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Kirchliche Missstände

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Die Reformdebatte innerhalb des Reiches verband sich mit einem antirömischen Affekt. Besonders seit dem Aufenthalt der Päpste in Avignon (1309 –1377) war der kuriale Fiskalismus zu einem effizienten System der Einnahmesteigerung durch Zehntleistungen, Benefiziengelder und diverse Gebühren ausgebaut worden. Die Untersuchung von Tobias Ulbrich kommt für das Bistum Bamberg zum Ergebnis, dass der römische Einfluss auf die Pfründenvergabe vielfach überschätzt wird, während tatsächlich weltliche Patronatsherren dominierten. Nur eine Minderheit von 20 Prozent der Geistlichkeit ging in Bamberg den Weg über den römischen Pfründenschalter, wobei die päpstliche Provision auf ein Benefizium nur eine Option, aber keine Erfolgsgarantie bildete.

Gravamina

Die geistlichen Kurfürsten und eine Mainzer Provinzialsynode stellten die erstmals 1456 so bezeichneten Gravamina nationis germanicae gegenüber der römischen Kurie zusammen. In Anlehnung an das Wiener Konkordat von 1448 protestierten sie gegen die „Beschwerung“ des Reiches, der Reichskirche und der Gläubigen durch Rom, gegen Eingriffe bei der Pfründenvergabe und der Besetzung von Prälaturen, gegen finanzielle Forderungen und gegen den Missbrauch der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Diese Punkte tauchten auch im 16. Jahrhundert in der Diskussion auf und konnten sich mit reformatorischen Forderungen verbinden.

Das religiöse Leben in den Pfarreien und der Bildungsstand der Pfarrer können angesichts weniger Visitationsberichte für das Spätmittelalter nur unzulänglich untersucht werden. Nach einem Regensburger Bericht von 1508 lebte ein Zehntel des Klerus im Konkubinat, ein ansehnlicher Teil war akademisch gebildet. Die Untersuchung von Enno Bünz zum Niederklerus in Thüringen erbringt das Ergebnis, dass die Situation der Pfarrgeistlichkeit hinsichtlich Einkommen, Lebenswandel und Bildungsstand keineswegs so negativ gesehen werden darf, wie dies lange der Fall war.

Ein quellenkritisches Problem zeigt die Tatsache auf, dass Reformer jeder Couleur die Zustände vor ihrem Engagement besonders kritisch darstellen, um ihre eigenen Verdienste stärker zu betonen. Auf den Synoden wurden meist nur die negativen Seiten hervorgehoben. Beispielsweise waren die vehementen Vorwürfe der bayerischen Herzöge gegen die Bischöfe politisch motiviert, um ihre staatskirchlichen Rechte auszubauen.

Allerdings hatten die Bischöfe, die sich in erster Linie als Fürsten fühlten, und die adeligen Domkapitel der Reichskirche, die oft den Empfang der höheren Weihen verweigerten, kaum Sinn für seelsorgerliche Erfordernisse und konzentrierten sich auf die weltliche Seite ihrer Position. Zahlreiche Inhaber einträglicher Pfarreien ließen ihre Aufgaben durch schlecht besoldete und unzulänglich ausgebildete Vikare wahrnehmen. Zu den Ursachen der spätmittelalterlichen kirchlichen Missstände gehören die Strukturschwächen der kirchlichen Organisation, die materielle Armut auf dem Land, die finanziellen Forderungen für geistliche Leistungen, die Praxis der Pfründenhäufung und die Zunahme der armen Priester ohne Pfründe und ausreichende Ausbildung.

Katholische Reform und Gegenreformation

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