Читать книгу Die leisen Weltveränderer - Debora Sommer - Страница 13
Introvertiertes Christsein
ОглавлениеSchweren Herzens habe ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Aussagen von introvertierten Christen gelesen, die zum Schluss kamen, sie hätten in einer christlichen Gemeinde nichts verloren. Oder schlimmer noch, dass man mit einer solchen Persönlichkeit vermutlich gar kein echter Christ sein könne. Neulich sprach ich mit einer Christin, die vehement abstritt, introvertiert zu sein, obwohl es für mich ihrer Beschreibung nach offensichtlich schien. Als ob es etwas ganz Schlimmes wäre, als »introvertiert« entlarvt zu werden. Dies zeigt, wie wichtig und dringend notwendig Aufklärungsarbeit in diesem Bereich ist. Introvertiert zu sein, ist keine Schande, sondern vielmehr eine wunderbare Gabe, die es zu entdecken und zu entfalten gilt. Mit diesem Buch möchte ich introvertierten Christen, die an sich zweifeln, eine Stimme geben und Mut machen. Leise Menschen – wie Sylvia Löhken Introvertierte auch gern in ihren Büchern12 bezeichnet – haben besondere Fähigkeiten, brauchen aber auch besondere Rahmenbedingungen, um diese Fähigkeiten und Gaben kraftvoll auszuleben.
Als stark introvertierte und hochsensible Christin in den frühen Vierzigern habe ich schon diverse Facetten dieser Thematik durchlebt und durchkämpft. Als Pfarrerstochter und spätere Pfarrersfrau sind mir die Erwartungen, denen Introvertierte in einer christlichen Gemeinschaft ausgesetzt sind, bestens vertraut. Trotz aller Herausforderungen bin ich heute wieder aktives Mitglied einer christlichen Gemeinde. Gott hat mich in den vergangenen zwanzig Jahren einen Weg geführt, der mich wiederholt vor die Entscheidung gestellt hat, mich ängstlich zurückzuziehen oder aber eine Horizonterweiterung zu wagen. Obwohl ich stark introvertiert bin und mich die Begegnung mit Menschen viel Mut und Energie kostet, sehe ich einen Teil meines Lebensauftrags darin, anderen Menschen zu dienen. Zum Beispiel, indem ich Referate, Schulungen oder Predigten halte oder Lobpreiszeiten leite. Das Tagebuchschreiben und die Autorentätigkeit gehören zu meinen kostbarsten Lebensoasen. Hier schöpfe ich besonders viel Lebensenergie, da ich mein Leben schreibend bewältigen kann. Auch die Leitung und Betreuung eines Fernstudiums13 entspricht zu einem großen Teil meiner introvertierten Natur. Trotzdem bleiben immer noch genügend Spannungsfelder übrig, in denen ich in meinen Rollen als Ehefrau, Mutter von zwei lebhaften Teenagern, aktives Gemeindeglied, Vorstandsmitglied, Selbstständige etc. um einen gangbaren Weg zwischen persönlichen Begrenzungen und Auftrag ringe.
Im Rückblick auf die vergangenen fünfzehn Jahre bin ich bewegt von dem, was Jesus geschenkt und möglich gemacht hat. Er hat mir Türen geöffnet, die ich nie erwartet hätte, und ich bin gespannt darauf, wie und wo mein Weg weitergeht. Auf dem Hintergrund dieser persönlichen Erlebnisse möchte ich mit diesem Buch auch andere ermutigen, einen kraftvollen Umgang mit ihrer Introvertiertheit zu finden und sichtbar zu werden. Mein extro-, zentro- und introvertiertes Familienleben ist und bleibt ein tägliches Übungs- und Bewährungsfeld. Dies ist auch der Grund, weshalb sich in diesem Buch sehr viele persönliche Einsichten und Erlebnisse finden.