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Ein Tag vor dem Gipfel, 13:30 Uhr

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Seit heute Morgen residiert Staatsanwalt Müller zusammen mit seinen Kollegen in der Gefangenensammelstelle in Harburg, kurz GESA genannt. Es werden viele Festnahmen erwartet: Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, womit das Werfen von Silvesterböllern gemeint ist.

Schon Ende Februar hat Müller sich die GESA angeschaut. Verwaschene Streifen in schmutzigem Weiß zierten damals wie heute den verlassenen Parkplatz vor der grauen Halle. Es ist eine Weile her, dass in dem Gebäude ein Großmarkt seine Produkte an die Kundschaft brachte. Nicht so lange ist es her, dass die Halle als Sammelunterkunft für Flüchtlinge in dem südlich der Elbe gelegenen Stadtteil Harburg diente. Eine Umzäunung aus NATO-Stacheldraht hat die 12 000 Quadratmeter große Halle in eine Festung verwandelt.

»Wissen Sie, wie viele Gefangene hier hineinpassen?«, spricht die Kollegin am Nachbarschreibtisch Staatsanwalt Müller an.

»Ich habe gehört, 150 in Einzelzellen und 250 in Sammelzellen.«

»Nicht schlecht. Das heißt, dreißig Quadratmeter für jeden Gefangenen. Das ist mehr, als jede Studentenbude hat.«

Die Kollegin ist gut in Kopfrechnen.

»Das ist eine Milchmädchenrechnung.« Müller ist gut informiert über die GESA. »Eine Einzelzelle hat drei Quadratmeter, in einer Sammelzelle kommen fünf Festgenommene auf neun Quadratmeter. Der Rest der Halle wird für die Bürocontainer gebraucht, in denen wir Staatsanwälte, die Richter und Rechtsanwälte ihren Arbeitsplatz haben. Dazu kommen noch Räume für Ansprechpartner aus Konsulaten, falls ausländische Staatsbürger festgesetzt werden.«

Ein Anruf des Oberstaatsanwalts reißt Müller aus dem Gespräch und dem Warten auf den ersten Gefangenentransporter. Es gibt eine Tote, eine erschossene Polizistin, einen Mord. Müller soll übernehmen.

Er streicht seinen Anzug glatt und fährt sich mit der Hand durch seine dunklen und lockigen Haare. Der Fall kommt zur rechten Zeit. Er steckt seine Kraft lieber in eine wirklich wichtige und interessante Untersuchung, als sich mit verhafteten Demonstranten herumschlagen zu müssen, in deren Rucksäcken Pyrotechnik gefunden wurde. Er eilt von Harburg aus in sein Büro.

»Endlich.«

Müller begrüßt ungeduldig Jensen und Moser, als sie wenige Minuten nach ihm das staatsanwaltliche Zimmer betreten. Mit der linken Hand schiebt er seine neue Brille zurecht, die genauso unmodisch daherkommt wie ihre Vorgängerin.

»Es gibt einen Angriff auf den Staat. Eine seiner Repräsentantinnen ist ermordet worden. Der oder die Mörder müssen sofort gefasst werden. Höchste Priorität, Sie können sich das denken.«

»Conny Schrader war meine Kollegin, sie gehörte zu meinem Team.«

Jensen geht nicht auf den Staatsanwalt ein.

»Genau«, fährt dieser mit Worten fort, die er sich unterwegs zurechtgelegt hat. »Der Staatsschutz wird die Ermittlungen übernehmen. Wir richten eine Soko ein. Herr Moser wird diese leiten. Sie wird alle Unterstützung bekommen, die sie benötigt. Materiell, personell, und so weiter.«

Staatsanwalt Müller dreht seinen Kopf und blickt Jensen in die Augen.

»Sind Sie emotional in der Lage, in der Soko mitzuarbeiten?«

»Conny Schrader war meine Kollegin«, wiederholt sich Jensen.

»Und deshalb sind Sie möglicherweise befangen, psychisch belastet, irgend so etwas, und das könnte sie in ihrer Arbeit behindern.«

»Auf keinen Fall. Ich will den Mörder meiner Kollegin fassen.«

»Gut«, der Staatsanwalt will schnelle Ergebnisse, aber keine Diskussionen, und schon gar nicht über die emotionale Befindlichkeit einzelner Polizisten.

»Unterstützen Sie Herrn Moser bei den Ermittlungen.«

Jensen schluckt unmerklich für den Staatsanwalt und Moser. Er soll das fünfte Rad am Wagen sein und nicht die Soko leiten, wie üblich? Aber egal, Hauptsache, er ist dabei. Aber eine Frage muss er noch klären.

»Die Kollegin Wiebke Maurer sollte auch der Soko angehören.«

»Warum?«

»Sie kannte von uns Kollegen die Tote am besten.«

»In Ordnung. Ich habe Ihnen ja alle Unterstützung zugesagt. Und nun bitte an die Arbeit. Heute Abend um acht werden Sie mir die ersten Ergebnisse vorlegen. Brauchen Sie mich vorher, wissen Sie, wie Sie mich erreichen können.«

Die Welt im Viertel

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