Читать книгу Der kleine Herr Carl - Cristina Zehrfeld - Страница 7

Die Grundlage für Geniales

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Freilich lässt sich auf dem stündlichen Betreiben eines Glockenspieles keine wirklich tragfähige Karriere aufbauen, selbst dann nicht, wenn dieses Glockenspiel bis in die übernächste Straße zu hören ist. Deshalb hat der kleine Herr Carl die musikalische Herausforderung gesucht. Das wurde auch Zeit, denn inzwischen war er schon drei Jahre alt. Nun allerdings ging es richtig los. Die Voraussetzungen waren prächtig, denn nun durfte der kleine Herr Carl auf dem Klavier seiner Tante herumklimpern. Nicht nur hin und wieder, sondern jederzeit. Mutter Carl hat den kleinen Herrn Carl sogar dazu ermuntert, diese Möglichkeit möglichst ausschweifend zu nutzen, und zwar weil sie ihre Schwester, die Tante des kleinen Herrn Carl, nicht recht leiden konnte. Mutter Carl hoffte, dass sie ihre Schwester mit dem permanenten Geklimper in den Wahnsinn treiben könnte. Das hat allerdings nicht geklappt, weil der kleine Herr Carl schon nach kurzem Probieren die herzallerliebsten Melodien spielte. Das war ein großes Glück für die Tante, aber das Unglück der Cousine, die recht eigentlich zum Üben auf dem elterlichen Instrument verdonnert war: Der kleine Herr Carl hatte sie binnen weniger Tage überflügelt. Dies, obwohl er erst drei, die Cousine aber bereits dreizehn Jahre alt war. Aus Gram ist die bewusste Cousine (eine Tochter der Tante) vom Balkon des Hauses gesprungen und hat sich dabei beide Beine gebrochen. Ihr Klavierspiel ist davon kein bisschen besser geworden. Allerdings ist sie wenig später völlig dem Wahnsinn verfallen. Sie hat ihre Klavierausbildung an den Nagel gehängt, ist in die größte und renommierteste psychiatrische Einrichtung der Deutschen Demokratischen Republik umgezogen und hat sich dort wenig später mittels Selbstverbrennung vom Leben nach dem Tode befördert. Eine sehr traurige Geschichte aus der Kindheit des Maestro Carl, die der Meister dennoch sehr gern erzählt, denn die Cousine hat mit dieser heroischen Tat bewiesen, dass es in der Familie des Maestros definitiv massive psychische Störungen gab. Für Maestro Carl ein schier unglaublicher Glücksumstand, denn der innerfamiliäre Wahnsinn, so ist er überzeugt, macht das Genie überhaupt erst möglich.

Der kleine Herr Carl

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