Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 11

5 ForschungszielForschungsziel und MethodeMethode

Оглавление

Da die absolute WahrheitWahrheit in von Hildebrands WeltanschauungWeltanschauung einen archimedischen PunktArchimedischer Punkt einnahm und er ihre Erkennbarkeit auch zu begründen wusste, wird in dieser Arbeit zugesehen, ob und wenn ja, inwiefern die ReligionReligion Gegenstand philosophischen Erkennens ist und damit als vernünftig erwiesen werden kann. Damit unterscheidet sich die ReligionsphilosophieReligionsphilosophie von der ReligionspsychologieReligionspsychologie, die in einem empirischen Verfahren nur die religiösen Akte im Menschen betrachtet und dabei von ihrem Objekt und dessen Wahrheit absieht. Ist von HildebrandHildebrandDietrich von mit einem SachverhaltSachverhalt aus dem Bereich der Religion konfrontiert, der dem ersten Anschein nach philosophisch nicht erkannt werden kann, so wählt er, falls der Sachverhalt nicht widersprüchlich, sondern sinnvoll ist, die MethodeMethode Anselms von CanterburyAnselm von Canterbury: er glaubt, um zu verstehen (fides quaerens intellectumfides quaerens intellectum).1 Diese MaximeMaxime ist allerdings nicht im Sinne des FideismusFideismus zu verstehen, demgemäss ein rational nicht begründbarer GlaubeGlaube als Ausgangspunkt des Philosophierens zu wählen und als letzte Instanz für philosophisches ErkennenErkennen zu befürworten ist. Denn der religiöse Glaube beruht bereits selbst auf philosophischen Voraussetzungen und Erkenntnissen, die dem religiösen Glauben vorgeordnet und – trotz vieler gegenseitiger Beziehungen2 – von ihm unabhängig sind. Der Glaube wird in dieser Untersuchung jedenfalls nicht im Sinne eines heuristischen PrinzipsHeuristisches Prinzips zu einem Hilfsmittel reduziert, um gewisse Sachverhalte besser verstehen zu können. Dies muss bei der Analyse des Denkens von Hildebrands genauso beachtet werden wie bei einem AugustinusAugustinus, der sagte, „dass Philosophie, das heisst Weisheitsstreben, und Religion nicht voneinander verschieden sind“3. Ähnliche Stellen finden sich auch bei einem BonaventuraBonaventura, einem Thomas von AquinThomas von Aquin und bei vielen anderen. Unter der Voraussetzung der AntwortAntworttheoretische des Glaubens an den sich offenbarenden GottGott sucht von HildebrandHildebrandDietrich von die den Menschen geoffenbarten Wahrheiten nach Möglichkeit zu verstehen und gewisse in ihnen gründende Sachverhalte philosophisch zu erkennen. Immer aber bleibt zu beachten, dass die EinsichtEinsicht in das Verhalten einer gegebenen Sache, nach der die Philosophie letztlich strebt, eines Beweises weder fähig noch bedürftig ist. Von HildebrandHildebrandDietrich von bezeichnet es im Übrigen selbst als „höchst ‚unwissenschaftlich‘“, „ein Buch für unphilosophisch zu halten, weil in ihm der Name Christi genannt wird, statt unbefangen zu fragen, was in dem Buch an echt philosophischer Einsicht enthalten sei, und darauf zu merken, in welchem SinnSinn auf das ÜbernatürlicheÜbernatürlicheDas Bezug genommen wird“.4

Unter Zugrundelegung der realistisch phänomenologischen MethodeMethode, wie von HildebrandHildebrandDietrich von sie vor allem im vierten Kapitel seiner epistemologischen Hauptschrift Was ist Philosophie? schriftlich fixiert hat, kann insofern ein absolut gewisses ErkennenErkennen eines gegebenen Sachverhalts erwartet werden, als es sich um einen SachverhaltSachverhalt handelt, der in notwendigen Gegenständen oder Wesenheiten fundiert ist.5 Wie aber liegen die Dinge beim Relationssachverhalt6 des Verhaltens des Menschen zu GottGott oder Gottes zum Menschen? Bietet die Relation zwischen MenschMensch und Gott die epistemologische Möglichkeit, gewisse Züge mit absoluter GewissheitGewissheit erkennen zu können? Das muss sich erweisen … Wobei dies freilich, wie bereits an dieser Stelle festgehalten werden kann, in erster Linie davon abhängt, ob der Mensch die objektive WahrheitWahrheit erkennen und sich und seine Welt transzendieren kann, wie auch, ob Gottes objektive ExistenzExistenz sich überhaupt begründen lässt.

