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Horeis+Blatt Partnerschaft mbB, Garten- u. Landschaftsarchitekten BDLA

1. PREIS

Im Garten der alten Schmiede


Assoziationen mit der richtigen Materialwahl wecken: Bruchsteinwürfel bilden den archaischen Sitzplatz am Feuer.

Um eines gleich vorwegzunehmen – ein historischer Bau oder gar eine Schmiede gab es auf diesem Grundstück nie. Vielmehr stand dort einmal ein typischer 60er-Jahre-Bungalow in einem Garten, der mit den Jahren völlig zugewuchert und ohne erkennbare Raumstruktur war. Es gab jedoch schöne alte Baumveteranen, die an einen Park denken ließen. Als die Auftraggeber dieses Nachbargrundstück erwarben, wurde der Bungalow zu einem historisch anmutenden Neben- und Wohngebäude für das Haupthaus umgestaltet.

Laudatio

Hier möchte ich abends am Feuer bei einem Glas Rotwein sitzen, war spontan mein erste Gedanke, als ich die stimmungsvollen Bilder sah.

Selbstverständlich und unaufgeregt präsentieren sich das Haus aus typisch norddeutschem Klinker und der parkartige Garten. Nichts ist zu viel, nichts drängt sich auf, ist protzig oder laut. Vielleicht ist es die naturnahe Umgebung, die sich behutsam dem Haus, dem zentralen Bereich nähert. Vielleicht sind es die Materialien, die besonders fein und subtil abgestimmt sind. In jedem Fall ist es dem Büro Horeis+Blatt Partnerschaft mbB gelungen, einen magischen Ort inmitten der Stadt zu kreieren. Vorher stand hier ein typischer 60er-Jahre-Bungalow in einem Garten ohne erkennbare Raumstruktur, der mit den Jahren völlig zugewuchert war.

Das hat sich verändert. Durch das geschickte Miteinander von zurückhaltender Gebäudearchitektur und dem Außenraum wirkt nun alles selbstverständlich und harmonisch miteinander verwoben. Der wertvolle alte Baumbestand ist frei gestellt und kann jetzt seine Wirkung entfalten.

Es war das Bild einer „alten Schmiede“, das entstehen sollte. Diese Illusion wird vor allem durch die Materialien herausgearbeitet, die zu diesem Bild passen: über hundert Jahre altes Eichenholz für die Holzdecks, Stahl für die Einfassung der Wassergräben, Belgischer Klinker für die Pflasterflächen. Getüftelt wurde bis ins kleinste Detail, etwa bei der Farbgebung für die Einfassung der Wassergräben. Da sich bei Stahl das Wasser entsprechend verfärbt, wurden verschiedene Pulverbeschichtungen und Lackierungen für die Stahlkanten der Becken ausprobiert. Bei einem Leuchtenhersteller fand man schließlich die geeignete Oberflächenbehandlung für alle Stahlelemente im Außenbereich. So ist die Szenerie bis ins kleinste Detail durchdacht. Natursteinobjekte am Wasserbecken und an der Feuerstelle runden das Bild der „alten Schmiede“ ab. Dort würde ich abends gerne beim flackernden Schein des Feuers sitzen und diese perfekte Inszenierung in Ruhe betrachten. Ich hätte dabei gern ein Glas Rotwein in der Hand.

Petra Pelz


Der wertvolle alte Baumbestand wie hier eine mächtige Rot-Buche (Fagus sylvatica) bleibt selbstverständlich erhalten.


Wassergräben untermalen das Bild der „alten Schmiede“ und spiegeln Gartenbilder.


Kontrastreicher Sichtschutz: Das Dunkelgrün der Hochstamm-Eiben lässt die weißen Blütenbälle der Hortensien 'Annabelle' besonders leuchten.


Steinkunst: Am schwarzen Naturstein sind die Seiten nicht glatt poliert, sondern nur geschliffen. So wirkt es, als würde das Wasser an ihnen hoch spritzen.


Kunst unter sich: Mehrstämmiger Eisenholzbaum (Parrotia persica) und ein abstraktes Kunstobjekt aus Cortenstahl.


Die Illusion der „alten Schmiede“ ist perfekt gelungen – dank ausgesuchter Materialwahl und der Wirkung der Großbäume.

„Wegen der Lage im historischen Stadtkern suchten wir nach einem passenden Thema. In zahlreichen Planungsrunden mit Bauherr und Architekt wurde das Bild einer alten Schmiede entwickelt“, berichtet Garten- und Landschaftsarchitekt Niels Blatt. Dieses Thema zieht sich als roter Faden durch die gesamte Gartengestaltung. Elemente wie die Kunstgebilde aus rostigem Stahl oder die Wassergräben passen folgerichtig in dieses Bild. Zwar ist die „Schmiede“ ein Neubau, sie besteht aber zu 90 % aus Altmaterialien, aus historischen Ziegeln und Dachpfannen und aus Altholz für Balken und Dachstuhl.

