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Luftschlösser statt Prinzessinnengarten

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Vor einigen Jahren schrieb ich einen Leserbrief zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, einem monumentalen postbarocken Betonklotz mit einer 200 m langen, nachgemachten Preußen-Fassade. Wer sich ein solches Schloss, das über eine Milliarde Steuergelder verschlingt, leisten kann, sollte sich auch einen kleinen Prinzessinnengarten gönnen, schrieb ich. Dieser, von jungen Gartenenthusiasten gepflanzte Prinzessinnengarten mitten in Kreuzberg, holte damals die Natur und das Gärtnern in die Stadt zurück und machte urban gardening weltweit bekannt. Und dieser Modellgarten war wieder einmal gefährdet. Das Grundstück liegt im heißen Spekulationsgebiet der Innenstadt. Mit einer Milliarde Euro Schlossaufbauhilfe hätte man die schönsten Stadtteilgärten der Welt anlegen und unterstützen können. Dann wäre sogar noch genügend Geld übrig gewesen, um auf der Wiese des heutigen Schlossgeländes, auf dem Gelände des abgerissenen Palasts der Republik der DDR, einen Garten der Lüste und der Wiedervereinigung, einen riesigen gesamtdeutschen Naschgarten anzulegen. Für eine Zeit lang hätte dieser Garten Ost und West verbunden und alle Nationen zum gemeinsamen Gärtnern eingeladen.

Was für ein verbindendes Paradies, was für ein globaler Integrations-Garten mit Einflüssen aus der ganzen Welt hätte das werden können.

So absurd das vielleicht klingen mag, so absurd wie die verrückte und realisierte Idee, mitten in Berlin heute wieder ein Kaiserschloss aufzubauen, ist die Gartenidee bei Weitem nicht. In seinem engagierten Essay „Die große Illusion – Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preussen“ schreibt Hans von Trotha über die nicht enden wollenden Kontroversen über dieses Bauwerk.

Er zitiert den Architekturhistoriker Julius Posener mit einem Gartenvorschlag ganz besonderer Art: Garten statt Schloss. „Mein Vorschlag ist der: Man lasse sich Zeit. Man baue an diese Stelle, ich meine an die Stelle der alten Lustgartenfront eine Front, welche als Durchgang dienen möge: als Durchgang zunächst zu einem Garten. Es ist natürlich im höchsten Maße wünschenswert, dass an dieser Stelle der Stadt einmal ein Gebäude von großer Wichtigkeit für das Leben der Stadt stehen möge: etwas Lebendigeres als das alte verlassene Kaiserschloss. Wir wissen noch nicht recht, was das sein soll. Lassen wir uns Zeit.“

Dies kommentiert Hans von Trotha trocken, „ (…) dass auf diesen Rat gehört werden würde, war von allen die allergrößte Illusion“. Und so steht nun das Schloss. Die gute Nachricht: im Prinzessinnengarten blüht es auch noch, und noch immer gibt es Guerilla-Gardening mit selbst gemachten Blumensamenbomben, die in die Beton- und Schotterritzen der Stadt geworfen werden.

Gärten des Jahres 2022

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