Читать книгу DS-GVO/BDSG - David Klein - Страница 606

e) Offensichtlich öffentlich gemachte Daten (Art. 9 Abs. 2 lit. e)

Оглавление

159

Nach Art. 9 Abs. 2 lit. e ist die Verarbeitung sensibler Daten ausnahmsweise zulässig, wenn die betroffene Person diese „offensichtlich öffentlich gemacht hat“. Die Regelung basiert auf Art. 8 Abs. 2 lit. e DSRL.

160

Hintergrund der Vorschrift ist dabei, dass derjenige, der seine Daten ohnehin veröffentlicht insoweit auf den besonderen durch die DS-GVO (insbesondere Art. 9) gewährten Schutz in freier Selbstbestimmung verzichtet.[275] Freilich bleiben die allgemeinen Vorschriften, insbesondere die Vorgaben aus Art. 5 und 6 anwendbar.[276]

161

Unter „Öffentlichmachen“ ist (mangels eigener Definition der DS-GVO) die Bereitstellung gegenüber der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmten Personenkreis, zu verstehen.[277] Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Betroffene die Daten selbst veröffentlicht oder jemanden veranlasst hat die Daten zu veröffentlichen.[278] Beispiele sind etwa frei zugängliche Bereiche des Internets (Webseiten) oder öffentliche Medien. Daneben sind auch Presseerklärungen oder öffentliche Mitteilungen (z.B. in Branchenverzeichnissen) erfasst.[279]

162

Als Leitlinie lässt sich festhalten, dass stets entscheidend ist, ob der Kreis der Adressaten für den Betroffenen noch überschaubar ist und ob er wusste und wollte, dass die Informationen für jedermann zugänglich sind.[280]

163

Die Veröffentlichung muss „offenkundig“ von der betroffenen Person veranlasst worden sein. Damit soll verhindert werden, dass Betroffene den besonderen Schutz ihrer sensiblen Daten durch die DS-GVO verlieren, wenn ein Dritter dessen sensitive Daten veröffentlicht.[281] Erforderlich ist somit ein eindeutiger und freier Willensakt des Betroffenen.[282] Bei Bewertung der Offenkundigkeit kommt es dabei auf die Perspektive eines äußeren Beobachters an.[283]

164

Die familiäre Kommunikation oder der Chat bei WhatsApp oder Facebook oder sonstigen Social-Media-Anbietern mit Chatfunktion zwischen wenigen Personen (kleinere Gruppenchats) wird daher nicht vom Anwendungsbereich erfasst sein. Dies kann sich aber je nach Größe des Gruppenchats ändern. Daten in sozialen Netzwerken, etwa auf der Facebook-Seite oder bei Instagram, sind dann öffentlich gemacht, wenn diese allen Nutzern und nicht nur einer geschlossenen Benutzergruppe zur Verfügung gestellt werden. Sind also die auf der Facebook-Seite durch den Nutzer bereit gestellten Informationen nur für den (überschaubaren) Freundeskreis (also die Freundesliste) einsehbar, wird es an einer Veröffentlichung fehlen. Werden demgegenüber Informationen bewusst auch für Nicht-Mitglieder auf der öffentlichen Facebook-Seite freigeschaltet, liegt eine Veröffentlichung vor.

