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6.2 Husserls Beiträge zur Beantwortung der „Kardinalfrage der ErkenntnistheorieErkenntnistheorie, die ObjektivitätObjektivität der ErkenntnisErkenntnis betreffend“1

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Wenn im Folgenden das WesenWesen und die MethodeMethode der Realistischen PhänomenologiePhänomenologie herauszuarbeiten gesucht wird, dann geschieht dies durch einen kritischen Vergleich mit gewissen Husserlschen Thesen.2 Was die nachmaligen Realistischen Phänomenologen unter Husserls Studenten an seinem Frühwerk begeisterte, war sein konsequenter Objektivismus. Die MaximeMaxime, die ihn in Logische Untersuchungen leitete, lautete: „Wir wollen auf die ‚Sachen selbst‘ zurückgehen“3. Mit dieser Maxime stellte HusserlHusserlEdmund sich entschieden gegen alle subjektivistischen Reduktionismen und alle konstruktiven Tendenzen, welche häufig im IrrtumIrrtum enden.4

Gegen den RelativismusRelativismus in der FormForm des AnthropologismusAnthropologismus, demnach für die Spezies MenschMensch nur das wahr ist, „was nach ihrer Konstitution, nach ihren Denkgesetzen als wahr zu gelten habe“, stellt er die Widersinnigkeit der „Rede von einer WahrheitWahrheit für den oder jenen“.5 „Denn es liegt in ihrem Sinne, dass derselbe Urteilsinhalt (SatzSatz) für den Einen, nämlich für ein SubjektSubjekt der Spezies homo, wahr, für einen Anderen, nämlich für ein Subjekt einer anders konstituierten Spezies, falsch sein kann.“6 Derselbe Wortinhalt kann aber nicht beides zugleich sein, nämlich wahr und falsch. „Die Wahrheit relativistisch auf die Konstitution einer Spezies gründen, […] ist aber widersinnig.“7 Denn wenn die Wahrheit ihre alleinige Quelle in der allgemeinen menschlichen Konstitution hätte, so bestünde keine Wahrheit, wenn keine solche Konstitution bestünde. Die Widersinnigkeit zeigt sich auch an der Behauptung, dass keine Wahrheit besteht, „denn der Satz ‚es besteht keine Wahrheit‘ ist dem Sinne nach gleichwertig mit dem Satze „es besteht die Wahrheit, dass keine Wahrheit besteht‘“8. „Was wahr ist, ist absolut, ist ‚an sich‘ wahr; die Wahrheit ist identisch Eine, ob sie Menschen oder Unmenschen, Engel oder Götter urteilend erfassen.“9

Die WahrheitWahrheit wird im WissenWissen besessen. Doch „nicht jedes richtige UrteilUrteil, jede mit der Wahrheit übereinstimmende Setzung oder Verwerfung eines Sachverhalts ist ein Wissen vom Sein oder Nichtsein dieses Sachverhalts“10. Die Wahrheit hat ein Kennzeichen: die EvidenzEvidenz. Die „lichtvolle GewissheitGewissheit, dass ist, war wir anerkannt, oder nicht ist, was wir verworfen haben“11. „Evidenz ist […] nichts anderes als das ‚Erlebnis‘ der Wahrheit“12, d.h. der „Idee, deren Einzelfall im evidenten Urteil aktuelles Erlebnis ist“13. Ja, die Evidenz ist ein „unmittelbares Innewerden der Wahrheit selbst“14, auf der „jede echte und speziell jede wissenschaftliche ErkenntnisErkenntnis“15 beruht. „Wissen im engsten Sinne des Wortes ist Evidenz davon, dass ein gewisser SachverhaltSachverhalt besteht oder nicht besteht“16. Auch wird die echte und rechte WissenschaftWissenschaft nicht erfunden, „sondern sie liegt in den Sachen, wo wir sie einfach vorfinden, entdecken“17. Diese Einsichten sind grundlegend für den phänomenologischen Realismus.

HusserlHusserlEdmund war gegen den PsychologismusPsychologismus angetreten und hat ihn überwunden, indem er nachgewiesen hat, dass die WahrheitWahrheit von Sätzen wie „2 + 3 = 5“ sich nicht nach dem tatsächlichen Denken einer Psyche richtet, sondern das tatsächliche Denken jeder Psyche sich nach ihr zu richten hat. In diesem Sinne ist der Schluss auf eine notwendige Folge „nicht ein empirisch-psychologischer Zusammenhang von Urteilserlebnissen, sondern ein ideales Verhältnis von möglichen Aussagebedeutungen, von Sätzen“18. Was im Denken verbunden wird, sind „Begriffe und Sätze mit ihren gegenständlichen Beziehungen“, wobei den „subjektiven Gedankenverknüpfungen“ eine objektive Bedeutungseinheit entspricht.19 Was hier Bedeutung heisst, befasst „durchaus nur ideale EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische“20. „Die Idealität der Wahrheit macht aber ihre ObjektivitätObjektivität aus.“21 Diese objektiven Bedeutungseinheiten der Begriffe und Wahrheiten werden nicht gemacht, „als handelte es sich um Zufälligkeiten eines oder des allgemein menschlichen Geistes“, vielmehr werden sie eingesehen und entdeckt.22

