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h) Gesundheitsversorgung (Art. 9 Abs. 2 lit. h)

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Der Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. h normiert die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Versorgung und Behandlung im Gesundheits- und Sozialbereich, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsvorsorge sowie des gesamten Bereichs der Arbeitsmedizin zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten. Dabei enthält auch Art. 9 Abs. 2 lit. h eine Öffnungsklausel: Danach kann eine Verarbeitung sensibler Daten auf einer unions- oder mitgliedstaatlichen Rechtsgrundlage oder aufgrund eines Vertrages mit dem Angehörigen eines Gesundheitsberufs basieren. Darüber hinaus sind die besonderen Anforderungen nach Art. 9 Abs. 3[311] zu beachten. Art. 9 Abs. 2 lit. h und Art. 9 Abs. 3 bilden daher eine einheitliche Regelung.[312]

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Art. 9 Abs. 2 lit. h entspricht dabei Art. 8 Abs. 3 DSRL, der bisher Fragen der medizinischen Datenverarbeitung regelte.[313]

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Hinsichtlich der Systematik und Abgrenzung zu anderen Ausnahmetatbeständen des Art. 9 Abs. 2 ist Folgendes festzuhalten: Art. 9 Abs. 2 lit. h ist dabei zunächst von Art. 9 Abs. 2 lit. i abzugrenzen, der sich ebenfalls mit der Gesundheitsversorgung befasst. Dabei bezieht sich der Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 lit. h auf die Notwendigkeit der informationstechnischen Verarbeitung von Daten im Gesundheits- und Sozialbereich und nimmt daher Rücksicht auf die systemischen Verarbeitungsabläufe in diesen Bereichen.[314] Demgegenüber erfasst Art. 9 Abs. 2 lit. i die gefahrenabwehrrechtliche Komponente im Gesundheitswesen. Der Teilbereich der medizinischen Forschung wird demgegenüber von Art. 9 Abs. 2 lit. j erfasst.[315]

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Hinsichtlich Art. 9 Abs. 2 lit. h enthält ErwG 53 S. 1 nähere Erläuterungen: Danach erfolgt die Datenverarbeitung nach Art. 9 Abs. 2 lit. h insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung der Dienste und Systeme des Gesundheits- und Sozialbereichs. In diesem Bereich soll also die Verarbeitung sensibler Daten ausnahmsweise erlaubt sein.

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Der Grund dafür liegt insbesondere in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Erbringung von Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialapparates und der Berücksichtigung der Entwicklungen hinsichtlich der informationstechnischen Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Dies zeigt sich bereits an der Zunahme von Big Data-Anwendungen im Gesundheitsbereich.[316]

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Vom Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 lit. h werden somit zunächst medizinische Dienstleistungen erfasst. Damit sind sowohl Verarbeitungen im Bereich der Prävention, Diagnostik als auch Behandlungen kurativer oder nachsorgender Art.[317] Die Verarbeitung muss sich dabei auf die Behandlung selbst oder auf die damit zusammenhängende verwaltungstechnische Tätigkeit beziehen und soll die effektive medizinische Behandlung sicherstellen.[318] Damit wird etwa die Arbeit von Abrechnungsstellen ebenso wie die Buchführung und Dokumentation der Behandlung vom Ausnahmetatbestand erfasst.[319]

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Daneben werden Datenverarbeitungen im Sozialbereich vom Ausnahmetatbestand erfasst. Oftmals ist eine klare Abgrenzung zwischen dem Gesundheits- und dem Sozialbereich nicht möglich, in der Praxis für eine Anwendung der Ausnahmeregelung aber auch nicht notwendig. Als Leitlinie lässt sich allerdings festhalten, dass im Sozialbereich die staatliche Regulierung von (öffentlichen) Leistungen zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit in den Vordergrund rückt, während sich die Gesundheitsvorsorge stärker auf die Sicherung der körperlichen und seelische Gesundheit bezieht.[320] Erfasst werden daher insbesondere Sozialleistungen oder sonstige Geldleistungen. Grenzfälle, die eine Zuordnung sowohl zum Gesundheits- als auch zum Sozialbereich zulassen, bilden etwa staatliche Beratungsstellen zur Suchtprävention oder soziale Dienste in Krankenhäusern.[321]

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Zudem wird ausweislich des Wortlauts Art. 9 Abs. 2 lit. h nunmehr die Verarbeitung für Zwecke der Verwaltung von System und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich vom Ausnahmetatbestand erfasst. Im Anwendungsbereich dieses Begriffs liegt dabei der gesamte organisatorische und administrative Rahmen zur Erbringung von Gesundheitsleistungen.[322] Insofern werden insbesondere Träger von Versicherungsleistungen (etwa Kranken- oder Unfallversicherung) erfasst. Dies umfasst etwa Maßnahmen der Administration, Organisation, Planung und Abrechnung i.S.d. §§ 295 ff. SGB V sowie Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 106 SGB V) in derartigen Systemen.[323] In der Praxis werden so insbesondere Daten verarbeitet, die medizinische Leistungserbringer den Krankenkassen mitteilen (Leistungsdaten), aber auch Sozialdaten, wenn diese an Träger von Sozialleistungen weitergegeben werden.[324] Dabei ist die Ausnahme allerdings nicht auf die Verarbeitung von biometrischen oder genetischen Daten sowie Gesundheits- oder Sozialdaten beschränkt. Vielmehr können auch religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen Teil der Verarbeitung sein, z.B. dann, wenn ein Patient eine Behandlung aus bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen verweigert.[325] Auch die Übermittlung von Gesundheitsdaten zwischen Krankenkassen und Versicherungen stellen einen wichtigen Anwendungsfall dar, vgl. dazu bereits Rn. 93.

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Der Begriff der Arbeitsmedizin des Art. 9 Abs. 2 lit. h bezieht sich dabei inhaltlich auf den Erhalt der Gesundheit unter Berücksichtigung der aus dem Arbeitsleben resultierenden Einflüsse, indem Gesundheitsschäden oder Krankheiten frühzeitig erkannt werden und somit elementarer Bestandteil der Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz sind. In praktischer Hinsicht zeichnet sich der Bereich der Arbeitsmedizin häufig durch die Hinzuziehung eines Betriebsarztes aus. Dabei geht es in erster Linie darum, dem Arbeitgeber die Daten zur Verfügung zu stellen, die für eine Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz notwendig sind.[326] Spezialgesetzliche Regelungen auf nationaler Ebene finden sich dabei insbesondere im Arbeitszeitgesetz (ArbZG), den Sozialgesetzbüchern (SGB V). In praktischer Hinsicht sind etwa die Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Bewerbungsgesprächen oder Einstellungsuntersuchungen, Behandlungen während eines Beschäftigungsverhältnisses (z.B. Rückenschmerzen wegen falscher Sitzhaltung am Arbeitsplatz), aber auch Maßnahmen im Hinblick auf eine Arbeitsunfähigkeit oder eine Wiedereingliederung in den Arbeitsbetrieb zu nennen.[327]

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Die aufgrund ihrer zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten weitreichende Erlaubnisregel wird dabei über die in Art. 9 Abs. 3[328] enthaltene Vorgabe eingegrenzt, wonach der Umgang mit sensitiven Daten nur durch Fachpersonal, dass einem Berufsgeheimnis oder einer sonstigen Geheimhaltungspflicht nach mitgliedstaatlichem Recht unterliegt, sowie unter dessen Verantwortung, zulässig ist.

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