165

Von besonderer Bedeutung ist Art. 9 Abs. 2 lit. e zudem im Rahmen der Anfertigung von Personenfotografien, wenn diese mittelbar Rückschlüsse auf besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 ermöglichen, z.B. wenn die abgebildete Person eine Brille trägt oder eine Gehhilfe benötigt oder ihre ethnische Herkunft auf einem Foto erkennbar ist. Fraglich ist hierbei, ob in diesen Fällen Art. 9 überhaupt Anwendung findet und falls ja, ob eine Rechtfertigung nach Art. 9 Abs. 2 lit. e in Betracht kommt. Eine Rechtfertigung nach Art. 9 Abs. 2 lit. e fordert einen eindeutigen und freien Willensakt der betroffenen Person, die betreffende Information gegenüber der Allgemeinheit preisgeben zu wollen. Ob davon auch bei der Anfertigung von Personenfotografien und bei Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 ausgegangen werden kann, ist fraglich, weil die betroffene Person die Information letztlich zwangsweise der Öffentlichkeit preisgibt (z.B. medizinische Notwendigkeit einer Seh- oder Gehhilfe). Insofern könnte die Freiwilligkeit der Veröffentlichung angezweifelt werden, weil die betroffene Person letztlich keine Wahl hat, ob sie die betreffende Information preisgibt oder nicht. Hinter Art. 9 Abs. 2 lit. e steht letztlich der Gedanke, dass die betroffene Person durch das Öffentlichmachen der Information auf den Schutz von Art. 9 verzichtet. Von einem derartigen Verzicht auszugehen, nur weil sich die betroffene Person in der Öffentlichkeit zeigt, erscheint fraglich. Als Rechtfertigung käme damit nur noch eine Einwilligung nach Art. 9 Abs. 2 lit. a in Betracht, deren strenge Voraussetzungen hohe Anforderungen an Verantwortliche stellen. Vor diesem Hintergrund ist daher die Frage aufzuwerfen, ob Art. 9 im Falle von Personenfotografien überhaupt Anwendung findet. Bei mittelbaren Hinweisen auf Daten i.S.v. Art. 9 Abs. 1 (vgl. dazu bereits Rn. 26) wird daher einschränkend vor dem Hintergrund der Schutzzwecke von Art. 9[284] eine Auswertungsabsicht[285] anhand des Verarbeitungszusammenhangs gefordert, um den Anwendungsbereich von Art. 9 nicht zu sehr auszuweiten. Die DSK hat insofern betont, dass eine eindeutige Identifizierung der betroffenen Person im Vordergrund stehen müsse, so dass letztlich erst eine besondere Zweckbestimmung die Anwendbarkeit von Art. 9 auslöst (vgl. dazu auch Rn. 26).[286] Insofern kann die Ansicht vertreten werden, dass Art. 9 bei der Anfertigung von Personenfotografien nur dann Anwendung findet, wenn eine eindeutige Identifizierung der betroffenen Person intendiert ist und das Datum, dass Rückschlüsse auf Daten nach Art. 9 Abs. 1 zulässt auch als solches verarbeitet werden soll (etwa um im Rahmen einer Studie zu Fehlsichtigkeit festzustellen, wie viele Brillenträger sich durchschnittlich in der Bevölkerung befinden).[287] In allen anderen Fällen fände dementsprechend Art. 6, insb. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f Anwendung. Unabhängig von der Frage einer Anwendbarkeit von Art. 6 oder Art. 9 sind in beiden Fällen die Informationspflichten entsprechend Art. 13 und 14 zu beachten.

166

Insofern lässt sich erkennen, dass den Betroffenen selbst in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung trifft, seine Privatsphäre-Einstellungen so einzurichten, dass nicht von einem Öffentlichmachen auszugehen ist. Entscheidend ist auch hier, ob der Kreis der Adressaten für den Betroffenen überschaubar war und ob er wusste und wollte, dass die Informationen für jedermann zugänglich sind.[288]

167

Bestehen Zweifel an der Veröffentlichung durch den Betroffenen ist der Ausnahmetatbestand nicht anwendbar.[289] In diesem Sinne ist fraglich, ob auch die Auswertung des Nutzerverhaltens bei Google, Twitter oder Facebook (etwa Suchanfragen, gelikte Beiträge etc.) als offensichtlich öffentlich gemachte Daten gelten können. Da Nutzer oftmals von der Erhebung ihrer Daten mangels hinreichender Transparenz keine Kenntnis besitzen, erscheint das Vorliegen eines Erlaubnistatbestands i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. e bzw. a äußerst zweifelhaft (vgl. dazu bereits Rn. 47).

168

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Art. 9 Abs. 2 lit. e entsprechende Anwendung auf eine Datenverarbeitung nach Art. 6 finden kann. Als Argument für eine entsprechende Anwendung kann insbesondere angeführt werden, dass wenn bereits eine Veröffentlichung sensibler Daten eine Rechtfertigung der Datenverarbeitung begründen kann, dies erst recht im Falle einer Datenverarbeitung i.R.v. Art. 6 gelten müsse. Freilich stellt sich die Frage, ob derartige Fallgruppen in der Praxis nicht ohnehin aufgrund eines anderen Erlaubnistatbestandes des Art. 6 zu rechtfertigen sind, etwa im Rahmen einer Interessenabwägung. In diesem Fall wäre für eine entsprechende Anwendung von Art. 9 Abs. 2 lit. e kein Raum.

DS-GVO/BDSG

Подняться наверх