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Omeletts und Chai

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Lange jedoch bleibe ich nicht still, denn ein frostiger, beißender Wind bläst mir um die Ohren. „Ich glaube, mir ist kalt! Richtig kalt!“, sage ich.

Dank des beheizten Cockpits im Hubschrauber haben wir es während des Flugs gar nicht bemerkt: War die Luft im Tal zwar kühl, herrscht nun eine eisige Kälte. Es hätte uns auffallen können, dass die Schneedecke mit zunehmender Höhe immer dicker wurde.

„Ja, es ist kalt!“, bestätigt Aaron lachend. „Ungefähr minus zehn Grad Celsius!“

Während meine Füße verschwinden und ich bis weit über die Knöchel in das unberührte Weiß sinke, hoffe ich inständig, dass meine Stiefel tatsächlich wasserdicht sind. Ich bin froh, dass ich wie meine Begleiter mehrere Lagen Kleidung übereinandergezogen habe: An den Füßen trage ich Wollsocken, an den Beinen lange Unterhosen und wasserdichte Hosen; am Oberkörper Unterhemd, Langarmshirt, Daunenjacke und eine schnee- und regendichte Außenjacke und dazu eine warme Mütze und Handschuhe.

Unser Atem bildet in der Kälte kleine weiße Wölkchen, während wir unsere Rucksäcke schultern und hundertfünfzig oder zweihundert Meter zu einem Teehaus im nahe gelegenen Dorf marschieren. Es ist aus Holz gebaut und hat zwei kleine Räume: In einem steht ein Tisch mit Hockern drum herum, der andere dient als Küche. Auch wenn das Haus nicht beheizt ist – nur das Feuer in der Küche strahlt etwas Wärme ab –, bietet es doch einen angenehmen Windschutz.

Als wir um den Tisch Platz genommen haben, begrüßt uns der Wirt. Aaron bestellt Brot und für jeden von uns ein Omelett, das aus einem verrührten und glatt gestrichenen Ei besteht. Während wir auf unser Essen warten, serviert uns der Wirt Masala-Tee (den Abendländer als Chai bezeichnen). Manche lieben ihn, andere weniger. Ich zähle mich eher zu Letzteren, aber in diesem Moment ist mir jedes heiße Getränk recht.

Inzwischen erklärt uns Aaron auch, was uns in den nächsten Tagen erwartet. „Gut“, beginnt er, „ich bin total gespannt auf diese Tour mit euch. Am Anfang habe ich gezögert, ob ich wirklich Leute mit hier heraufnehmen soll. Denn ich muss euch ehrlich sagen: Jedermanns Ding ist das nicht. Manches, was ihr sehen werdet, wird euch zutiefst erschüttern. Aber in euren Herzen werden hier oben in den Bergen ganz einzigartige Dinge passieren. Ich bin also richtig froh, dass ihr euch darauf eingelassen habt.“

Während wir dasitzen und unseren Tee schlürfen, erzählt uns Aaron von seiner ersten Reise in den Himalaja. „Vor zwanzig Jahren kam ich mit ein paar Studienfreunden hierher. Wir wollten einfach wandern, die Eindrücke in uns aufnehmen und eine Zeit lang Alternativurlaub machen. Wir waren noch nicht lange aufgestiegen, als ich auf unserer ersten Rast Menschen begegnete, die körperlich und geistlich so in Not waren, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Ich erzähle euch später noch mehr davon. Jetzt nur so viel: Ich war so fassungslos, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich weinte die ganze Nacht. Am nächsten Morgen sagte ich zu meinen Freunden, dass ich nicht mehr weitergehen könne. Ich packte meinen Rucksack und stieg alleine wieder ab. Was ich tun würde, wusste ich zwar noch nicht, aber es war mir klar, dass ich diesen Menschen irgendwie helfen musste. Es ist eine lange Geschichte. Aber seit dieser Zeit versuche ich, die Hoffnung von Jesus Christus in diese Not hineinzutragen.“

„Kannst du ein bisschen mehr darüber sagen, was bei dir so einen tiefen Eindruck hinterlassen hat?“, fragt Sigs.

„Gerne. In dieser Gegend leben ungefähr neun Millionen Menschen. Unter diesen neun Millionen sind vermutlich noch nicht einmal einhundert, die Jesus nachfolgen. Tatsache ist: Die meisten Leute haben hier noch nicht einmal von Jesus gehört. Diese Region ist die Geburtsstätte des Hinduismus und des Buddhismus. Christen findet man hier kaum.“

„Das ist erstaunlich“, meint Chris. „Wenn man sich überlegt, dass selbst nach zweitausend Jahren das Evangelium immer noch nicht bei den Menschen in diesen Dörfern angekommen ist.“

„Das ist die geistliche Seite“, fährt Aaron fort. „Die Leute hier sind aber auch bitterarm und benachteiligt. Als ich zum ersten Mal in diese Dörfer kam, erfuhr ich, dass jedes zweite Kind noch vor dem achten Geburtstag stirbt. Viele erleben noch nicht einmal ihren ersten.“

Die Hälfte der Kinder? Ungläubig schütteln wir den Kopf. Ich denke an meine eigenen Kinder – Caleb, Joshua, Mara und Isaiah. Wie ich jedes einzelne liebe! Unvorstellbar für mich, zwei von ihnen zu verlieren. Als seien Caleb oder Joshua schon tot und Mara oder Isaiah könnten jederzeit sterben. Es ist eine meiner größten Ängste, eines meiner Kinder zu verlieren – ich kann gar nicht nachvollziehen, wie es wohl ist, ständig damit rechnen zu müssen.

Nun bringt uns der Wirt unser Essen und richtet für jeden von uns sorgfältig einen Teller her. Doch nach Aarons Worten über die Kinder ist uns gar nicht mehr nach Essen zumute. Mir ist der Appetit vergangen.

„Ihr müsst etwas essen“, erklärt Aaron. „Später erzähle ich euch mehr. Ich möchte nur, dass ihr vorbereitet seid. Hier herrscht wirklich große Not.“

Wir nehmen uns seinen Ratschlag zu Herzen und zwingen uns, unser Omelett und etwas Brot zu essen.

Aaron hat recht. Noch ahnt niemand von uns, womit wir gleich im ersten Dorf konfrontiert werden würden.

Etwas muss sich ändern

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