Bevor sich Niels Blatt daran machen konnte, ein passendes Gartenbild und die Verbindung zum bestehenden Haupthaus zu schaffen, ging es zunächst einmal ans „Aufräumen“. Abgängige Gehölze kamen aus dem Garten ebenso wie unpassende Koniferen, etwa eine Serbische Fichte (Picea omorica), Modebaum der 60er-Jahre. Der wertvolle alte Baumbestand aus mächtigen alten Rot-Buchen (Fagus sylvatica) und Hainbuchen (Carpinus betulus) blieb erhalten. Weiße Hainsimse (Luzula nivea), eine heimische Waldstaude, bedeckt den Boden unter den Hainbuchen und umschmeichelt die knorrigen Stämme mit ihren feinen immergrünen Blättern und federleichten Blütenbüscheln. Immergrüner Strauch-Efeu (Hedera helix 'Arborescens'), auf markante Ecken gesetzt, vervollständigt die Szenerie. Den schönen alten Baumbestand ergänzen sieben Großbäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 cm, vor allem Solitär-Linden (Tilia cordata) und -Eichen (Quercus palustris), die den Parkcharakter wiederherstellen. Gleichzeitig schaffen die Großbäume Privatsphäre, indem sie Einblicke von der umliegenden, bis zu fünfstöckigen Bebauung verhindern. Kleinere, aber feine Gehölze wie der mehrstämmige Eisenholzbaum (Parrotia persica) ergänzen die großen Solitäre. Eiben-Bienenkörbe (Taxus baccata), als Hochstamm gezogen, kaschieren eine weiße Sichtschutzwand, die einen öffentlichen Parkplatz ausblendet. Rhododendren 'Cunningham‘s White', kombiniert mit Hortensien (u.a. Hydrangea paniculata 'Little Lime'), leuchten mit ihren großen weißen Blüten in der Kulisse. An den halbschattigen Gehölzrändern fühlen sich Echter Wurmfarn (Dryopteris filixmas), Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) und Prachtspiere (u.a. Astilbe Arendsii Hybride 'Brautschleier') wohl. Insgesamt wählte Niels Blatt Pflanzen aus, die mit dem Halbschatten bzw. Schatten unter den Baumveteranen klarkommen, wintergrün sind und überwiegend weiß blühen.

Untermalt wird das Bild der „alten Schmiede“ von Wassergräben, in denen sich die Gartenbilder spiegeln. Damit die Illusion auch bis ins kleinste Detail stimmig wirkt, muss das Material ins Bild passen. Die Wahl fiel deshalb auf Stahl für die Einfassung der Wassergräben und Belgischen Klinker für die Pflasterflächen, aus dem auch die „Schmiede“ gebaut wurde. Für das befahrbare Großsteinpflaster mit Rasenfuge wurde lange nach geeignetem Material gesucht. „Schließlich haben wir gebrauchte Steine bekommen, die lange in einem Hafen lagen“, berichtet Niels Blatt. Auch für die Holzdecks gestaltete sich die Suche nach historischem Material schwierig – endlich gelang es dem Gartenarchitekten, über hundert Jahre altes Eichenholz aufzustöbern.

Natursteinobjekte am Wasserbecken runden das Bild der historischen Szenerie ab. Auf sie kann man sich setzen und die Füße ins Wasser halten. Aus dem gleichen Naturstein (Nero Zimbabwe) sind auch die Bruchsteinwürfel an der Feuerstelle. Die Steinkünstler (Naturstein Wolf, Lübeck) haben diese scheinbar weich und rund gestaltet und trotzdem die Sprengungen, Bohrlöcher und Kanten gelassen. Es ist das Archaische des Steins, des Metalls, des Feuers, was automatisch die richtigen Assoziationen weckt. Sitzt man dort im Dunkeln am prasselnden Feuer, dann ist die Illusion der „alten Schmiede“ – mitten in der Innenstadt – perfekt.

LAGE DES GARTENS

Norddeutschland

GRÖSSE DES GARTENS

ca. 4000 m2 Grundstückanteil, der umgestaltet wurde

PLANUNGSBÜRO

Horeis+Blatt Partnerschaft mbB, Garten u. Landschaftsarchitekten BDLA

AUSFÜHRUNG

Quathamer Garten- und Landschaftsbau GmbH

FOTOGRAFIE

Ferdinand Graf Luckner


„Der Garten schafft es, die Gebäude zu verbinden und unterschiedliche ‚Räume‘ mit verschiedenen Nutzungsschwerpunkten auszubilden.“

NIELS BLATT


PLAN

1Schmiede

2Holzdeck unter Bestandsbuche

3Großbaumpflanzung

4Wassergraben

5Feuerstelle

Gärten des Jahres 2022

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