Was sodann die Auffassung betrifft, dass die ReligionReligion sich von der MetaphysikMetaphysik und der MoralMoral lösen müsse, so wird dieser Arbeit grundgelegt, dass Metaphysik und Moral der Religion nicht untergeordnet sind, wie Friedrich SchleiermacherSchleiermacherFriedrich behauptete,7 sondern mit dem Gottesbegriff so wesentlich verbunden sind, dass GottGott, wenn überhaupt, nur durch sie in philosophischer Weise verstanden werden kann.8 Analoges gilt von der Religion als Bindung an Gott, auch sie – wie gezeigt werden wird – kann nur auf dem Fundament von Metaphysik und Moral als vernünftig ausgewiesen werden. Dazu kommt, dass Metaphysik und Moral die Gegenstandsbereiche zweier Geistesvermögen des Menschen bezeichnen, nämlich des Intellekts und des Willens. Wenn sie zugunsten des Gefühls von der Religion ausgeschlossen werden, wie SchleiermacherSchleiermacherFriedrich dies tut, dann betrifft sie den Menschen nicht als Ganzen. Desgleichen, wenn Immanuel KantKantImmanuel die Religion gänzlich auf der VernunftVernunft gründen lässt9 und die Religion als „ErkenntnisErkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote“10 definiert. Auch dann ist der MenschMensch nicht als ganzer betroffen.

Doch was ist die Grundlage der ReligionReligion im Menschen? Von HildebrandHildebrandDietrich von leitet der augustinische Gedanke von der Komplexität des menschlichen Geistes, der eine EinheitEinheit bildet aus VernunftVernunft, Wille und GedächtnisGedächtnis, bzw. LiebeLiebe. AugustinusAugustinus vollbrachte auf dieser Grundlage einen bedeutenden religionsphilosophischen Beitrag, indem er die religiöse Überzeugung von der Trinität Gottes auf der Basis des Menschen als trinitarisch strukturiertem Abbild Gottes als vernünftig auszuweisen suchte. Wenn in diesem Sinne von der Vernünftigkeit gesprochen wird, dann sind auch die übrigen Geistesvermögen mitgemeint. Denn „vernünftig“ wird der MenschMensch nicht alleine durch seinen IntellektIntellekt, sondern vernünftig ist er als ganzer, unter Einbezug aller seiner geistigen Vermögen.

Gegenüber KantKantImmanuel und SchleiermacherSchleiermacherFriedrich nimmt John Henry NewmanNewmanJohn Henry mit seinem Sowohl-als-Auch eine Mittelstellung ein. Nach ihm ist die ReligionReligion weder eine blosse Frage der VernunftVernunft noch der Gefühle. Am Beispiel der ZustimmungZustimmung zur objektiven ExistenzExistenz Gottes zeigt er den Unterschied auf zwischen der begrifflichen und der realen Zustimmung. Wenn ein theistischer Theologe beispielsweise von GottGott spricht, dann handelt es sich bei seiner Zustimmung zu dieser WahrheitWahrheit um eine begriffliche.11 Um eine Zustimmung also, die die Folge bestimmter Folgerungen und intellektueller Überlegungen ist. NewmanNewmanJohn Henry ist es aber vor allem um die Frage zu tun, ob es nicht noch eine lebhaftere Zustimmung zum Sein Gottes gibt, als die mit Begriffen operierende: „Kann ich glauben, als ob ich sähe?“12 Eine solche Zustimmung, darüber ist er sich im Klaren, bedingt „eine gegenwärtige Erfahrung oder eine Erinnerung an das Faktum“13. Doch da niemand in diesem Leben Gott sehen kann, bleibt die Frage: Ist eine reale Zustimmung überhaupt möglich? NewmanNewmanJohn Henry selbst erachtet die Erfahrbarkeit Gottes als möglich, und zwar durch das GewissenGewissen. Denn das GefühlGefühl des Gewissens ist ein doppeltes, es ist einerseits ein sittliches Gefühl (moral sense), andererseits ein Gefühl der Pflicht (sense of duty). Und gerade dieses Gefühl der Pflicht impliziert einen höchsten Richter, „dem wir verantwortlich sind“14. Da die Ursachen der Gemütsbewegungen des Phänomens des Gewissens nicht dieser sichtbaren Welt angehören, muss der Gegenstand, auf den die Wahrnehmung gerichtet ist, übernatürlichübernatürlich und göttlich sein.15

