Читать книгу Die Welt im Viertel - Cord Buch - Страница 11
Ein Tag vor dem Gipfel, 11:30 Uhr
ОглавлениеJensens Handy meldet sich mit Blowing’ in The Wind von Bob Dylan und reißt ihn aus dem hektischen Bemühen, den aktuellsten der zahlreichen Newsticker zu finden. Manchmal fragen ihn jüngere Kollegen nach seinem Klingelton. Dann steht Jensen dazu, einen Teil seiner Vergangenheit in das Jetzt hinübergerettet zu haben. Er war auch mal jung.
Aber das war im letzten Jahrtausend. Und dass auf seinem Telefon ein Literaturnobelpreisträger singt, das wissen die Jungen nicht.
Ohne auf den angezeigten Anrufer zu achten, nimmt er das Gespräch an.
»Werner Jensen.«
»Ich bin es, Wiebke.«
»Ist dir langweilig draußen auf der Straße?«
Jensen versucht sich in einem besorgten Tonfall.
»Werner, pass auf, du musst sofort kommen. Also, äh, es ist etwas passiert.«
Jensen realisiert, dass seine Kollegin sich weit neben ihrer Spur befindet, ihre Gelassenheit verloren hat, von irgendwelchen Ereignissen erschüttert ist. Musste sie sich mit Demonstranten prügeln? Ist sie, die routiniert mit schrecklichen Morden umgehen kann, von der Gewalt auf der Straße aus dem Gleichgewicht gebracht worden?
Egal, Wiebke gehört in sein Team, mit ihr arbeitet er am liebsten zusammen, für sie ist er da, wenn sie ihn braucht.
»Wiebke, ganz langsam. Was ist passiert?«
Als Antwort vernimmt Werner Jensen ein Geräusch, das irgendeinem Zwischending aus Seufzer, Weinanfall und Verzweiflung entsprungen ist.
»Conny! Sie ist angeschossen worden, wahrscheinlich ist sie tot!«
»Was?«
»Ja, doch, Conny!«
Jensen zieht hörbar Luft in seine Lungen. Seine Kollegin? Angeschossen? Erschossen?
»Was? Wie? Warum?« Zeitgleich mit dem Aussprechen der Worte fühlt er, dass er mit seinen Fragen Wiebke Maurer nicht beruhigen kann.
»Werner, du musst sofort kommen. Der Notarzt ist schon da, und die Bundespolizei sperrt alles ab. Gleich wird der Staatsschutz kommen, und die ziehen ihr Ding durch. Unser Team muss ermitteln, Conny zuliebe. Verstehst du?«
»Ja.«
Mehr bringt Jensen nicht heraus.
»Kommst du?«
»Ja, so schnell es geht. Sofort.«
»Schlag dich irgendwie durch. Das Blaulicht auf deinem klapperigen Golf wird dir nicht viel helfen. Die Straßen, die nicht gesperrt sind, sind von Staus blockiert.«
»Ich schaffe es schon. Halte die Stellung. Bis gleich.«
Jensen drückt hektisch die rote Taste seines Telefons und kramt seinen Autoschlüssel aus der Schreibtischschublade. Bis in die Nähe des Tatortes wird er schon kommen. Danach wird er weitersehen.