt, besonders die Aufwertung des Denars von zehn auf sechzehn Asse um 146 v. Chr., die Schaffung einer regulären Goldprägung ungefähr ab dem Jahr 46 v. Chr., die Neuordnung der Nominale aus unedlen Metallen ca. 23 v. Chr. und die Einführung des sogenannten ‚Antoninians‘ im Jahr 215 n. Chr. [140], der zwischen 240 und den frühen siebziger Jahren des 3. Jhs. nach und nach den Denar im Umlauf ersetzte. Trotzdem blieb das System im Kern dasselbe, bis es in der zweiten Hälfte des 3. Jhs. bis zur Unkenntlichkeit verändert wurde.

Die Entwicklungen im 3. Jh. sind vielschichtig, und wir verstehen sie weitgehend noch nicht richtig (siehe Kapitel 6). Fest steht, daß die finanzielle Krise eine dramatische Verschlechterung des Silbergeldes bis auf 2% Feingehalt in den sechziger Jahren und einen wachsenden Mangel an Goldmünzen verursachte. Der Feingehalt der Goldmünzen wurde auch verschlechtert, wenn auch in geringerem Ausmaß als beim Silbergeld; außerdem begann das Gewicht der Goldmünzen zu schwanken. Die Prägung kleinerer Nominale aus unedlem Metall kam zeitweise zum Erliegen. Reformen unter Aurelian und Diokletian konnten das Münzwesen nicht für längere Zeit stabilisieren. Das minderwertige Silber- und Bronzegeld blieb auch im 4. Jh. Gegenstand wiederholter Reformen. Das Silber spielte schließlich eine weniger wichtige Rolle als in der Republik und im Prinzipat, obwohl die Emissionen in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. nicht gering waren. Die volle Reinheit der Goldmünzen wurde unter Aurelian wiederhergestellt, und unter Diokletian prägte man sie wieder in einem standardisierten Gewicht. Der ‚Solidus‘ wurde seit der Zeit Konstantins nach einem Standard von 72 Münzen pro Pfund Gold geprägt, wobei auffallend große Mengen zwischen 320 und 360 emittiert wurden [176]. Der Gebrauch von Gold dominierte schließlich in den wichtigen Bereichen der römischen Wirtschaft, besonders aber bei der staatlichen Steuererhebung in Geld. Der Solidus überlebte im Westen das Römische Reich und wurde im Osten im Byzantinischen Reich weiterhin verwendet.

Geld in der Antiken Welt

Подняться наверх