Читать книгу Gärten des Jahres 2022 - Dieter Kosslick - Страница 21
ОглавлениеJörg Lonsdorf - Die Gartenthusiasten
Ein gepflanztes Märchen
Einladender Endpunkt der kulissenartig gegliederten langen Sichtachse.
Jörg Lonsdorf ist einer, der seine Pflanzenleidenschaft lebt, der mit Stauden und Gräsern experimentiert, der Dynamik im Garten zulässt und sich an der so entstandenen Natürlichkeit freuen kann. Logisch, dass in seinem Garten Pflanzen die Hauptakteure sind, auf die er seine Gestaltung konzentriert. Vor allem Stauden haben es ihm angetan – naturhafte, altbewährte, aber auch seltene Arten. Daher nehmen die ausdauernden krautigen Gewächse auch den Löwenanteil seines Hanggartens ein.
Laudatio
Der Privatgarten des Gartengestalters Jörg Lonsdorf in Bonn sticht durch sein herausragendes und innovatives Pflanzkonzept hervor. Eine harmonische Kombination sorgsam ausgewählter Stauden, Gräser und Gehölze, kombiniert mit einer hohen Experimentierfreudigkeit und großen Vielfalt an Arten und Sorten, schafft einen intimen, nahezu märchenhaft erscheinenden Gartenraum. Das gestalterische Grundkonzept für das lang gezogene Hanggrundstück ist dabei reduziert, fast einfach und stellt konsequent die Pflanze als gestaltendes Element in den Vordergrund.
Ein verschlungen wirkender, sorgsam modellierter Rasenweg gibt die Form vor, erschließt lauschige Sitz- und Leseecken und führt das Auge des Betrachters durch artenreiche, üppige und teils wild anmutende Staudenpflanzungen. Dabei darf sich der Garten weiterentwickeln und befindet sich so in stetigem Wandel. Jörg Lonsdorf kreiert außergewöhnliche Pflanzenkombinationen, die zwar die pflegende Hand des erfahrenen Gärtners brauchen, sich aber dennoch dynamisch und stellenweise naturnah entwickeln dürfen. Für die Jury in Zeiten von Pandemie, Klimawandel und Verlust von Biodiversität ein zeitgemäßes Konzept, welches den Garten als privaten Rückzugsraum und Sehnsuchtsort präsentiert.
Jens Spanjer
Aus der naturnahen Pflanzung ragen das Laserkraut (Laserpitium siler) mit weißen Doldenblüten und der Fingerhut (Digitalis purpurea) mit purpurnen Blütenglocken hervor.
Buchsbäume und ein straff aufrecht geschnittener Wacholder (Juniperus communis) geben Orientierung.
Die Blickachse wird immer wieder von Gehölzen und hohem Bambus verstellt, um Spannung zu erzeugen.
Schattenplatz zum Träumen, während ein sanfter Hauch die feinen Blätter des Bambus rascheln lässt.
Der schmale Rasenteppich bietet dem Auge einen Ruhepol und hält die staudenreiche Pflanzung optisch zusammen.
Belagsflächen, geschweige denn Bodenversiegelung, sind dagegen auf ein Minimum reduziert (es gibt zwei kleine Terrassen, hausnahe Laufwege sowie einen kleinen Schattensitzplatz). Nach und nach entstand sein Reich der Stauden in reiner Handarbeit, ganz ohne vorgefertigten Pflanzplan. „Kopf- und Handarbeit verliefen parallel, die Entscheidungen konnten reifen, wurden durch Überlegung und intuitiv-emotional getroffen“, erzählt der studierte Landespfleger.