„Wo also im Zusammenhang mit dem prägnanten Terminus denken das Wörtchen können auftritt, ist nicht subjektive NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive, d.i. subjektive Unfähigkeit des Sich-nicht-anders-vorstellen-könnens, sondern objektiv-ideale NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive des Nicht-anders-sein-könnens gemeint.“23 Diese objektive NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive kommt im BewusstseinBewusstsein zur Gegebenheit als apodiktische EvidenzEvidenz.24 Ausdrücklich merkt HusserlHusserlEdmund an, dass die NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive in einem Stehen in gesetzlichem Zusammenhang liegt. „Was das Anderssein verwehrt, ist eben das Gesetz, das sagt, es ist nicht bloss hier und jetzt so, sondern überhaupt, in gesetzlicher Allgemeinheit. An dieser Stelle weist er auch auf den grundlegenden Unterschied hin zwischen der apriorischen WesensnotwendigkeitWesensnotwendigkeit und der empirischen NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive.25 Empirische NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive ist jedoch keine Wesensnotwendigkeit, und „‚NaturgesetzeNaturgesetze‘, Gesetze im Sinne der empirischen Wissenschaften, sind keine Wesensgesetze (Idealgesetze, apriorische Gesetze)“26. Bis hierher geht die Realistische PhänomenologiePhänomenologie noch ganz mit HusserlHusserlEdmund einig.27 Auch da noch, wo er zwischen unselbständigen und selbständigen Teilen unterscheidet:

Wir können uns einen Mann mit zwei Köpfen, den Oberleib eines Menschen verbunden mit dem Unterleib eines Pferdes vorstellen, oder auch einzelne Stücke, einen Kopf, eine Nase, ein Ohr für sich. Dagegen ist es unmöglich, eine ‚abstrakte Idee‘ zu bilden, z.B. die ‚Idee‘ einer Bewegung abzutrennen von der eines bewegten Körpers. […]

Wir haben in Ansehung gewisser Inhalte die EvidenzEvidenz, dass die Änderung oder Aufhebung mindestens eines der zusammen mit ihnen gegebenen (aber nicht in ihnen eingeschlossenen) Inhalte sie selbst ändern oder aufheben müsse. Bei anderen Inhalten fehlt uns diese Evidenz […].

In der ‚NaturNatur‘ des Inhalts selbst, in seinem idealen WesenWesen, gründet keine Abhängigkeit von anderen Inhalten, er ist in seinem Wesen, durch das er ist, was er ist, unbekümmert um alle anderen. Es mag faktisch so sein, dass mit dem Dasein dieses Inhalts andere Inhalte, und nach empirischen Regeln, gegeben sind; aber in seinem ideal fassbaren Wesen ist der Inhalt unabhängig, dieses Wesen fordert durch sich selbst, also a prioria priori, kein mitverflochtenes anderes Wesen.28

Während die Gegenstände der empirischen Wissenschaften sinnlich sind, sind diejenigen der apriorischen Wissenschaften kategorial. Jene sind ihm real, diese aber ideal.29 Dass diese Unterscheidungen zur BegründungBegründung der WesensnotwendigkeitWesensnotwendigkeit zu kurz greifen, wird sich weiter unten zeigen, wenn mit Dietrich von HildebrandHildebrandDietrich von die drei grundsätzlich verschiedenen Wesenheiten unterschieden werden, anhand derer die objektive Wesensnotwendigkeit begründet werden kann. Jedenfalls haben sich nach all den objektivistischen Meisterstücken die ersten Anzeichen des Übergangs zum transzendentalen IdealismusTranszendentaler Idealismus30 bei der Gleichsetzung der Realität mit der Zeitlichkeit abgezeichnet.31 HusserlHusserlEdmund unterliegt damit dem seit KantKantImmanuel virulenten Einfluss, dass man sich nicht mehr über das BewusstseinBewusstsein hinaus traut.32 Ein Sein im Bewusstsein ist ihm dementsprechend nur das Sein des Idealen, währenddem das Sein des Realen ein „Sein ausserhalb des Bewusstseins“33 ist. „Real ist das Individuum mit all seinen Bestandstücken; es ist ein Hier und Jetzt.“34

Husserls Versuch schliesslich, das objektive AprioriApriori dennoch mit der MethodeMethode der phänomenologischen EpochéEpoché zu retten, vermochte das objektive An-sich weder einzuholen noch zu begründen. Denn durch die Einklammerung der „Generalthesis der natürlichen Einstellung“, die ihm „jedes UrteilUrteil über räumlich-zeitliches Dasein völlig verschliesst“, bleibt er nach all den erhellenden Einsichten in transzendente Wirklichkeiten bei der Sphäre seines eigenen Bewusstseins stehen und studiert, „was wir in ihr immanent finden“, um von da her „die EinsichtEinsicht zu vollziehen, auf die wir es abgesehen haben, nämlich die Einsicht, dass BewusstseinBewusstsein in sich selbst ein Eigensein hat, das in seinem absoluten Eigenwesen durch die phänomenologische Ausschaltung nicht betroffen wird“, sondern „uns das ‚reine‘ Bewusstsein und in weiterer Folge die ganze phänomenologische Region zugänglich macht“.35 Von da her mündeten Husserls Bemühungen mit dem transzendentalen Ego in die transzendentale Subjektivität und den transzendentalen IdealismusTranszendentaler Idealismus.36 Welche Konsequenz er leichtlich hätte umgehen können, wäre er nicht auf den IrrtumIrrtum verfallen, dass es alleine die Einklammerung des Daseins und dadurch die Unabhängigkeit von der NaturNatur des Objekts sei, wodurch Gegenstände apriorisch erkannt werden könnten. Wenngleich HusserlHusserlEdmund die BegründungBegründung apriorischen Erkennens im Letzten nicht gelungen ist, so bereitete er mit der Einklammerungstheorie immerhin den Boden, von dem aus von HildebrandHildebrandDietrich von die Apriorierkenntnis mit den drei grundsätzlich verschiedenen Wesenheiten schliesslich zu begründen vermochte.

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