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Das „Marienbräutli“ Viola – Sinnbild der Sittsamkeit und Bescheidenheit

Nicht die Schlüsselblume, sondern das Veilchen Viola ist zum Symbol des zeitigen Frühlings geworden. Trotz seiner sprichwörtlichen Zurückhaltung, Sinnbild der Sittsamkeit und Bescheidenheit, der Demut und der Jungfräulichkeit, gibt das Märzveilchen in der Duftmusik der Frühblüher den Ton an, obgleich die mit größeren Nahrungsspeichern begünstigten Blumenzwiebeln oft schon früher ihre Sprossen recken und es auch an Größe und Auffälligkeit des Flors übertreffen. So reiht sich auch das „sittsame, demütige“ Veilchen in die Reihe der Marienblumen ein, trägt es doch im Volksmund auch den Namen „Marienbräutli“.

Wenn wir uns an die Veilchenplätze in den Wäldern unserer Kindheit ins Gedächtnis zurückrufen, wird uns inne, welch starken Eindruck auch bescheiden gebückte Winzigkeit hervorrufen kann, wo es in Massen auftritt. Das war in der milden Märzsonne schon eine betörende Duftwolke, die aus den wirren Gräserhaaren der erwachten Erde aufstieg, wenn man das Veilchenfeld unter den Haselsträuchern pflückte, ohne dass sich seine Fülle vermindert hätte.

Das Märzveilchen oder „Wohlriechende“ Veilchen (Viola odorata) weckt – außer der Rose vielleicht –die meisten romantischen und poetischen Gedankenverbindungen aller Blumen. Der griechische Dichter und Arzt Nikandros bemerkte, dass die Nymphen von Ionien dem Jupiter ihre Liebe gestanden, indem sie ihm ein Veilchen schenkten. Oder wurde „Viola“ nach Io, der Geliebten Jupiters genannt? Er verwandelte die schöne, sittsame Nymphe Io in eine Kuh. Danach schossen Veilchen aus der Erde, um sie zu ernähren.

Die Blume der Liebenden ist das Veilchen geblieben. Ihre Sprache ist die Botschaft der Zärtlichkeit, nicht der drängenden, begehrenden Liebe.

Wollte man Venus, die Göttin der Liebe, ins Brautgemach laden, dann würde das Bett im Frühling mit Veilchen geschmückt. Duft und Farbe der blauvioletten Blüten üben offenbar eine aphrodisierende Wirkung aus.

Das Veilchen konkurriert mit dem Vergissmeinnicht als „blaue Blume“ der deutschen Romantik. Die bei Novalis genannte blaue Wunderblume symbolisiert die Sehnsucht des Menschen nach der Erfüllung verborgener Wünsche. Die blaue Blütenfarbe weist demnach auch auf das Himmelsblau des kommenden Sommers hin.

So trägt denn auch das Veilchen in den deutschen Landen verschiedene Volksnamen, die auf die Beliebtheit und Verwendung der „blauen Wunderblume“ hinweisen: Marienblümchen, Marienstängel, Marienduft, Marienbräutli, Duftengelchen, Schwalbenblume, Veicherl, Veieli und Osterveigerl. Die Bezeichnung „Marienbräutli“ weist darauf hin, dass Brautkränze aus Veilchen (Marienblumen) geflochten wurden.

Schon im Altertum war das Veilchen beliebt; man flocht aus ihm Kränze, mit denen man sich bei Festlichkeiten und Orgien schmückte, um sich vor Kopfschmerzen, verursacht durch Trunkenheit, zu schützen. Die Bilder der Hausgötter wurden mit Veilchen geziert, und noch bei manch anderen Bräuchen spielte das Veilchen eine Rolle.

Veilchen haben früher in den Frühlingsbräuchen auf dem Lande eine besondere Rolle gespielt. Das erste Veilchen wurde hoch geehrt; es durfte nur vom sittsamsten und schönsten Mädchen gepflückt werden. Wer das erste Veilchen des Jahres fand, durfte sich etwas wünschen. Und wenn der Frühling einzog, ging der Wunsch in Erfüllung. In den Dörfern wurde das erste Veilchen auf eine Stange gesteckt und umtanzt.

Dass Veilchen die „Duftnote zum Frühling“ sind, beschreiben auch die deutschen Dichter. Goethe spricht: „Ein Veilchen auf der Wiese stand, gebückt in sich und unbenannt. Es war ein herzig Veilchen.“ Und Theodor Storm ergänzt: „Die Kinder haben die Veilchen gepflückt, all, all, die da blühen am Mühlengraben. Der Lenz ist da; sie wollen ihn fest in ihren kleinen Fäusten haben.“ Aber am schönsten träumt Eduard Mörike von den Veilchen im Frühling:

„Frühling lässt sein blaues Band

wieder flattern durch die Lüfte;

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton!

Frühling, ja du bist’s!

Dich hab ich vernommen.“

Das bescheiden am Boden kauernde Frühlingskind hat nicht nur viele, sondern auch erlauchte Verehrer gehabt. Gäbe es eine Geschichte in Blumenepochen, dann könnte das Veilchen einige Kapitel darin für sich beanspruchen.