Die lang gestreckte Form des Hanggartens – nur ca. 13 m breit, dafür aber 64 Meter lang – empfand Jörg Lonsdorf als Geschenk: „Der Garten neigt sich dem Betrachter zu, so kann man die lange Blickachse interessant kulissenartig gliedern.“ Diese zentrale Sichtachse betont ein langer Rasenweg, der sich vom Haus den Hang hinauf schwingt. Damit der weite Blick auch wirken kann, ist das Raumkonzept fließend angelegt, was dem schmalen Grundstück Großzügigkeit verleiht; gliedernde Gartenzimmer gibt es nicht. Den Weg legte er nach den Trampelpfaden an, die er in der teils verwilderten Fläche vorfand, und dies möglichst platzsparend: „Er ist so flächenreduziert wie funktional möglich, um viel Platz für die Fülle der Natur zu haben.“ Die Blickachse wird immer wieder von Gehölzen oder Bambus verstellt, um Spannung zu erzeugen und die menschliche Neugier zu wecken, die jede Ecke und jeden Winkel des Gartens erkunden will. Gleichzeitig bietet der schmale Rasenteppich dem Auge einen Ruhepol und hält die staudenreiche Pflanzung optisch zusammen. Das Rückgrat des Gartens bilden außerdem klassische Buchsbäume und ein straff aufrecht geschnittener Wacholder (Juniperus communis), Immergrüne, die dem Garten auch im Winter Struktur und Orientierung geben.
Mit diesen Orientierungspunkten kontrastiert eine artenreiche, teils wild anmutende Staudenpflanzung – Ergebnis der Experimentierlust des Pflanzenliebhabers und daher in stetem Wandel begriffen. Stück für Stück bepflanzte Jörg Lonsdorf in Handarbeit die Bereiche rechts und links des Weges – nach dem Prinzip „right plant, right place“ – ein Motto, das der englischen Gartenlady Beth Chatto zugeschrieben wird. „Also habe ich die von der Wirkung und vom Standort her passenden Pflanzen ausgewählt und bin dabei meinem Spiel- und Experimentiertrieb gefolgt, immer mit einem die Ästhetik prüfenden Blick“, berichtet der Gartenplaner.
Doch wie aufwändig ist die Pflege eines solchen Staudenreichs? Zeitmangel ist doch eine weitverbreitete Krankheit in unserer Gesellschaft und Pflege fordert nun mal das wertvollste von uns, was wir haben: Zeit. Jörg Lonsdorf hat sich von der Vorstellung verabschiedet, dass der Garten jedes Jahr gleich aussehen muss, er lässt Dynamik zu, greift an anderer Stelle aber wieder gezielt ein. „Manche Ecke, die man früher Staudenbeet genannt hätte, vermittelt inzwischen eher den Eindruck einer Wiese. Es fällt mir der Ausspruch eines Gartenarchitekten ein, der mich schon im Alter von zehn Jahren beeindruckt hat: ‚Kultiviert verwildert.‘ Ja, das mag ich! Struktur trifft auf Chaos und Lebensfreude. Nun bin ich 51 und endlich da angekommen, nachdem ich als junger Gärtner immer alles perfekt gepflegt haben wollte“, sagt Jörg Lonsdorf. Wie es wohl weitergehen wird mit seinem lebendigen, dynamischen Garten? Eins ist sicher – nichts bleibt, wie es ist.
LAGE DES GARTENS
Bonn, Nordrhein-Westfalen
GRÖSSE DES GARTENS
730 m2
(ohne Haus) bzw.
830 m2
(mit Haus)
PLANUNGSBÜRO
Jörg Lonsdorf - Die Gartenenthusiasten
AUSFÜHRUNG
Jörg Lonsdorf - Die Gartenenthusiasten
FOTOGRAFIE
Sabrina Rothe
„Mit der Zeit ist der Garten wilder geworden, doch das Grundkonzept mit den optischen Ruhepolen erlaubt dies, ohne dass reines Chaos entsteht.“
JÖRG LONSDORF
PLAN
1Wohnhaus
2Rasenweg
3Schattensitzplatz
4Pflegewege durch die Bepflanzung
5Bank am Endpunkt der Sichtachse