Damit hat NewmanNewmanJohn Henry nicht nur ein ArgumentArgument für die Erfahrbarkeit Gottes beigebracht, mit der Unterscheidung zwischen der begrifflichen und der realen ZustimmungZustimmung hat er überdies den Unterschied zwischen der Theologie und der ReligionReligion begründet. Während die Theologie als WissenschaftWissenschaft es nämlich mit den Begriffen zu tun hat, gründet die Religion auf Erfahrungen. Weswegen die Theologie prinzipiell auch ohne die Religion bestehen kann, nicht aber die Religion ohne die Theologie, denn wenn die entsprechenden Erfahrungen fehlen, wird auf den IntellektIntellekt und die gesunde und bewährte Lehre zurückgegriffen.16 Die religiösen ÜberzeugungenÜberzeugungenreligiöse, die aufgrund bestimmter Erfahrungen oder im Zuge des Rückgriffs auf die überlieferte Lehre entstehen, auf ihre Vernünftigkeit hin zu prüfen, ist Aufgabe der ReligionsphilosophieReligionsphilosophie.

Das ForschungszielForschungsziel besteht in diesem Rahmen schliesslich im Aufweis der ReligionReligion als einem Dialog zwischen MenschMensch und GottGott. Kann von diesem Dialog erwartet werden, dass er die entscheidenden Fragen des Menschen zu beantworten, sein BedürfnisBedürfnis nach TranszendenzTranszendenz zu befriedigen und sein Leben sinnvoll zu gestalten vermag? Um diese Frage beantworten zu können, ist es angezeigt, dass in einem ersten Schritt die Möglichkeit der Erlangung transzendenter Erkenntnisse begründet wird. Eine Aufgabe, die in wesentlichen Stücken in der Überwindung des ImmanentismusImmanentismus und SubjektivismusSubjektivismus Kantscher Prägung besteht, wobei auch der Erfahrung Rechnung zu tragen sein wird (vgl. Abschnitt I). Im Anschluss sei geprüft, wie es um die ErkenntnisErkenntnis Gottes und die dagegen erhobenen Einwände bestellt ist (vgl. Abschnitt II), um sodann das WesenWesen und die Gottfähigkeit des Menschen zu besprechen (Abschnitt III), sie daraufhin als mit Leben gefüllte Realität zu untersuchen und schliesslich die religiösen Aussagen und Überzeugungen betreffend den Zustand nach dem irdischen TodTod kognitiv zu deuten und auf ihre Vernünftigkeit hin zu erörtern (Abschnitt IV). Was alles, wie gesagt, auf der Grundlage der philosophischen Einsichten Dietrich von Hildebrands unternommen wird. In die Diskussion werden dabei solch namhafte Denker einbezogen wie Thomas von AquinThomas von Aquin, Immanuel KantKantImmanuel, Ludwig FeuerbachFeuerbachLudwig, Friedrich NietzscheNietzscheFriedrich oder Max SchelerSchelerMax, um hier nur einige zu nennen.

Bezüglich der Gliederung der vorliegenden Untersuchung und des praktischen Umgangs mit ihr sei an dieser Stelle noch vermerkt, dass am Ende eines jeden Abschnitts die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden, was den Zugang zu den interessierenden Argumentationsgängen erleichtern soll. Die verwendeten Werke Dietrich von Hildebrands werden zu Beginn des Literaturverzeichnisses angeführt. Im Hauptteil der Bibliographie finden sich – nach den einzelnen Abschnitten gegliedert – die Quellen und die verwendete Literatur verzeichnet.

Person und Religion

Подняться наверх