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Konfessionalisierung

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Der österreichische Kirchenhistoriker Karl Eder (1889 –1961) führte den Begriff des konfessionellen Absolutismus als Epochenbezeichnung ein, um für den Zeitraum von 1555 bis 1648 das enge Bündnis der Religion mit dem frühmodernen, zum Absolutismus tendierenden Staat zu betonen, der die Konfessionshoheit usurpiert hatte. In der Forschung der letzten Jahre hat sich statt der verschiedenen mit Reform gebildeten Wortschöpfungen das Modell der Konfessionalisierung weitgehend durchgesetzt, da es den Prozesscharakter der Ausbildung der Konfessionen in den Mittelpunkt rückt. Ernst Walter Zeeden hielt auf dem Historikertag 1956 in Ulm einen Vortrag über „Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung in Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe“, aus dem sein Werk über die „Entstehung der Konfessionen“ hervorging. Er versteht unter Konfessionsbildung „die geistige und organisatorische Verfestigung der seit der Glaubensspaltung auseinander strebenden christlichen Bekenntnisse zu einem halbwegs stabilen Kirchentum nach Dogma, Verfassung und religiös-sittlicher Lebensform“.

Für die Geschichtswissenschaft der Frühneuzeit entwickelte sich die Konfessionalisierung zu einem Forschungsschwerpunkt. Kirchen- und Profangeschichte, Verfassungs-, Sozial- und Kulturgeschichte wie der Mentalitätenwandel können damit unter einer gemeinsamen Fragestellung untersucht werden. Für Deutschland erwies sich dieser Ansatz als besonders fruchtbar, weil er die Verknüpfung von Reichs- und Landesgeschichte ermöglicht. Wolfgang Reinhard überwand die Gegenüberstellung von Reformation und Gegenreformation als aufeinander folgende Epochen und versteht den Zeitraum ab den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts über die alte Epochenscheide 1555 hinweg bis nach der Mitte des 17. Jahrhunderts als „konfessionelles Zeitalter“. Der Prozess der Konfessionalisierung wird dabei als Modernisierung begriffen, und zwar nicht nur in der Tradition Max Webers für den Calvinismus, sondern auch für das Luthertum und den tridentinisch erneuerten Katholizismus. Heinz Schilling versteht Konfessionalisierung als gesellschaftlichen Fundamentalvorgang, der parallel zur Ausbildung des frühmodernen Staates mit der Formierung einer neuzeitlich disziplinierten Untertanengesellschaft verlief.

Die Verwendung des Begriffs „Konfessionelles Zeitalter“ für die Reichsgeschichte, etwa durch Harm Klueting für die Epoche zwischen 1525 und 1648, erscheint sinnvoller als andere Periodisierungsversuche wie Zeitalter der Glaubenskämpfe oder die Abfolge von Reformation und Gegenreformation. Besonders die Debatte um die Sozialdisziplinierung der Untertanen durch den frühmodernen Staat und den Modernisierungsschub, den auch der katholisch ausgerichtete Staat leistete, lassen die begrenzte Anwendung des Konfessionalisierungsbegriffs als weiterführend erscheinen. Dieser Terminus ermöglicht die Untersuchung vergleichbarer Methoden bei diesen Vorgängen.

Klueting betont einen weiteren Komplex in dieser Debatte, indem er auf die Wechselwirkung von Konfessionalisierung und Säkularisierung hinweist. Ein anschauliches Beispiel bietet das Frankreich der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Hier erzwang der Staat mit seinen Machtmitteln den Frieden zwischen den konfessionellen Streitparteien. Die Intensivierung der Forschungen zum konfessionellen Zeitalter fand ihren Niederschlag vor allem in dem auf sieben Bände angewachsenen Sammelwerk von Anton Schindling und Walter Ziegler „Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung“. Für die Geschichte der Reichsstände im konfessionellen Zeitalter, für weiterführende Literatur und Forschungsdesiderata sei auf diese Reihe verwiesen.

Wenn im Folgenden der Begriff katholische Konfessionalisierung verwendet wird, so dient er zur Kennzeichnung der Verfestigung des Dogmas und der durch das tridentinische Glaubensbekenntnis neuerlich gewonnenen Sicherheit der katholischen Kirche. Er charakterisiert aber auch die Intensivierung der Erfassung und Kontrolle aller Bevölkerungsschichten mit religiösen Vorschriften und Normen. Wolfgang Reinhard versteht die katholische Konfessionalisierung als ein tendenziell konservatives Einschmelzen von unvermeidlichen Innovationen in ein gegebenes System. Irenische Strömungen und humanistische Traditionen wurden in diesem Zusammenhang in den Hintergrund gerückt.

Allerdings verdrängt das Konzept der Konfessionalisierung die Frage nach der theologischen Wahrheit. Spiritualität und gelebte Frömmigkeit können damit nicht erfasst werden, oder – in der Formulierung Anton Schindlings – „es werden nur Außenschalen wahrgenommen, nicht der Kern, das innere kirchliche Leben, nicht die Erlebnisse, Wahrnehmungen und Deutungen der handelnden und betroffenen Menschen“. Die radikal zugespitzte Konfessionalisierungsthese, nach der aus der mittelalterlichen gemeinsamen abendländischen Christenheit durch die Reformation und ihre Folgen im 16. Jahrhundert drei völlig neue, durch spezifische Lehrgebäude und Lebenshaltungen festgefügte Konfessionen entstanden seien, die funktional äquivalent und kompatibel seien, ist sowohl empirisch als auch systematisch nicht belegbar und deshalb wenig überzeugend. Walter Ziegler vertritt demgegenüber die These, dass die katholischen Territorien im konfessionellen Zeitalter weitgehend unverändert altgläubig geblieben seien. Ein Bruch in Dogma und Struktur, in Sakraments- und Amtsverständnis der katholischen Kirche vom Mittelalter in die Neuzeit sei nicht erfolgt. Sie habe die Kontinuität der Lehre, der Hierarchie, des sakramental geweihten Priestertums und des kanonischen Rechts gewahrt, die von den Glaubensgemeinschaften der Reformation abgelehnt worden seien. Der Konfessionalisierungsansatz lenkte jedoch das Augenmerk der Forschung, das in Deutschland lange sehr einlinig und überproportional dem Protestantismus galt, auch auf katholische Phänomene. Ein „katholisches Forschungsdefizit“ konnte so zumindest angegangen werden.

Katholische Reform und Gegenreformation

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