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c) Schutz lebenswichtiger Interessen (Art. 9 Abs. 2 lit. c)

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Eine weitere Ausnahmeregelung vom Verarbeitungsverbot sensitiver Daten besteht nach Art. 9 Abs. 2 lit. c, wenn zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person, die betroffene Person aus körperlichen oder rechtlichen Gründen außerstande ist, ihre Einwilligung zu geben.

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Art. 9 Abs. 2 lit. c knüpft damit wie die Vorgängernorm des Art. 8 Abs. 2 lit. c DSRL an den Schutz lebenswichtiger Interessen an und erlaubt bei einer Gefährdung dieser Interessen die Verarbeitung sensibler Daten. Darüber hinaus ist der Begriff der lebenswichtigen Interessen im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. d[258] von Bedeutung.

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In Anbetracht des Schutzgutes sind die Begriffe der physischen und rechtlichen Gründe weit zu verstehen. Daher sind die Voraussetzungen in der Regel dann erfüllt, wenn eine Verarbeitung der sensiblen Daten zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben notwendig ist.[259]

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Aus physischen Gründen ist eine Einwilligung nicht möglich, wenn eine Person zu einer verantwortlichen Entscheidung und Erklärung unfähig ist, so dass sich der Begriff in erster Linie auf mangelnde körperliche oder geistige Fähigkeiten bezieht, z.B. wegen Bewusstlosigkeit oder einer schweren Erkrankung.[260] Eine Fallkonstellation kann auch darin bestehen, dass die betroffene Person nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.[261]

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Rechtliche Gründe liegen dann vor, wenn eine wirksame Einwilligungserklärung nach dem Recht der Mitgliedstaaten nicht möglich ist, etwa bei fehlender Erklärungs- oder Geschäftsfähigkeit.[262] Insofern regelt Art. 9 Abs. 2 lit. c Anwendungsfälle, in denen eine Einwilligung entbehrlich ist.

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Gemäß ErwG 46 soll lit. c nur dann greifen, wenn die Verarbeitung offensichtlich nicht auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Insofern ist eine Verarbeitung sensibler Daten zum Schutz lebenswichtiger Interessen als ultima ratio anzusehen.[263]

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In praktischer Hinsicht ist insbesondere die Frage relevant, wann von einem Schutz lebenswichtiger Interessen im Rahmen der Nutzung von Social-Media-Profilen ausgegangen werden kann. So verwendet Facebook seit einiger Zeit ein besonderes Tool, dass Posts und Fotos der Nutzer analysiert und im Falle einer Suizidgefahr des Nutzers[264] diesen automatisch kontaktiert und zudem Kontakte zu Seelsorgern vermittelt. Hier stellt sich die Frage, ob die Verarbeitung der personenbezogenen Daten (in diesem Falle insbesondere Gesundheitsdaten und biometrische Daten) abweichend vom Verbotsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 nach Art. 9 Abs. 2 lit. c rechtmäßig ist. Ausgehend von der Begriffsdefinition dient das Tool von Facebook dem Schutz des Lebens der Nutzer und damit lebenswichtigen Interessen. Gleichwohl darf die Möglichkeit, unter Umständen einen Selbstmord eines Nutzers zu verhindern, nicht darüber hinwegtäuschen, dass zunächst einmal alle Postings und Fotos der Nutzer analysiert und gespeichert werden müssen. Eine derartige Verarbeitung von unter anderem Gesundheitsdaten oder biometrischen Daten ist dabei nach Art. 9 Abs. 1 aber zunächst unzulässig. Sofern sich also keine Anzeichen für eine Selbstmordgefahr ergeben, war die Datenverarbeitung rechtswidrig. Insofern besteht für den Verantwortlichen ein enormes Risiko hinsichtlich der Verhängung einer Geldbuße. Daher muss er (etwa durch eine ausdrückliche Einwilligung) besondere, den Anforderungen des Art. 9 genügende, Vorkehrungen treffen, damit eine Verarbeitung der Daten unter allen Gesichtspunkten rechtmäßig ist.

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