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Wer lebt richtig?

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Vielleicht ist dies der größte Spannungspunkt zwischen Schiffen und U-Booten überhaupt: dass beide ihren bevorzugten Lebensraum für den wichtigeren, entscheidenden oder im Extremfall sogar für den einzig richtigen halten. Das Abtauchen der U-Boote in den tiefen Ozean scheint den Schiffen nichts anderes als eine Flucht vor der Wirklichkeit des Lebens zu sein und ein Zeichen mangelnder Bereitschaft, sich der Realität des Lebens zu stellen. Für die Schiffe ist ohne jeden Zweifel die äußere Welt aus Menschen und Dingen die wahre Welt. Dabei übersehen sie die Tatsache, dass U-Boote im Gegensatz zu ihnen für ein Leben unter Wasser geschaffen sind. Dass U-Boote in diesem unendlichen, undurchdringlichen, aber auf seine Weise ebenfalls wunderschönen und faszinierenden Lebensraum zu Hause sind. Dass dies deren Realität ist, dass sich Intros dort wohlfühlen und sich dort auf intensive Weise der Wirklichkeit und den Herausforderungen ihres Lebens stellen. Und dass Intros im Gegensatz zu ihnen vielmehr die innere Welt aus Gedanken, Zusammenhängen und Tiefgang für die wahre Welt halten.

Ähnlich wie die Schiffe den U-Booten vorwerfen, sich der Realität des Lebens über der Wasseroberfläche zu verweigern, halten U-Boote die Schiffe für feige, weil jene es nach Möglichkeit vermeiden, abzutauchen und sich der Realität ihrer inneren Abgründe zu stellen. Im Grunde genommen sind viele U-Boote auch selbst überfordert mit sich, den Untiefen des Ozeans und dem Auftauchen an der Wasseroberfläche. Birgit Trappmann-Korr beschreibt es sehr anschaulich:

Leider, und dies ist meines Erachtens ein Dilemma, gibt es noch keine »U-Boot-Schule«, niemand sagt den kleinen und großen U-Booten, was das Besondere an ihnen ist, was sie können und vor allem, worauf sie beim Abtauchen achten müssen. So bleibt jeder sich selbst überlassen und muss alles Stück für Stück allein herausfinden, und nicht selten wächst die Erkenntnis, dass hier wirklich etwas nicht zu stimmen scheint. Manche wollen doch einfach nur so sein wie alle anderen, doch je mehr sie das versuchen und je weniger sie abtauchen, desto überstimulierter werden sie. Manchmal kommt es auch zu einer Radikalwende und sie tauchen ab, wann immer sie möchten. Wenn die Welt über Wasser nicht länger von Wichtigkeit ist, dann kann es zu ihrem Schicksal werden, ziellos im Ozean zu treiben.53

In solchen Fällen ist bei Introvertierten auch eine Tendenz zum Suchtverhalten feststellbar. Die Flucht in eine Sucht wird als momentaner Ausweg gesehen, all die belastenden Gedanken zu verdrängen und die innere Uferlosigkeit zumindest für einen Moment zu vergessen. Doch leider ist dies ein Trugschluss, da Intros ihrer inneren Realität nie entfliehen können.

An dieser Stelle gilt es, mit Nachdruck festzuhalten: Introversion ist weder falsch noch Extroversion richtig – und umgekehrt. Wir sind, wie wir sind, und genau das macht die Welt interessant. Und so wenig, wie man einen Kurzsichtigen auffordern kann, »sei nicht kurzsichtig«, kann man einen Extrovertierten auffordern, »sei nicht extrovertiert«, oder einen Introvertierten, »sei nicht introvertiert«. Sophia Dembling erklärt: »Introversion […] ist ganz einfach eine Funktionsweise in dieser Welt, und daran ist überhaupt nichts Verkehrtes. Es ist an der Zeit, dass wir unsere Natur annehmen und anfangen, unseren Fall zu verteidigen. – In aller Stille.«54 Hier klingt auch schon etwas davon an, was möglich wäre, wenn an die Stelle gegenseitiger Kritik und Ablehnung ein Blick für die kraftvolle Ergänzung treten würde.

Damit das Leben der U-Boote und hiermit auch die Begegnung von U-Booten mit Schiffen und umgekehrt einfacher wird, werden in der Fortsetzung dieses Kapitels folgende Fragen untersucht: Wie können sich U-Boote (in diesem Fall introvertierte Christen) auf die Suche nach ihrer inneren Stärke machen? Wie entdecken sie ihre innere Stärke? Wie kann jene geschützt werden? Und mitten in alldem: Welche Hilfestellungen bietet uns Gottes Wort zu diesen Fragen?

Die leisen Weltveränderer

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