Sanftmut, Demut und Sittsamkeit scheinen im Veilchen Viola verkörpert zu sein; deshalb wurde es auch ein Symbol der Jungfrau Maria. Früher war es als kultischer Schmuck beliebt: mit Rosmarin zusammen im Mai für die Bildnisse der Hausgötter bei den Griechen, für die Bilder der Muttergottes und die römischen Bacchantinnen banden es um ihre Stäbe. In Athen wurde das Veilchen zur Modeblume, so sehr, dass sich die anderen Griechen über das „veilchenduftende Athen“ und die „veilchenbekränzten Athener“ lustig machten. Homer weiß Rühmliches von ihm: Es wuchs auf den Matten vor der Grotte der Kalypso, die den umherirrenden Odysseus so lange Jahre umgarnt hielt. Es stand dort so reizend, dass selbst der immer eilige Götterbote Hermes verweilte, um den dunkelblauen Teppich zu bewundern.

Aphrodite, Miss Olymp für unbestimmte Zeit, bekam auch reichlich Veilchen verehrt und dazu den Beinamen „die Veilchenbekränzte“, was dunkelhaarig bedeutet. Vielleicht gab es auch schon bläuliche Haare?

Josephine Beauharnais liebte die Marienblümchen so sehr, dass sie sich bei ihrer Hochzeit mit Napoleon als Blumenschmuck nur einen Veilchenstrauß wünschte. Ihr Festkleid wurde mit Veilchen bestickt. Napoleon vergaß das nie, und jedes Jahr zum Hochzeitstag bekam Josephine ihren Veilchenstrauß, selbst dann, wenn der Gemahl auf dem Kriegspfad war. Dennoch opferte Napoleon die Kapitänstochter Josephine der Staatsraison und setzte eine Prinzessin an ihre Stelle. Doch als Josephine starb, da lag auf ihrem Sarg, auf weißseidenem Kissen, ein frischer Veilchenstrauß.

Die Dichter, und nicht nur sie, haben bemerkt, dass das Veilchen seine Farbe unverändert beibehält, bis es verblüht. Deshalb wurde es auch zum Sinnbild für Treue und Freundschaft. Auch die größeren Violen, die Stiefmütterchen, mit ihren melancholischen Gesichtern, gelten als Zeichen von Innigkeit und Treue.

Im duft des Veilchens mischen sich sinnliche Reize – deshalb Liebesduft und Geistiges. Frauenschönheit zu erhöhen, ist das Veilchen wohl imstande.

Ob es wohl noch jemanden gibt, der es Goethe gleichtut? Er liebte Veilchen sehr, trug oft Veilchensamen in der Rocktasche und verstreute diesen bei Spaziergängen rechts und links des Weges.

Auch im Aberglauben unserer Vorfahren spielte das Veilchen eine große Rolle. Das 16. Jahrhundert erzählt von der Bedeutung des Veilchens in der Liebe: Ein Mädchen, das heimlich einen Mann liebt, der sie nicht beachtet, soll ihm ein Veilchen in den Schuh stecken; dadurch wird er gezwungen, ihr sieben Tage nachzugehen. Diese Zeit kann sie dann nützen, um seine Liebe zu gewinnen. Oder: Befestigt ein Mädchen ein Veilchen über seiner Tür, dann wird es vom ersten Manne, der eintritt, geheiratet werden. Als Amulett um den Hals getragen, macht es den Träger bei allen Leuten beliebt. Dem Veilchen wird nachgesagt, es wirke sich, wenn man am Abend einen Tee davon trinke, besonders auf die Träume aus, und erzeuge besonders schöne und angenehme Traumbilder, in denen es den zukünftigen Mann sehe. Wegen seiner violettblauen Blüten war das Veilchen auch ein Symbol des Himmels. Warf man im Frühling ein Veilchen in den blauen Himmel, so bedeutete das auch ein schöner Frühling. Als Liebesrezept bestens empfohlen: Trage ein Veilchen mit der Wurzel in einem violetten seidenen Tüchlein bei dir, so bist du allen lieb und angenehm. Ein Mädchen soll die Erde aufgraben, wo der Mann ihrer Wahl seine Fußspuren hinterlassen hat. Die Erde wird nun in einen Topf gebracht und das Veilchen hineingepflanzt. Wenn dann die Blume blüht, wird sich auch die Liebe des Mannes entfalten, ob er nun will oder nicht.

Die medizinische Verwendung des Veilchens war bereits Hippokrates und Plinius sowie der heiligen Hildegard von Bingen bekannt. Sie beruht hauptsächlich auf dem Gehalt an Salicylsäure und Saponinen. Die auswurffördernde, schweiß- und harntreibende, schleimlösende Pflanze wird bei Erkrankungen der Luftwege, besonders bei Bronchitis und Keuchhusten verwendet. Zur Teezubereitung nimmt man Blüten und Blätter des Veilchens.

