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j) Archivierungs-, Forschungs- und statistische Zwecke (Art. 9 Abs. 2 lit. j)

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Eine Verarbeitung sensibler Daten für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gem. Art. 89 Abs. 1 ist nach dem Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. j zulässig, wenn das mitgliedstaatliche Recht im angemessenes Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht.

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Insofern wird ergänzend auf die Ausführungen im Rahmen von Art. 89 verwiesen.[337]

Art. 9 Abs. 2 lit. j findet seine Vorgängerregelung in Art. 6 Abs. 1 lit. e DSRL, der sich allerdings auf personenbezogene Daten im Allgemeinen und nicht auf besondere Kategorien personenbezogener Daten bezog.[338]

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Art. 9 Abs. 2 lit. j enthält wie Art. 9 Abs. 2 lit. i eine Öffnungsklausel. Insofern dürfen die Mitgliedstaaten durch nationale Regelungen die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zu den in Art. 9 Abs. 2 lit. j genannten Zwecken erlauben.[339]

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Die Aufzählung der zulässigen Zwecke, die im öffentlichen Interesse liegen, sind im Ausnahmetatbestand abschließend geregelt.[340]

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Hierbei ist zu beachten, dass die Verarbeitung für Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke sowie für statistische Zwecke im öffentlichen Interesse erfolgen muss. So verweist ErwG 53 S. 1 a.E. beispielhaft auf Studien im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

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Hinsichtlich der Archivzwecke trifft ErwG 158 S. 1 konkretisierende Aussagen: Archivzwecke umfassen dabei jede Behörde oder öffentliche sowie private Stelle, die Aufzeichnungen von öffentlichem Interesse führen, wobei das Führen auch den Erwerb, die Bewertung, den Erhalt und die Bereitstellung umfasst. Insofern liegt nach ErwG 158 S. 2 die Bereitstellung spezifischer Informationen im Zusammenhang mit dem politischen Verhalten unter ehemaligen totalitären Regimen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere dem Holocaust und Kriegsverbrechen im öffentlichen Interesse. Auf nationaler Ebene werden die im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecke etwa durch das Bundesarchivgesetz geregelt.[341] So verwahrt das Bundesarchiv Unterlagen, die von bleibendem Wert für die Bundesrepublik sind. Dies erfasst etwa die Unterlagen der öffentlichen Stellen des Bundes, aber auch Unterlagen der Stellen der Deutschen Demokratischen Republik sowie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (vgl. dazu § 3 Abs. 2 BArchG). Insofern fällt die Verarbeitung der sensiblen Daten von ehemaligen Funktionären in den alten Regimen unter den Ausnahmetatbestand.

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Der Begriff der Verarbeitungen für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke ist laut ErwG 159 S. 2 weit auszulegen und vermag dabei etwa die Verarbeitung für die technologische Entwicklung und die Demonstration, die Grundlagenforschung, die angewandte Forschung und die privat finanzierte Forschung einzuschließen. Wissenschaftliche Forschungszwecke sind darüber hinaus in Art. 13 GRCh (Art. 5 Abs. 3 GG) geschützt. Insofern wird ausweislich des ErwG 159 S. 3 dem Ziel, einen europäischen Raum der Forschung zu schaffen, Rechnung getragen. Dafür werden auch Studien, die im öffentlichen Interesse im Bereich der öffentlichen Gesundheit stattfinden erfasst. Insofern sollten nach ErwG 159 S. 5 um den Besonderheiten der Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken Rechnung zu tragen spezifische Regelungen insbesondere hinsichtlich der Veröffentlichung oder sonstigen Offenlegung von personenbezogenen Daten im Kontext wissenschaftlicher Zwecke gelten.

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Der Begriff der Forschung umfasst dabei in Anlehnung an die verfassungsrechtliche Definition „alles, was als ernsthafter und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“. Zum Begriff der wissenschaftlichen Forschung vgl. ausführlich Art. 89 Rn. 21 f.

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Eine unabhängige Forschung mit Verarbeitung sensibler Daten kann sowohl durch den Verantwortlichen als durch Externe durchgeführt werden.

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Dem Begriff der historischen Forschungszwecke kommt in diesem Zusammenhang in erster Linie eine ergänzende Funktion zu, zumal es in diesem Anwendungsfall häufig zu inhaltlichen Überschneidungen mit dem Begriff der Archivzwecke kommen wird.[342] In praktischer Hinsicht ist dies für die Einschlägigkeit des Ausnahmetatbestands freilich ohne Belang. Vgl. dazu auch Art. 89 Rn. 37.

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Bei der Verwendung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 für Forschungszwecke[343] kann nicht nur auf Art. 9 Abs. 2 lit. j, sondern auch auf die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. h oder Art. 9 Abs. 2 lit. i zurückgegriffen werden.[344]

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Hinsichtlich der Forschungszwecke ist in der Praxis insbesondere bedeutsam, dass der Bezug zu einem „öffentlichen Interesse“ der Forschungszwecke nicht übersehen werden darf. Insofern wird zwar auch die privat finanzierte Forschung vom Anwendungsbereich erfasst, gleichwohl fallen rein kommerzielle Forschungszwecke privater Forschungseinrichtungen somit nicht unter den Ausnahmetatbestand.[345] Auch die Tätigkeit von Hochschulen und Hochschullehrern fällt unter den Begriff der wissenschaftlichen Forschung. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit richtet sich dabei allerdings vorrangig nach § 3 BDSG bzw. der jeweiligen datenschutzrechtlichen Generalklauseln der Landesdatenschutzgesetze (z.B. § 3 DSG NRW).[346]

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Hinsichtlich einer Verarbeitung für statistische Zwecke im öffentlichen Interesse trifft ErwG 162 S. 3 eine eindeutige Aussage: Unter dem Begriff „statistische Zwecke“ ist jeder für die Durchführung statistischer Untersuchungen und die Erstellung statistischer Ergebnisse erforderliche Vorgang der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten zu verstehen. Diese Ergebnisse können auch für wissenschaftliche Forschungszwecke weiterverarbeitet werden, wobei dabei einschränkend erforderlich ist, dass die Ergebnisse der Verarbeitung zu statistischen Zwecken keinen personenbezogenen, sondern aggregierte Daten sind und diese Daten nicht für Maßnahmen oder Entscheidungen gegenüber einzelnen natürlichen Personen verwendet werden.

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Die Anforderungen hinsichtlich einer Wahrung des Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz und des Vorhandenseins angemessener Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person überschneiden sich insoweit weitestgehend mit denen der geeigneten Garantien (vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 9 Abs. 2 lit. b Rn. 132).

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Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die angemessenen und spezifischen Schutzmaßnahmen über die Sicherungen der DS-GVO hinausgehen oder ob insoweit die Einräumung der Betroffenenrechte aus der DS-GVO genügt.[347] Hier haben die Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum, durch den sie über die DS-GVO hinausgehende Schutzmaßnahmen zugunsten der Betroffenen treffen können, wie etwa die Einführung besondere Kontrollgremien im Bereich der Forschung.[348]

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