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2. Ängste

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Zu den größten Stolperfallen gehören außerdem Ängste. Es liegt auf der Hand, dass einige Ängste untrennbar mit der oben geschilderten Dunkelheit in Verbindung stehen. Angst vor der Dunkelheit, vor dem Versinken, der Einsamkeit. Darauf werde ich hier nicht weiter eingehen. Und selbstverständlich sind auch Extrovertierte von vielerlei Ängsten betroffen. An dieser Stelle möchte ich lediglich auf eine Angst hinweisen, die meines Erachtens eng mit dem introvertierten Wesen in Verbindung steht: die Angst, was geschehen könnte, wenn meine »Außenwelt« einen ungefilterten Einblick in mein komplexes Innenleben erhalten würde. Oder anders formuliert: die Angst davor, nicht für die Person geliebt zu sein, die ich im Innersten bin. Dahinter steckt im Kern auch die Angst davor, mich verletzlich zu machen – und im schlimmsten Fall abgelehnt zu werden.

Neulich fiel mir ein Gedicht in die Hände, das ich vor rund drei Jahren geschrieben habe. Ich schrieb es in Englisch, möglicherweise weil der Gebrauch einer Fremdsprache eine wohltuende Distanz zum schonungslos ehrlichen Inhalt geschaffen hat oder weil mir der prägnante englische Wortschatz geeigneter dafür schien auszudrücken, was ich fühlte. Ich überschrieb das Gedicht mit dem Titel Hidden me (Verborgenes Ich). Es ist vermutlich das »introvertierteste« Gedicht, das ich je geschrieben habe (auch wenn mir dies gar nicht bewusst war). Und zwar in einer Zeit, in der mich eine chronische Schmerzsituation an den Rand meiner Kräfte brachte. Der erste Teil beschreibt mein Empfinden, wie ich von der Außenwelt wahrgenommen werde – und dann folgt der ehrliche Blick in die Innenwelt:

Verborgenes Ich

sie loben mich

für mein heiteres Wesen

meine Intelligenz und Höflichkeit

sie mögen mich

wegen meines herzlichen Lachens

meiner Freundlichkeit und Heiterkeit

sie danken mir

für mein Verständnis

meine Ermutigung und Nachsicht

sie nennen mich

stark, zäh

tapfer und mutig

und rühmen sich dafür

mich so gut zu kennen.

Ich lächle nur

fühle mich einsamer

als je zuvor

frage mich

ob sie mich wohl immer noch mögen würden

wenn nichts von mir bliebe

als mein verborgenes Ich?

wenn sie

den Schmerz hinter meinen Worten

die Tränen hinter meinem Lächeln

die Ängste hinter meinen Taten

die Zweifel hinter meinen Plänen

die Schwächen hinter meinen Stärken

sehen würden?

wirst DU mich noch mögen

wenn nichts von mir bleibt

als mein verborgenes Ich?

mein einsames, ängstliches

verletzliches, weinendes

verborgenes Ich

überfordert vom Leben

verloren in der Komplexität

Debora Sommer, 10. August 2014

(übersetzt aus dem Englischen) 62

Kennen Sie solche oder ähnliche Gefühle und Gedanken? In den Jahren, seit ich dieses Gedicht schrieb, ist viel geschehen. Behutsam wage ich, mein verborgenes Ich zu enthüllen. Und ich möchte auch Sie von Herzen ermutigen: Lassen Sie sich nicht von Angst lähmen! Die Welt braucht Ihr verborgenes Ich!

Die leisen Weltveränderer

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