Читать книгу Die Welt im Viertel - Cord Buch - Страница 16
Ein Tag vor dem Gipfel, 13:30 Uhr
ОглавлениеNele schlägt sich von den Containern des KIDS zum Hauptbahnhof durch. Die Innenstadt sieht aus wie auf ihrem Hinweg. Aber Nele spürt eine aggressivere und gespanntere Stimmung. Sind das die Wellen, die der Gipfel in die Gefühle der Menschen aussendet?
»Der nächste Zug Richtung Altona hat fünfzehn Minuten Verspätung«, quäkt der Bahnsteiglautsprecher über die wartenden Zuggäste, von denen niemand erwartet, dass während der Gipfeltage der Fahrplan eingehalten wird.
Nele nimmt ihr Smartphone zur Hand und wählt einen Tweet, in dem zeitnah über die Geschehnisse auf den Straßen berichtet wird. Sie mag nicht glauben, was sie liest: Eine Polizistin soll erschossen worden sein.
»Wer tut so etwas?«, denkt sie. Und gleichzeitig befürchtet sie, dass über die Ungerechtigkeiten in der Welt, den drohenden Klimakollaps und über Gegenentwürfe in den nächsten Tagen kaum geredet werden wird. Die öffentliche Debatte wird von der Ermordung der Polizistin geprägt werden.
Der verspätete Zug rollt vor der angekündigten Zeit ein, und eine Viertelstunde später betritt Nele den Redaktionskeller der Stadtrundschau. Eine hektische Arbeitsatmosphäre empfängt sie und saugt sie auf. Es wird diskutiert, recherchiert, telefoniert und geschrieben. An seinem Arbeitsplatz erblickt sie Bernd. Sie eilt zu ihm hin.
»Es wurde eine Polizistin erschossen.«
»Ich weiß.«
»Wer von uns schreibt darüber? Das geht gar nicht, Leute zu erschießen.«
»Mal langsam, Nele. Ich bin auch gerade erst reingekommen. Und ich glaube, wir sollten das nicht so hoch hängen. Verstehst du, Henne und Ei? Sven ist tot, durch einen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Und jetzt eine Polizistin. Das ist die Realität dieses G20-Gipfels.«
»Das meinst du nicht ernst, oder? Svens Tod ist doch kein Grund, eine Polizistin zu erschießen. Mensch, Bernd!«
»Und was meinst du, wie viele Demonstranten in den kommenden Tagen verletzt werden? Wie viele festgenommen werden? Wie viele der jungen Leute den Gipfel mit einem Trauma überleben? Und das alles nur, damit Trump und Putin mit Erdogan und Konsorten abfeiern können!«
»Bernd, ganz ruhig. Wir sind alle überreizt in diesen Tagen. Monatelang hat der Gipfel seine Schatten vorausgeworfen. Jetzt geht es los. Und wir wissen nicht, was uns erwartet.«
»Damit hast du wohl recht.«