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WENN STRESS CHRONISCH WIRD

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Im Nachhinein ist mir klar: Ich hatte das Potenzial der ständigen Anspannung komplett ausgereizt. Der positive Stress war in sein Gegenteil umgeschlagen. Hätte ich damals im Psychologiestudium schon die biologischen Grundlagen von Stress durchgenommen, dann hätte mir das klar sein können. Denn der »fight, flight or freeze«-Mechanismus ist für die kurzfristige Reaktion auf eine akute Gefahr gemacht. Es dauert eben meistens nicht lange, bis so ein Kampf unter Rivalen entschieden ist, und auch ein wütendes Mammut gibt irgendwann die Verfolgung eines Flüchtenden auf. Genau für solche kurzen Zeitspannen alle körperlichen Ressourcen aufzubieten, um zu kämpfen oder aber die Beine in die Hand zu nehmen, ist gesund – oder lebensnotwendig. Aber danach sollte wieder Ruhe einkehren, damit die Stresshormone abgebaut werden können und sich der Körper entspannen darf. Bis zum nächsten Stressreiz.

Das Problem ist, dass der in unserer Welt nicht lange auf sich warten lässt. Wir begegnen zwar kaum Säbelzahntigern und müssen im Normalfall auch nicht mehr um Wohnhöhlen kämpfen. Aber unser Gehirn macht keinen Unterschied zwischen echter Lebensgefahr und einer Alarmsituation, die vor allem in unserem Kopf stattfindet. In unserem Körper läuft daraufhin immer und immer wieder derselbe Überlebensmechanismus ab.


Eine Präsentation vor einer wichtigen Neukundin: zack, Alarm – Herzklopfen, Anspannung, das volle Programm. Kratzige Geigenmusik und huschende Schatten auf der Kinoleinwand – Alarm! Eine unfreundliche E-Mail, die uns auf einen Fehler aufmerksam macht – Alarm! Und so weiter, und so fort. Im schlimmsten Fall kommt unser Körper aus dem Panikmodus gar nicht mehr heraus.

Das hat Folgen. Wir schlafen schlecht und wälzen uns stattdessen grübelnd im Bett herum. Am nächsten Tag fühlen wir uns erschöpft und am übernächsten noch erschöpfter. Bei der Arbeit können wir uns schlecht konzentrieren und werden vergesslicher. Kopfschmerzen und Rückenschmerzen, Herzrasen bis hin zu Panikattacken – die Liste der Stressbeschwerden ist lang. Hält der Stress über eine sehr lange Zeit an, wird er sogar lebensbedrohlich. Die Wissenschaft führt inzwischen immer mehr körperliche und psychische Erkrankungen auf chronischen Stress zurück: Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Herzinfarkten und Schlaganfällen, Verdauungsprobleme, Entzündungen, Depressionen, Burnout.

Burnout. Die Wand, gegen die ich 2012 gelaufen war, hatte einen Namen. Die ständige Anspannung, aus der ich jahrelang so viel Energie gezogen hatte, war auf einmal in ihr Gegenteil umgeschlagen. Statt ständig im Turbomodus zwischen Sport, Studium und Job unterwegs zu sein, tat ich – gar nichts mehr. Ich hing zu Hause rum, kaum fähig, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Freunde treffen? Allein der Gedanke, in diesem Zustand anderen Menschen gegenüberzutreten, schreckte mich ab. Was würden sie wohl denken, wenn sie mich so sähen? Jacob, der Überflieger, in vollem Absturz?


Ich badete in Selbstmitleid: Warum ich? Was hatte ich falsch gemacht? Warum hatte ich plötzlich mein Leben nicht mehr im Griff? Gleichzeitig fühlte ich mich vollkommen unfähig, an meinem Zustand etwas zu ändern. Apathisch starrte ich gegen die Wand oder auf das Smartphone, während ich ohne hinzusehen immer wieder die Hand nach der Schokolade ausstreckte. Drei Monate lang ernährte ich mich hauptsächlich von Junkfood und bewegte mich kaum. Essen wurde mein Tröster, meine Ablenkung, mein Lichtblick. Irgendwann kniffen die Hosen, die Hemden, sogar die Schuhe saßen enger. Als ich mich auf die Waage stellte, zeigte sie mir 21 Kilo mehr an als noch vor wenigen Monaten.


WENN DIE SEELE HILFE BRAUCHT

Alltagsstress ist das eine. Mit ihm konstruktiv umzugehen, haben wir selbst in der Hand. Die Methoden dafür zeige ich Ihnen in diesem Buch.

Ernsthafte Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen sind allerdings etwas ganz anderes. Sie lassen sich nicht einfach allein bewältigen, sondern dazu braucht es kompetente Hilfe, beispielsweise durch Psychotherapie. Auch ich hatte in meiner Krise therapeutische Unterstützung – ohne wäre es nicht gegangen.

Wenn Sie das Gefühl haben, Ihre Seele (und vielleicht auch Ihr Körper) ist ernsthaft aus dem Gleichgewicht geraten, dann suchen Sie sich Hilfe! Erste Anlaufstelle ist Ihre hausärztliche Praxis, in akuten Krisen auch jede Krankenhaus-Notaufnahme. Außerdem ist die anonyme Telefonseelsorge rund um die Uhr kostenlos erreichbar:

0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222 oder per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de

Informationen und Hilfe finden Sie online auch unter www.deutsche-depressionshilfe.de und www.frnd.de

Vergessen Sie nicht: Depressionen sind eine Krankheit. Krankheiten können behandelt werden. Und Sie sind damit nicht allein!

Entspannt macht schlank

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