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a) Verfassungsrechtliche und kriminalpolitische Kritik
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§ 316a StGB ist als „Erzeugnis nationalistischer Verbrechensbekämpfungspolitik“ auch in der heute geltenden „entnazifizierten“ Fassung Gegenstand teils scharfer Kritik.[392] Diese richtet sich insbesondere gegen die hohe Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren (die der des Totschlags gemäß § 212 StGB entspricht) in Verbindung mit einer weitgehenden Vorverlagerung der Strafbarkeit gegenüber den Raub- und Erpressungsdelikten. Der hohe, allerdings in der Praxis kaum angewandte (Rn. 24), Strafrahmen wurde bei der Änderung des Tatbestandes im Zuge des 6. StrRG (Rn. 20) thematisiert, blieb aber unverändert.[393] Grundsätzlich begründet ein hoher Strafrahmen nicht per se eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit, weil es dem Strafgesetzgeber im Rahmen seines weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums überlassen bleiben muss, an seiner Ansicht nach schweres Unrecht eine entsprechend hohe Strafandrohung zu knüpfen.[394] Der BGH hat in der Mindeststrafe des § 316a StGB weder einen Verstoß gegen das Schuldprinzip noch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip noch gegen Art. 2 EMRK gesehen.[395] § 316a StGB ist noch verfassungsgemäß, allerdings ist dieser Straftatbestand eng auszulegen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen.[396]
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Kriminalpolitisch handelt es sich um einen in jeder Hinsicht entbehrlichen Tatbestand.[397] Die restriktiv zu handhabende verfassungskonforme Auslegung führt in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum der Angriff auf Kraftfahrer zur Begehung eines der in § 316a StGB genannten Delikte mit besonders hoher Strafe bedroht wird, der Angriff zur Begehung eines Sexualdeliktes oder selbst eines Tötungsdeliktes hingegen nicht besonders geregelt ist (dann ggf. „nur“ §§ 315b Abs. 1, 315 Abs. 3 Nr. 1b) StGB mit geringerer Strafandrohung; sofern das Tötungsdelikt in das Versuchsstadium gelangt, bestünde immerhin noch die Möglichkeit der fakultativen Strafmilderung). Dies führt doch zu dem eher paradoxen Ergebnis, dass der Täter, der einen Angriff auf einen Menschen verübt, um ihn zu töten, (erheblich) besser steht als der in räuberischer Absicht handelnde Angreifer.[398]