Zur Herstellung eines Brustsirups für Kinder nimmt man 150 Gramm Blüten, die man in einem Liter Wasser kurz aufkocht, zehn Minuten ziehen lässt und absiebt. Im Sud löst man ein Kilogramm Honig oder Zucker auf. Der fertige Sirup hat eine leicht violette Färbung.

Romantisch veranlagte Bräute oder Hausfrauen verwenden das Marienbräutli zur Herstellung einer Hochzeits- oder Frühlingsbowle. Man nimmt eine Tasse voll Blüten, den Saft von zwei Orangen und einen Liter Weißwein. Das lässt man zwei Stunden ziehen und filtriert ab. Zusätzlich löst man 100 Gramm Zucker auf und belebt die Bowle vor dem Servieren mit einem Liter eisgekühltem Schaumwein. Duft und Geschmack der Veilchenbowle erzählen von jungem Glück und künden den Frühling an.

In der Homöopathie nimmt man die Dilutionen D 3 bis D 6 bei Ohrenschmerzen, rheumatischen Gelenkerkrankungen, Asthma und Keuchhusten.

Leckere Gerichte mit Veilchen

Veilchen-Essig

Dazu nimmt man drei Handvoll Veilchenblüten und ½ Liter Weißweinessig.

Zubereitung: Bei den Veilchenblüten die Stiele entfernen. Die Blüten in eine Flasche geben. Essig darübergießen. Die Flasche verkorken und 14 Tage in der Sonne stehen lassen. Dann den Essig abfiltrieren und in einer gut verschließbaren Flasche aufbewahren.

Frühlingsblütensalat

Dazu nimmt man 30 Gramm Veilchenblüten, 30 Gramm Gänseblümchenblüten, 5 Gramm Öl, 10 Gramm saure Sahne, 1 hartgekochtes Ei, 30 Gramm gekochter Schinken, Essig, Salz, Kerbel, Zitronenmelisse und Pfeffer.

Zubereitung: Veilchen- und Gänseblümchenblüten etwas hacken und mit gewürfeltem Schinken und Ei mischen. Eine Marinade aus Essig, Öl, saurer Sahne bereiten, mit den Kräutern würzen und unter den Salat ziehen.

Veilchenlikör

Dazu braucht man 0,5 Liter Doppelkorn, 0,3 Liter Veilchenblütensirup, 100 Gramm Veilchenblüten.

Zubereitung: Gut ausgelesene Veilchenblütenköpfe mit Doppelkorn übergießen und etwa vier Wochen lang stehen lassen. Den Likör nach Geschmack mit Veilchenblütensirup süßen.

Veilchensirup

Dazu braucht man 300 Gramm Veilchenblütenköpfe, 750 Gramm Zucker, 1 Zitrone, 1 Liter Wasser.

Zubereitung: Die Veilchenblütenköpfe in kochendem Wasser aufbrühen. Der Ansatz bleibt fünf Stunden gut verschlossen stehe n. Das Wasser abgießen, aufkochen, erneut auf die Blüten gießen und wieder mehrere Stunden ziehen lassen. Diesen Vorgang noch einmal wiederholen. Dann die Flüssigkeit abgießen und die Blüten ausdrücken. Den gewonnenen Rohsaft mit Zucker und Zitronensaft aufkochen, entschäumen und bis zur Sirupkonsistenz reduzieren.

Viola und Maya

Wohlriechend an dem Waldesrain,

im Moos versteckt,

ganz zart und klein,

ein Veilchen reckt

sein Hälschen hoch,

nach süßem Dufte roch.

Es ziert sich wie ein himmlisch Kind,

und schaukelt wie ein Schmetterling

im lauen Frühlingswind.

Viola streckt sein Näschen hoch in Sicht

und blinkt mit seinem Angesicht

dem schönen Mädchen freudig zu:

„Wer bist denn du?“

„Ich bin die Maya, deine Schwester.

Kennst du mich nicht?“

Das Veilchen spricht:

„Du bist mein kleines Schwesterlein?

Ach, dsas ist fein!“

Die beiden schlendern Hand in Hand,

geschmückt mit einem Blumenband

und einem blauen Festgewand

durch das blütenreiche Land.

(Dieter Kremp)

Veilchen im Glück

Ein Veilchen auf der Wiese stand,

gebückt am nahen Waldesrand.

Ein kleines Mädchen es da fand.

Das Veilchen spricht:

„Ich schenk dir Freude immerdar.

Lass mich in deinem Zimmer blüh’n,

dann werd ich strahlen und erglüh’n.

Ich bring dir Freud und Sonnenschein

In dein junges Leben ein.“

Das Mädchen pflückt das Blümelein

und stellt es in die Vase ein.

Es träumt das ganze Jahr vom Glück,

von Blumen, Blüten und von Freuden.

Es hört die Osterglocken läuten

und denkt: Du hast dein Wort versprochen.

„Hab Dank, du liebes Blümelein,

für deine hehre Himmelsgabe,

daran ich mich nun immer labe.“

(Dieter Kremp)

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