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c) Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 StPO

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Über die bisher genannten Voraussetzungen hinaus muss sich der jeweilige Gegenstand nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO auch im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden, damit das Beschlagnahmeverbot eingreift. Die ganz herrschende Meinung sieht in § 148 StPO jedoch eine Ergänzung des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO für die Kommunikation mit dem Verteidiger, so dass es ausreichen soll, wenn sich der Gegenstand in einem solchen Verhältnis entweder im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befindet oder es sich um Verteidigerpost oder andere schriftliche Verteidigungsunterlagen handelt.[111] Gewahrsam meint dabei die von einem natürlichen Willen getragene Herrschaft über ein Beweismittel unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung. Mitgewahrsam soll nach überwiegender Auffassung genügen, sofern der Mitgewahrsamsinhaber nicht der Beschuldigte selbst ist.[112] Der Gewahrsam an dem Beweismittel erstreckt sich daher auch auf Beweismittel, die z.B. in Schließfächern verwahrt werden und nur gemeinsam mit dem Vermieter entnommen werden können.[113] Sachen auf dem Postweg befinden sich demgegenüber nicht im Gewahrsam des Berufsträgers.[114] Wie bereits ausgeführt, können sie jedoch trotzdem dem Schutzbereich des § 97 StPO unterfallen, wenn es sich um schriftliche Verteidigungsunterlagen handelt. Eine Beschlagnahme von schriftlichen Verteidigungsunterlagen soll dem Gedanken des § 148 StPO entsprechend stets ausgeschlossen sein. Dabei ist es irrelevant, ob sich der Beschuldigten noch auf freiem Fuß befindet oder bereits inhaftiert wurde,[115] ob die Unterlagen bereits abgesandt worden sind oder sich noch im Gewahrsam des Beschuldigten befinden[116] und ob es sich um Papiere oder lesbare Computerdaten handelt.[117] Auch Aufzeichnungen über interne Ermittlungen können Verteidigungsunterlagen darstellen.[118]

Zur Begründung dieser Auffassung heißt es, § 148 StPO garantiere einen freien und ungehinderten mündlichen und schriftlichen Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger und verbiete die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen daher auch dann, wenn diese sich im Besitz des Beschuldigten befänden.[119] Zwar beziehe sich die Vorschrift des § 148 Abs. 1 StPO seinem Wortlaut nach nur auf den Verkehr des Verteidigers mit einem inhaftierten Beschuldigten. Dieser Grundsatz des freien ungehinderten Verkehrs müsse jedoch auch für den auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten gelten.[120] § 148 StPO sei Ausdruck einer allgemeinen Rechtsgarantie des unüberwachten Verkehrs zwischen Verteidiger und Beschuldigten und diene somit einer wirksamen ungehinderten Strafverteidigung. Der Schutz gelte daher erst Recht für den in Freiheit befindlichen Beschuldigten.[121] Eine ausdrückliche Regelung sei aus diesem Grund unnötig.[122] Nur für den inhaftierten Beschuldigten habe es wegen der besonderen Ausgestaltung des durch die Inhaftierung gegebenen – früher angenommenen[123] – besonderen Gewaltverhältnisses und der insoweit zulässigen Überwachung des mündlichen und schriftlichen Verkehrs des Beschuldigten der besonderen Regelung des § 148 StPO bedurft. Jede andere Auslegung würde zu einer unzulässigen Benachteiligung des auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten führen. Eine Erstreckung des Beschlagnahmeschutzes auf den Postweg sei aus denselben Gründen geboten.[124] Die Erstreckung auf Datenträger entspreche § 11 Abs. 3 StGB.[125]

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Die schlichte Behauptung, Unterlagen würden zur Verteidigung benötigt, oder die Vermischung von Beweismitteln mit Verteidigungsunterlagen hindert die Beschlagnahme demgegenüber nicht.[126] Soweit es sich allerdings um Verteidigungsunterlagen handelt, dürfen zu Unrecht beschlagnahmte Unterlagen nicht verwertet werden.[127]

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Endet der Gewahrsam z.B. durch freiwillige Aufgabe, Tod oder Diebstahl, findet § 97 StPO grundsätzlich keine Anwendung mehr.[128] Eine Ausnahme wird in den Fällen gemacht, in denen der berechtigte Gewahrsamsnachfolger derselben Berufskategorie zuzurechnen ist wie der Berufsträger.[129] Einen häufigen Anwendungsfall dieser Ausnahmeregel bildet der Kanzleiübergang auf einen Rechtenachfolger, aber auch die Übergabe des Gegenstandes an einen Kollegen, um fachlichen Rat zu erhalten.[130]

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Ein Sonderproblem des Gewahrsams stellt sich bei Geschäfts- und Buchungsunterlagen, die der Beschuldigte seinem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer übergeben hat. Hier ist umstritten, ob der Berufsträger Alleingewahrsam hat, was – die weiteren Voraussetzungen unterstellt – zu einem Beschlagnahmeverbot führen würde,[131] oder lediglich Mitgewahrsam mit dem Beschuldigten, was für eine zulässige Beschlagnahme spräche.[132] Mitgewahrsam solle bestehen, weil der Mandant jederzeit berechtigt sei, die Buchhaltungsunterlagen zurückzufordern.[133] Dieser Argumentation Biermanns und des LG Aachen hatte das LG München aber schon früh und überzeugend widersprochen. Rechte an einem Gegenstand könnten grundsätzlich keinen Gewahrsam begründen.[134] Für den Gewahrsamsinhaber sei vielmehr die tatsächliche Sachherrschaft kennzeichnend. Deshalb führe der Umstand, dass der Mandant Unterlagen zurückfordern könne, nicht zur Begründung eines Mitgewahrsams. Diese Auffassung kann heute wohl als herrschend bezeichnet werden.[135] Der Argumentation ist nichts hinzuzufügen.

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Ein weiteres Auslegungsproblem stellt sich in Bezug auf elektronische Dokumente, da der Gewahrsam an ihnen im Einzelfall schwer zu bestimmen ist, wenn auf diese von verschiedenen Orten zugegriffen werden kann. Für das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO ist jedoch allein maßgeblich, wo diese Dateien gespeichert sind.[136] Es ist damit auf den Gewahrsam am Datenträger abzustellen. Eine Ausnahme ist erneut für Verteidigungsunterlagen zu machen.

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